Von der Badewanne unter die Dusche: Die Geschichte der Körperhygiene
Eine Frau entspannt sich im Király-Bad, dem ältesten Thermalbad der ungarischen Hauptstadt Budapest. Es wurde im 16. Jahrhundert von den Osmanen erbaut. Bevor Wohnhäuser über eigene Sanitäranlagen verfügten, nutzte die Bevölkerung solche Gemeinschaftsbäder, um sich zu waschen.
Heutzutage ist das Duschen für die meisten Menschen eine tägliche, unverzichtbare Tätigkeit. Darüber kann man leicht vergessen, dass wir ihr erst seit einer relativ kurzen Zeit nachgehen. Denn laut Aufzeichnungen, die bis in das Jahr 3000 v. Chr. zurückreichen, fand die Körperhygiene über einen sehr viel längeren Zeitraum hauptsächlich in kommunalen Badehäusern statt. In den Bädern des antiken Griechenlands und in japanischen Onsen trafen Menschen aller Schichten aufeinander. Natürlich, um sich zu waschen, aber auch, um Sport zu treiben oder einfach miteinander zu plaudern.
In unseren modernen Zeiten wird das private Duschen dem gemeinschaftlichen Bad meistens vorgezogen. Doch obwohl es ein so fester Bestandteil des Alltags der westlichen Welt ist: Aus gesundheitlicher Sicht ist Duschen nicht unbedingt besser als das Baden. Über die Evolution der Badekultur und was im Laufe dieses Prozesses gewonnen und verloren wurde.
Von Onsen und Hamams: Die Tradition der Badehäuser
Badepraktiken spielten im Alltag der Menschen schon immer eine zentrale Rolle und spiegeln gut sich ändernde Moden in Bezug auf die persönliche Körper- und Gesundheitspflege wider.
In der Antike – insbesondere im Römischen Reich – war die Körperhygiene eine öffentliche Angelegenheit. Nur die wohlhabenden Schichten verfügten über private Baderäume. Alle anderen suchten kommunale Badehäuser auf. Die meist großen Anlagen boten nicht nur Waschmöglichkeiten, sondern auch Essen, Getränke und Massagen an. In manchen gab es außerdem Bibliotheken.
Herkules-Darstellung auf einem Kapitell. Die Säule, zu der dieses Kopfstück gehörte, stand eins in den Caracalla-Thermen, einer Badeanlage im antiken Rom.
„Es existieren zahlreiche künstlerische Darstellungen von Feiern und anderen Veranstaltungen in den Bädern und auch von Personen, die dort zu Abend essen“, sagt Virginia Smith, Historikerin und Autorin des Buchs Clean: A History of Personal Hygiene and Purity.
Laut Katherine Ashenburg, Autorin von The Dirt on Clean: An Unsanatized History, war das Baden für die Menschen des antiken Griechenlands ein Ritual der Selbstreinigung, das sie vor religiösen Festen durchführten oder bevor sie Gäste empfingen. Traditionelle japanische Badehäuser wurden erst für therapeutische und religiöse Zwecke genutzt, später dann auch als gesellschaftliche Treffpunkte. Die Banjas genannten traditionellen russischen Badehäuser und die türkischen Hamams waren ebenfalls Orte, an denen historisch soziale und religiöse Aktivitäten stattfanden.
„Das Baden war in den Köpfen der Menschen nicht immer und in erster Linie mit Sauberkeit verknüpft“, sagt Ashenburg. „Teilweise wurde es in dieser Hinsicht sogar als zwecklos oder gar gesundheitsschädlich betrachtet.“
Als zum Beispiel die Pest im 14. Jahrhundert in Europa wütete, wurden öffentliche Bäder geschlossen. Der Grund: Die Menschen glaubten, dass das heiße Wasser die Poren öffnete und die Krankheit auf diese Weise über die Haut in den Körper gelangen könnte.
Diese Annahme war zwar falsch, laut James Hamblin, Dozent an der Yale University und Autor von Clean: The New Science of Skin and the Beauty of Doing Less, waren hygienische Bedenken in kommunalen Badehäusern aber durchaus angebracht. „In manchen antiken Überlieferungen werden Badehäuser beschrieben, in denen ein Schleimfilm auf der Wasseroberfläche treibt“, sagt er. „Man war also durchaus Krankheitserregern ausgesetzt.“
Die Forumstherme, die hinter dem Jupitertempel in Pompeji gelegen ist, wurde im Jahr 80 v. Chr. erbaut.
Revolution der Körperhygiene
Aus der westlichen Welt verschwand das Gemeinschaftsbad mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts nach und nach. Ein wichtiger Treiber für diese Entwicklung war das Aufkommen der sogenannten Keimtheorie und dass, so Hamblin, das „Baden zunehmend mit Sauberkeit in Verbindung gebracht wurde“.
Mitte des 19. Jahrhunderts begann man in Großbritannien Bade- und Waschhäuser zu bauen, die in erster Linie für die ärmeren Schichten der Bevölkerung vorgesehen waren. Sie waren auch in den USA zu finden, vor allem in New York City. Hier gestaltete es sich besonders schwer, Gebäude an das Abwassersystem anzuschließen. Gleichzeitig führten hohe Zuwanderungszahlen zu einer Bevölkerungsexplosion. Die Erfindung des sogenannten „Regenbads“ – eine frühe Version der Dusche, die für das europäische Militär und Industriearbeiter entwickelt worden war –, eröffnete für die öffentliche Gesundheit und Massenhygiene plötzlich ganz neue Möglichkeiten.
