Warum sind manche Hunde aggressiver?

Eine neue Studie zeigt, dass zwei Hormone eine wichtige Rolle im Verhalten von Hunden spielen könnten.

Von Carrie Arnold
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:46 MEZ
Aggressionen bei Hunden zu verstehen und zu verhindern, könnte Leben retten – sowohl von Menschen als ...
Aggressionen bei Hunden zu verstehen und zu verhindern, könnte Leben retten – sowohl von Menschen als auch von Hunden. Eine Studie liefert nun neue Hinweise.
Foto von Joël Sartore, National Geographic Creative

Der Hund mag des Menschen bester Freund sein, aber diese Freundschaft kann sich auch zu etwas Anderem wandeln. Wedelnde Ruten und schlabbrige Küsschen können zu Gebell, Knurren und Bissen werden. Bei manchen Hunden tritt diese Verhaltensänderung deutlich schneller auf als bei anderen, und Evan MacLean wollte verstehen, warum das so ist. MacLean, ein Psychologe und Anthropologe an der Universität von Arizona, glaubt, dass Hormone dabei helfen könnten, diese Unterschiede zu erklären.

In einer neuen Studie in „Frontiers in Psychology“ offenbaren MacLean und seine Kollegen, dass die Konzentration der Hormone Oxytocin und Vasopressin (auch bekannt als Antidiuretisches Hormon) hündische Verhaltensweisen und Aggressionen beeinflussen. Begleithunde, die teils gezielt ob ihres ruhigen Temperaments gezüchtet werden, haben einen deutlich höheren Oxytocinspiegel als der durchschnittliche Hund. Hunde, die anderen Hunden gegenüber aggressiver waren, wiesen hingegen eine höhere Vasopressinkonzentration auf. (Warum sind Hunde so freundlich? Eine neue Studie gibt Aufschluss)

WAS MACHT HUNDE AGGRESSIVER?

„Das ist die erste Studie, die sich Vasopressin und Aggression bei Hunden angesehen hat. Diese Arbeit eröffnet neue Behandlungsmöglichkeiten“, sagt Sue Carter, eine Biologin des Kinsey Instituts an der Indiana Universität. Sie hat an der Studie mitgeschrieben und untersucht diese Hormone seit mehreren Jahrzehnten.

Die meisten Hunde zeigen unter den richtigen Umständen Aggression. Zu den üblichen Auslösern zählen zum Beispiel Bedrohung der Nahrungsressourcen oder das bloße Sehen anderer Hunde oder Menschen. Das ist bei Hundehaltern ein weit verbreitetes Problem, erklärt Julia Meyers-Manor, eine Hundeexpertin der Universität Minnesota. Sie half früher dabei, die Hunde der Twin Cities Humane Society zu trainieren, und war an der jüngsten Studie nicht beteiligt.

„Unsere Kurse waren immer voll“, sagt sie.

Das Laufen an der Leine kann für manche Hunde zu Anfang eine besondere Herausforderung darstellen, erklärt Meyers-Manors. „Sie fühlen sich gefangen, als ob sie nicht entkommen könnten. Und manchmal ist Angriff die beste Verteidigung.“

Das Ergebnis sind 4,5 Millionen Hundebisse in den USA pro Jahr, wie die Centers for Disease Control and Prevention berichten. Aggressionen sind der Hauptgrund, aus dem die meisten Hunde an Tierheime übergeben werden. Hundeaggression zu verstehen und zu verhindern, kann daher Leben retten – sowohl die von Menschen als auch von Hunden. 

DIE SUCHE NACH DER URSACHE

Wie viele Verhaltensweisen ist auch Aggression ein Produkt von genetischer Veranlagung und Umwelteinflüssen. Frühe Lebenserfahrungen können das Aggressionsverhalten erwachsener Hunde beeinflussen. Aber auch das Temperament des Tieres spielt dabei eine Rolle – und das wiederum wird teilweise durch Hormone bestimmt. (Hunde sind uns ähnlicher, als wir dachten)

Carter begann ihre Karriere mit der Frage, ob Oxytocin, das für seine Rolle bei der Mutter-Kind-Bindung bekannt ist, auch erklären könnte, warum Präriewühlmäuse (Microtus ochrogaster) lebenslange Bindungen eingehen. Tatsächlich erreichen die Oxytocinkonzentrationen bei Präriewühlmäusen ihren Höhepunkt, nachdem sie ein Nest gebaut und mit der Paarung begonnen haben. Aber Carter bemerkte auch etwas Ungewöhnliches. Nach der Paarung wurden männliche Präriewühlmäuse gegenüber anderen Wühlmäusen aggressiv (ihre Partnerin ausgenommen). Weitere Experimente enttarnten Vasopressin als den Schuldigen. Wurde das Vasopressin blockiert, kehrten die Wühlmäuse zu ihrem friedfertigeren Selbst zurück.

