Abenteurer des Jahres Ueli Steck beim Klettern am Mount Everest tödlich verunglückt

Die „Schweizer Maschine“ war bekannt für seine schnellen Aufstiege und seine Liebe zu den Bergen

Von Andrew Bisharat
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:32 MEZ
Steck 2012 auf dem Gipfel des Les Drus
Steck, der hier 2012 auf dem Gipfel des Les Drus zu sehen ist, erhielt den Spitznamen „Schweizer Maschine“, weil er die höchsten und schwierigsten Gipfel der Erde beim Speedklettern bezwang.
Foto von Jonathan Griffith, Aurora

 

Ueli Steck verstarb am Sonntag, während er sich am Mount Everest in Nepal akklimatisierte. Der charismatische schweizerische Bergsteiger war berühmt für seine Speedkletter-Aufstiege der höchsten und schwierigsten Berge der ganzen Welt. Sein überwältigendes Durchhaltevermögen hatte ihm den Spitznamen „Schweizer Maschine“ eingebracht. Er wurde 40 Jahre alt.

Ein Sprecher für Stecks Familie bestätigte seinen Tod auf seiner Website:

„Ueli Steck ist beim Versuch, den Mount Everest und den Lhotse zu besteigen, ums Leben gekommen. Seine Familie hat heute von seinem Tod Kenntnis erhalten. Die genauen Umstände sind derzeit noch unbekannt. Die Familie ist unendlich traurig und bittet die Medienschaffenden, aus Respekt und Rücksicht gegenüber Ueli derzeit auf Spekulationen über die Umstände von dessen Tod zu verzichten.“  

Stecks sterbliche Überreste wurden Berichten zufolge nahe dem Fuße des Nuptse West entdeckt, einem 7.800 m hohen Gipfel, der sich im Westen des Everest-Massivs befindet. Er kletterte allein und akklimatisierte sich wohl gerade am Nuptse, als der Unfall geschah. Diese Akklimatisierung erfolgte in Vorbereitung auf Stecks großes Ziel: eine Überquerung des Everest (8.859 m) und des Lhotse (8.516 m) in einem einzigen Durchgang. Dabei wollte er die ehrgeizige Route auf den Gipfel des Everest nehmen – den berüchtigten Westgrat. Er plante auch, den Aufstieg ohne zusätzlichen Sauerstoff durchzuführen.

Steck hatte für sein „Everest-Lhotse-Projekt“, wie er es nannte, schon seit Jahren trainiert. Wann immer er davon erzählte, erhellten Aufregung und überwältigendes Staunen sein Gesicht. Es waren dieser ungezügelte Enthusiasmus fürs Klettern und seine übermenschliche Ausdauer, die sowohl eingefleischte Kletterer als auch Hobbybergsteiger auf der ganzen Welt inspirierten. Im Jahr 2015 brachten sie ihm außerdem Anerkennung als National Geographic Abenteurer des Jahres.

In den vergangenen Jahren arbeitete Ueli Steck oft mit National Geographic zusammen: 2011 bloggte er für die deutsche Ausgabe von einer Himalaya-Expedition und tourte 2015 im Rahmen der Vortragsreihe „National Geographic präsentiert...“ durch viele deutsche Städte, um den Zuhörern von seinen Erlebnissen zu berichten. Beim Publikum war er nicht nur aufgrund seiner sportlichen Leistungen, sondern vor allem wegen seines feinen Humors und seiner sympathischen Bodenständigkeit beliebt.

„Ueli war weit mehr als einfach nur eine Inspiration“, sagt Cory Richards, ein National Geographic-Fotograf, der momentan in Tibet ist und sich für seinen eigenen Aufstieg auf den Everest akklimatisiert. „Was er der Klettergemeinschaft gegeben hat, dem sind nur die Spuren ebenbürtig, die er auf den Bergen hinterlassen hat. Für mich hinterlässt er eine Lücke, die nicht gefüllt werden kann. Er wurde einfach bewundert und verehrt.“

Steck ist der erste Todesfall der Everest-Saison 2017, die von März bis Mai geht. Dieses Jahr befinden sich Berichten zufolge bis zu 1.000 Kletterer in der Region, die den Everest besteigen wollen – das ist schon für sich allein ein Rekord. Das Steck, der zu seiner Zeit vermutlich als bester Bergsteiger der Welt galt, bei einem Standard-Akklimatisierungslauf ums Leben kam, verdeutlicht das grundlegende Risiko, das mit dem Bergsteigen im Himalaya einhergeht.

