1.200 Jahre alte Tattoos: Peruanische Mumien offenbaren komplexe Körperkunst

Dreiecke, Rauten, Tiergestalten – mithilfe moderner Lasertechnik haben Forschende die kunstvollen Tätowierungen von Mumien der Chancay-Kultur sichtbar gemacht. Was verraten die Darstellungen über das Leben dieser alten Zivilisation?

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 21. Jan. 2025, 09:06 MEZ
Geometrische Tattoos auf dem Handrücken einer Mumie.

Geometrische Formen zieren die Hand einer peruanischen Mumie der Chancay-Kultur.

Foto von Michael Pittman

Menschen tragen bereits seit Jahrtausenden Tätowierungen: Die ältesten stammen von einer über 5.350 Jahre alten ägyptischen Mumie und zeigen gehörnte Tiere. Auch in den präkolumbischen Kulturen Südamerikas war die Kunstform weit verbreitet. Und offensichtlich waren unter den damaligen Tätowierer*innen wahre Künstler*innen: Manche der über tausend Jahre alten südamerikanischen Tätowierungen waren sogar komplexer und feiner gestochen als heutige Exemplare. 

Das konnte ein Forschungsteam nun bei der Untersuchung von 1.200 Jahre alten Mumien der peruanischen Chancay-Kultur feststellen. Mithilfe einer modernen Lasertechnologie offenbarten die Forschenden die präzise Körperkunst. Ihre Studie erschien in der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)

1.200 Jahre alte geometrische Tattoos

Tierähnliches Tattoo auf einer Mumie.

Eins der tierähnlichen Motive auf der Brust einer Mumie.

Foto von Thomas G. Kaye et al.

Die untersuchten Mumien wurden bereits 1981 im Zuge von Ausgrabungen auf einem Friedhof im Huaura-Tal im Norden Perus gefunden. Sie gehörten zur Kultur der Chancay, die sich etwa zwischen 1300 bis 1450 an der heutigen Zentralküste Perus entwickelte. Bekannt waren die Chancay vor allem für ihre reich verzierten Textilien und Keramiken, mit denen sie regen Handel betrieben. Dass sie sich offensichtlich auch anderweitig kreativ auslebten, konnte die neue Studie zeigen. 

Das Team um den Paläobiologen Michael Pittman von der Chinesischen Universität Hongkong und Thomas G. Kaye von der US-amerikanischen Foundation for Scientific Advancement fand auf verschiedenen Körperteilen der Mumien außergewöhnlich feine Tätowierungen. Darunter komplexe geometrische Muster und tierähnliche Darstellungen mit Linien, die zwischen 0,1 und 0,2 Millimeter breit waren. 

Komplexe Tattoos als Statussymbole?

Für solche präzisen Designs seien Werkzeuge mit sehr feinen Spitzen notwendig gewesen, so die Forschenden. Vermutlich nutzten die Chancay Kaktusnadeln oder geschärfte Tierknochen, um die Motive unter die Haut zu bringen. Die Tinte bestand wahrscheinlich aus Ruß, Zinnober oder anderen natürlichen Pigmenten.

BELIEBT

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    Aneinandergereihte Rauten als Fingertattoo.
    Ein komplexes geometrisches Unterarm-Tattoo auf einer Mumie.
    Links: Oben:

    Aneinandergereihte Rauten als Fingertattoo. 

    Rechts: Unten:

    Der Arm dieser Mumie ist mit komplexen Dreieck-Tattoos übersät.

    bilder von Michael Pittman

    „Die Chancay-Kultur [...] investierte offenbar auch erhebliche Mühe in die persönliche Körperkunst“, sagt Erstautor Thomas G. Kaye. Die Forschenden sind sich einig, dass einige Tätowierungen sogar die Chancay-Keramiken und -Textilien in ihrer künstlerischen Präzision übertreffen. „Dies könnte darauf hindeuten, dass Tätowierungen ein zweiter bedeutender künstlerischer Schwerpunkt waren, möglicherweise mit tiefgreifender kultureller oder spiritueller Bedeutung“, sagt Kaye. 

    Da nur drei der hundert Individuen sehr aufwendige und feine Tätowierungen aufwiesen, könnte es sein, dass diese einst als Statussymbole oder spirituelle Embleme fungierten. Möglich sei laut den Forschenden zum Beispiel, dass die komplexesten Tattoos einer bestimmten Gruppe von Menschen vorbehalten waren – oder dass sie in Ritualen und Zeremonien zum Einsatz kamen. 

    Lasertechnik könnte tiefere Einblicke in alte Kulturen gewähren

    Normalerweise neigen Tätowierungen dazu, mit der Zeit zu verblassen und zu verlaufen. Bei Mumien wird dieser Prozess durch den Zerfall des Körpers verstärkt. Um die Tattoos und ihre Feinheiten trotzdem sichtbar zu machen, nutzte das Forschungsteam die Methode der laserinduzierten Fluoreszenz. Dabei wurde die Haut der Mumien in einem dunklen Raum mithilfe von Laserstrahlen zum Fluoreszieren gebracht. Dadurch hob sich die Tätowierfarbe kontrastreich von der Haut ab, was es wiederum einfacher machte, die kunstvollen Details der fein gestochenen Tattoos zu erkennen. 

    „Die laserinduzierte Fluoreszenz ermöglicht es uns, Tätowierungen in ihrer vollen Pracht zu sehen und Jahrhunderte der Verwitterung zu überwinden“, sagt Kaye. Die Wissenschaftler erhoffen sich durch die Methode tiefere Einblicke in untergegangene Kulturen zu bekommen. Studienleiter Pittman erklärt, die laserinduzierte Fluoreszenz eröffne „eine Welt voller Möglichkeiten zur Erforschung antiker Tätowierungen – nicht nur in Peru, sondern weltweit.“

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