Verschmutzung färbt Seeschlangen schwarz
Wissenschaftler haben nach Jahrzehnten das Rätsel darum gelöst, warum manche Seeschlangen ihre Streifen verlieren.
Die Seeschlange Emydocephalus annulatus hat im Normalfall einen schwarz-weiß geringelten Körper. Seit Jahrzehnten haben Forscher allerdings gerätselt, warum einige pazifische Populationen in der Nähe von Städten ihre Streifen anscheinend verloren haben.
Eine Studie könnte nun endlich die Antwort haben: Das Pigment in schwarzer Haut könnte den Schlangen dabei helfen, industrielle Schadstoffe abzusondern. (Mehr zu Umweltverschmutzung durch den Menschen)
Die Wissenschaftler sammelten in mehreren Lebensräumen der Seeschlange Hautreste von Emydocephalus annulatus. Sie entdeckten, dass die komplett schwarzen Schlangen aus dem städtischen Umkreis höhere Konzentrationen von Spurenelementen wie Arsen und Zink hatten als die Schlangen, die weit von Städten entfernt lebten. Dasselbe Phänomen entdeckten die Forscher bei Hautproben anderer schwarz-weiß geringelter Schlangen, den Plattschwänzen oder auch Seekraits.
Schließlich beobachteten die Wissenschaftler noch, dass komplett schwarze Seeschlangen sich öfter häuten als ihre geringelten Verwandten. Das stützt ihre Vermutung, dass die dunklere Hautfarbe den Reptilien ermöglicht, dem Stress des Stadtlebens zu widerstehen.
„Weltweit gehen die Schlangenpopulationen aufgrund von menschlichen Aktivitäten zurück. Da ist es eine gute Nachricht, dass eine Art eine Möglichkeit entwickelt hat, der Verschmutzung standzuhalten“, sagt die Studienleiterin Claire Goiran. Sie ist eine Meeresbiologin an der Universität von Neukaledonien und am LabEx Corail.
„Das wird aber nicht reichen, wenn wir die Natur weiter zerstören“, sagt Goiran, deren Studie am 10. August in „Current Biology“ erschien.
LIVE UND IN FARBE
Wenn die Befunde der Forscher korrekt sind, würde Emydocephalus annulatus zu einer kleinen Reihe von Tieren mit Industriemelanismus zählen.
Das berühmteste Beispiel dieser Art ist der Birkenspanner, ein in Großbritannien heimischer Schmetterling. Er bildete eine dunklere Färbung aus, um sich besser auf den von Kohle geschwärzten Baumstämmen tarnen zu können.
Allerdings war es ein anderes, farbwechselndes Tier, welches Goiran zu der Vermutung brachte, dass Emydocephalus annulatus Industriemelanismus aufweisen könnte. Sie hatte eine Abhandlung von der Biologin Marion Chatelain von der Universität Warschau gelesen. Darin wurde beschrieben, dass Pariser Tauben mit dunkleren Federn besser als ihre hellen Verwandten in der Lage waren, Giftstoffe auszulagern.
Das Pigment Melanin, das Federn (und Haut) dunkel färbt, neigt dazu, Metallionen zu binden. Das bedeutet, dass die Bildung dunkler Federn für Vögel eine Möglichkeit darstellen könnte, Toxine aus ihren Körpern zu ziehen.
„Ich dachte sofort, dass das der Grund dafür sein könnte, warum Emydocephalus annulatus um Nouméa herum schwarz sein könnte“, sagt Goiran. Die Hauptstadt von Neukaledonien beheimatet etwa 100.000 Menschen und es wird im großen Stil Nickel abgebaut. Die Stadt und die umliegenden Gewässer sind sowohl von landwirtschaftlicher als auch industrieller Verschmutzung betroffen.
Goiran vermutet, dass die Schlangen die Toxine durch die Fische aufnehmen, die sie fressen.
„NOCH NICHT FERTIG“
Chatelain findet die neue Studie interessant, da sie wahrscheinlich eine Verbindung zwischen dunklerer Farbgebung und der Metallkonzentration in einem Reptil aufzeigt.
Aber es bleiben noch viele Fragen offen.
Die Studie analysierte zum Beispiel den Metallgehalt in den hellen und dunklen Bändern von Plattschwänzen, nicht aber von Emydocephalus annulatus. Die Autoren vermuten zwar, dass derselbe Trend auch auf letztere zutrifft – aber um sicherzugehen, so Chatelain, braucht man Hautproben beider Farbvarianten aus städtischen Gebieten.
Und da liegt das Problem: Es ist fast unmöglich, heutzutage noch eine gestreifte Emydocephalus annulatus in Stadtnähe zu finden, sagt Goiran.
In Nouméa haben nur noch fünf Prozent der Art Streifen. Darüber hinaus häutet sich die Art nur drei- bis viermal pro Jahr. Das verringert natürlich die Chancen, dass ein Forscher eine entsprechende Probe findet.
Plattschwänze hingegen häuten sich an Land, wodurch ihre Häute viel einfacher einzusammeln sind.
„Die Studie ist noch nicht fertig“, sagt Goiran. „Wir können von Seeschlangen noch sehr viel mehr lernen.“