Andere Wissenschaftler konnten bei einer Vielzahl von Arten ähnliche Ergebnisse nachweisen, aber bisher hatte das noch niemand auf Haushunde angewandt. MacLean begann, sich mit Oxytocin und Vasopressin zu beschäftigen, nachdem eine Suche in der wissenschaftlichen Literatur keinen wahrscheinlichen Kandidaten für das hündische Verhalten liefern konnte. Manche Forscher nahmen an, dass das Testosteronlevel für Aggressionen ausschlaggebend ist, aber kastrierte Hunde waren nicht immer weniger aggressiv als ihre intakten Artgenossen. Die Ergebnisse für Serotonin, das mit Angst und Depression in Zusammenhang steht, waren ebenfalls durchwachsen. Aber die Auswirkungen von Oxytocin und Vasopressin waren über eine weite Bandbreite von Arten ähnlich, was MacLean Hoffnung machte. (Spüren Hunde eine Schwangerschaft?)

BELIEBT

    mehr anzeigen
    Wie die meisten hündischen Verhaltensweisen ist auch Aggression ein Ergebnis von genetischer Veranlagung und Umwelteinflüssen. Wissenschaftler fanden heraus, dass Begleithunde eine höhere Konzentration des Hormons Oxytocin aufwiesen.
    Foto von Joël Sartore, National Geographic Creative

    NEUE ANTWORT, NEUE FRAGEN

    Er begann, indem er sich Hunde ansah, die anderen Hunden gegenüber grundlos aggressiv waren, und verglich sie mit nicht aggressiven Hunden, welche die gleiche Rasse, das gleiche Alter und das gleiche Geschlecht hatten. Dann nahmen die Wissenschaftler Blutproben, um die Konzentration von Vasopressin und Oxytocin zu messen, bevor das Experiment begann.

    MacLean ließ die Besitzer ihre Hunde dann an drei ausgestopften Hunden vorbeilaufen, um ihre Reaktionen zu messen und im Anschluss eine weitere Blutprobe zu nehmen. Wie erwartet knurrten, bellten und zerrten die aggressiven Hunde heftiger in Richtung der ausgestopften Hunde als ihre nicht aggressiven Gegenstücke. Außerdem hatten sie signifikant höhere Vasopressinkonzentrationen im Blut.

    In einem separaten Experiment setzten MacLean und seine Kollegen Assistenzhunde entweder einem bedrohlichen Fremden oder einem unbekannten Hund aus. In beiden Fällen blieben die Begleithunde ruhig und hatten höhere Oxytocinlevel als durchschnittliche Haushunde.

    „Bevor wir an einer Veränderung der Aggression arbeiten können, müssen wir die zugrundeliegende Biologie verstehen. Vorher hatte sich diese Hormone noch nicht mal irgendwer angesehen“, sagt MacLean. Die Ergebnisse bieten einen neuen Ausgangspunkt für weitere Studien, auch wenn MacLean warnt, dass noch nicht ganz klar ist, ob das Vasopressin die Aggression verursacht oder nur während aggressiven Verhaltens ausgeschüttet wird.

    Die Studie mag also noch nicht geklärt haben, wer ein braver Hund ist, aber kann Hundehaltern vielleicht sagen, warum ihr Bello keiner ist.

    loading

    Nat Geo Entdecken

    • Tiere
    • Umwelt
    • Geschichte und Kultur
    • Wissenschaft
    • Reise und Abenteuer
    • Fotografie
    • Video

    Über uns

    Abonnement

    • Magazin-Abo
    • TV-Abo
    • Bücher
    • Disney+

    Folgen Sie uns

    Copyright © 1996-2015 National Geographic Society. Copyright © 2015-2024 National Geographic Partners, LLC. All rights reserved