2015 sprach Steck mit National Geographic über die Risiken des Bergsteigens: „Es ist eine endlose Diskussion. Wenn man in die Berge geht, muss man wirklich akzeptieren, dass es immer ein Risiko gibt.“
Foto von Jean-Pierre Clatot, AFP/Getty Images

„Der Everest ist gefährlich und wird es immer sein“, sagt Richards. „Es ist tragisch, wenn wir Menschen verlieren. Aber es ist auch wichtig, sich daran zu erinnern, dass der eigentliche Grund für den Aufstieg auf solche hohen Berge ist, dass wir uns dieser Grenze annähern wollen. Das intensiviert die Bedeutung dessen, was es heißt zu leben.“

Stecks beeindruckendste Leistung war vielleicht seine 28 Stunden dauernde Solo-Besteigung des 8.061 m hohen Annapurna 2013. Diese Leistung hat ihm die Auszeichnung des Piolet d’Or eingebracht, die höchste Ehre unter Alpinisten. Steck hatte die Südwand erklommen – eine einschüchternde und mehr als 3.000 Meter hohe, senkrechte Wand aus Eis und bröckeligem Gestein. 2007 verlor er fast sein Leben bei dem Versuch, diese Südwand zu besteigen, als ein Steinschlag ihn 300 m in die Tiefe schleuderte. Wie durch ein Wunder überlebte er den Vorfall mit nur leichten Verletzungen.

Steck wuchs in der idyllischen Kleinstadt Langnau im Emmental auf, wo er seine Kindheit damit verbrachte, mit seinen zwei älteren Brüdern Hockey zu spielen. Mit 12 Jahren entdeckte er das Klettern für sich, als ein paar Freunde seines Vaters, einem Kupferschmied, ihn zu nahegelegenen Klippen mitnahmen. Prompt tauschte er die Eissporthalle gegen die Kletterhalle und nahm schon bald an Kletterwettkämpfen der schweizerischen Jugend teil. Steck war außerdem ein talentierter Felsenkletterer, der auch in großen Höhen klettern konnte. In seinen Flitterwochen 2009 bezwang er im Freiklettern zusammen mit seiner Frau die „Golden Gate“, eine 900 m hohe Felswand des El Capitan im Yosemite-Nationalpark in Kalifornien. Die Route hat auf der UIAA-Schwierigkeitsskala eine 9+/10-. Stecks erfolgreiche Kletterpartie, die er fast völlig ohne vorherige Informationen über die Route absolvierte, verdiente ihm den Respekt der sonst eher unbeeindruckten Stammgäste des Yosemite.

“Der Everest ist gefährlich und wird es immer sein. Es ist tragisch, wenn wir Menschen verlieren. Aber es ist auch wichtig, sich daran zu erinnern, dass der eigentliche Grund für den Aufstieg auf solche hohen Berge ist, dass wir uns dieser Grenze annähern wollen. Das intensiviert die Bedeutung dessen, was es heißt zu leben.”

von Cory Richards

Stecks eigentliche Leidenschaft waren aber die Berge – er bewegte sich schnell und mit wenig Gepäck und versuchte, in einem einzigen Durchgang so viel Terrain wie möglich zu bewältigen. Für seine größten Himalaya-Aufstiege trainierte er mit Läufen und Solo-Klettertouren in den Europäischen Alpen. Eine seiner liebsten Touren war der Speedkletter-Aufstieg der berüchtigten Eigernordwand, die zum ersten Mal binnen vier Tagen im Jahr 1938 bestiegen wurde. Steck schaffte seinen ersten Soloaufstieg an der Nordwand im Alter von 28 Jahren in nur 10 Stunden. Über die Jahre verbesserte er seine Leistung und erklomm den Gipfel des Eiger 2015 schließlich in nur 2 Stunden, 22 Minuten und 50 Sekunden – der aktuelle Rekord.

Stecks Karriere war allerdings nicht ganz frei von Kontroversen. 2013 akklimatisierte er sich zusammen mit Simone Moro, einem berühmten Höhenbergsteiger und Hubschrauberpiloten aus Italien, und Jonathan Griffith, einem englischen Bergsteiger und Fotografen. Das Trio entschied sich dafür, über einem Team von Sherpas zu klettern, die gerade Seile anbrachten. Dieses Verhalten nahmen die Sherpas ihnen übel. Es folgte ein Streit in einem Basislager weiter unten, bei dem eine große Gruppe wütender Sherpas die europäischen Kletterer konfrontierte und schließlich Steine gegen ihre Zelte warf.

Uli Steck erklimmt 2014 das erste Eisfeld des Colton-Macintyre an der Nordwand des Grandes Jorasses.
Foto von Rex Features, AP Images

In einem kürzlich veröffentlichten Video gab Steck eine eindringliche Definition von Erfolg in Hinblick auf sein Everest-Lhotse-Projekt. „Ich werde keine Definition für einen Erfolg festlegen ... Die einzige Definition [für Misserfolg] ist, einen Unfall zu haben oder zu sterben.“

Vielen wird Steck immer als die Schweizer Maschine in Erinnerung bleiben – ein kraftvolles und seltenes Geschöpf, das seine eindrucksvollen Beine und seine Lunge über unmögliche Gebirgszüge tragen. Aber für jene, die ihn kannten, war er viel mehr. Der britische Journalist Ed Douglas, der jahrelang über Stecks Karriere berichtet hat, schrieb auf Twitter:

„Eines war Ueli Steck nicht, und zwar eine Maschine. Er war herzlich und mitunter überraschend zerbrechlich. Aber keine Maschine.“

Steck hinterlässt seine Frau, Nicole.

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