Vorbei waren die Zeiten stundenlanger, luxuriöser Gemeinschaftsbäder in geselliger Runde. Regenbäder waren extrem kosteneffizient, sparten Platz und Wasser und wurden so schnell zum bevorzugten Mittel der Körperhygiene. Zudem stieg die Zahl der Menschen, die sanitäre Anschlüsse und somit auch eigene Badewannen und Duschen in ihren Häusern hatten. Bald gehörten sie zur Standardausstattung.
Laut Naomi Adiv, Politikwissenschaftlerin an der University of Toronto Mississauga, steht diese Entwicklung vor allem im Zusammenhang mit dem Aufkommen des industriellen Kapitalismus. „Den ganzen Nachmittag in einem Bad zu verbringen, lässt sich eben schwer mit Produktivität in Einklang bringen“, sagt sie.
Das Hoshi Onsen Chōjukan ist ein 140 Jahre altes Gasthaus mit heißen Quellen im japanischen Joshin'etsukogen-Nationalpark.
Öffentliche Badehäuser sind nicht vollkommen verschwunden. In vielen Teilen der Welt gibt es sie noch immer, zum Beispiel in der Türkei, in Russland und Japan. Die alltägliche Körperpflege findet jedoch inzwischen vorwiegend in privaten Badezimmern statt. „Der soziale Aspekt des Badens ist damit verloren gegangen – und mit ihm für viele Menschen ein Gefühl der Freude“, sagt Hamblin.
Duschen oder baden – was ist besser?
Ob Baden oder Duschen den Körper besser reinigt, ist bisher kaum erforscht. Laut Kelly Reynolds, Mikrobiologin an der University of Arizona, sind beide Arten der Körperhygiene gleichermaßen effizient – vorausgesetzt, es ist eine saubere Wasserquelle vorhanden. Ihr zufolge ist die Entscheidung für das eine oder andere „eine Frage der persönlichen Vorliebe“.
Amy Huang, Dermatologin aus New York, kann alle beruhigen, die denken, Baden wäre unhygienisch, weil man dabei in seinem eigenen Schmutz liegt. „Wenn man nicht extrem dreckig ist, gibt es keinen Grund zur Sorge“, sagt sie.
Ebenso wie das Darmmikrobiom setzt sich das Mikrobiom der Haut aus tausenden verschiedenen Mikroben zusammen. Sie leben auf der Haut und, so Hamblin, unterstützen ihre Gesundheit. Beim Baden wie auch beim Duschen kann das Biom für kurze Zeit von der Haut gewaschen werden. Ist das Wasser zu heiß, wird zu viel Seife benutzt oder zu hart geschrubbt, kann das der Haut schaden
„Im besten Fall benutzt man eine sanfte Seife ohne Duft- und Farbstoffe, die nicht schäumt“, sagt Huang. Ihr zufolge muss nicht jede Stelle des Körpers eingeseift werden. Es reicht, sich auf die Achseln, den Intimbereich, die Füße und, beim Haarewaschen, die Kopfhaut zu konzentrieren. Waschlappen und Schwämme können laut Katrina Abuabara, Professorin für Dermatologie an der University of California in San Francisco (UCSF), die Hautbarriere beschädigen. Darum sollte man auf diese Hilfsmittel verzichten und zum Waschen nur die Hände benutzen.
Für Menschen mit Ekzemen oder anderen Hauterkrankungen können Bäder bei der Behandlung vorteilhaft sein. „Beim Baden sitzt man länger im warmen Wasser. Dadurch wird die Haut weicher und nimmt medizinische Salben, die danach aufgetragen werden, besser auf“, so Huang.
Laut Justine Grosso, die Praxen für Körper-und-Geist-Psychologie in New York und North Carolina betreibt, kann ein warmes Bad auch die körperliche und mentale Gesundheit unterstützen. „Bei Menschen mit Depressionen hebt Baden erwiesenermaßen die Stimmung, denen mit Insomnie hilft es beim Schlafen. Außerdem hat es einen positiven Einfluss auf unseren Kreislauf”, sagt sie.
Woran genau das liegt, wird noch untersucht. „Es gibt Hinweise, dass ein Zusammenhang mit der Gefäßerweiterung besteht, durch die mehr Sauerstoff und Nährstoffe in die äußeren Extremitäten transportiert werden“, so Grosso.
„Das ist der Hitze zu verdanken“, sagt Ashley Mason, klinische Psychologin an der UCSF. Vorläufige Studien legen nahe, dass es zuträglich für die Gesundheit ist, einmal am Tag heiß zu duschen, zu baden oder sich in einer Sauna oder einem Dampfbad aufzuhalten.
Wenn es aber um die Hygiene geht, gilt laut Hamblin der Grundsatz, weniger ist mehr. Die Körperpflegeindustrie hätte eine Praxis, die kaum in Zusammenhang mit der Prävention von Krankheiten stehe, „medizinifiziert“. Ohne die Notwendigkeit von dem Gebrauch von Seife schmälern zu wollen, kritisiert er Marketingstrategien, die der Körperhygiene einen viel zu hohen Stellenwert einräumen und Menschen glauben machen, sie bräuchten für ihre tägliche Körperpflege teure Produkte.
Aus medizinischer Sicht hatte das gemeinschaftliche Baden ihm zufolge nie den Zweck, die Gesundheit zu verbessern. Doch „in Hinblick auf soziale Verbindungen und mentale Entspannung hatte es zweifelsfrei einen Effekt.“
Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.