Nepals letzte bekannte Tanzbären wurden gerettet

Geschlagen und zum Gehorsam gezwungen führten die Lippenbären wohl für mehr als ein Jahrzehnt Kunststücke vor.

Von Rachael Bale
Veröffentlicht am 22. Dez. 2017, 16:34 MEZ

Die lange Tradition von Tanzbären in Nepal hat ein Ende gefunden. Sie ist berüchtigt für ihre grausamen Trainingsmethoden.

Nepalesische Strafverfolgungsbehörden befreiten kürzlich mit Unterstützung des Jane-Goodall-Instituts und der gemeinnützigen Organisation World Animal Protection die beiden Lippenbären Rangeela und Sridevi. Die Tiere befanden sich im Besitz von Mohammad Salman und Mohammad Momtaz, Mitglieder der halbnomadisch lebenden Volksgruppe der Nat. Diese bestreiten traditionell ihren Lebensunterhalt mit Straßenkunst.

„Hier selbst anwesend zu sein, um die letzten bekannten Tanzbären in Nepal zu retten, war unwirklich“, sagt Neil D’Cruze, ein weltweit operierender Wildtierberater bei World Animal Protection.

„Wir wissen, dass Rangeela und Sridevi in Gefangenschaft gelitten haben, da sie als Jungtiere gewildert und ihre Schnauzen mit heißen Eisenstangen durchstoßen wurden.“

Bären verschiedenster Arten zum Tanz vor zahlendem Publikum abzurichten war in Europa und Asien im Mittelalter sehr beliebt. In Osteuropa und Asien hatte dies laut World Animal Protection bis ins späte 20. Jahrhundert weiter Bestand.

Dank gemeinschaftlicher Bestrebungen von Tierschutzorganisationen, die Bären zu retten und ihren Besitzern andere Einkommensquellen zu ermöglichen, ist diese Praxis weitestgehend beendet.

In Länder wie Albanien, Bulgarien, Griechenland, Indien, Serbien, die Türkei und jetzt auch Nepal werden keine Tanzbären mehr vermutet. In Pakistan gibt es den Brauch jedoch nach wie vor.

„Die traurige Wahrheit ist, dass es noch viele Wildtiere auf der Welt gibt, die zur Belustigung von Menschen leiden“, sagt Manoj Gautam, der geschäftsführende Direktor des Jane-Goodall-Instituts in Nepal. „Aber zumindest diese beiden Lippenbären sehen nun endlich einem glücklicheren Ausgang ihrer Geschichte entgegen.“

Andere Organisationen beglückwünschen sie zu ihrem Erfolg. „Das Wichtigste an dieser kürzlich erfolgten Rettung – ebenso wie bei fast jeder Bärenrettung im Jahr 2017 – ist, dass diese grausamen Tiertrainingsmethoden von der modernen Gesellschaft nicht länger akzeptiert werden. Bislang waren sie hinter dem Vorhang kultureller Eigenheiten verborgen“, sagte Claire LaFrance, Kommunikationsleiterin der gemeinnützigen Organisation Vier Pfoten U.S.. Auch sie hat daran mitgewirkt, Tanzbären in diversen Ländern abzuschaffen.

„Länder wie Indien, Nepal und Vietnam, die permanent nach Modernisierung streben und global ernst genommen werden wollen, müssen diese rückständigen Bräuche beenden, die Tiere ausbeuten um Profit mit ihnen zu machen.“

DAS ABRICHTEN VON BÄREN

Bären, die in Nepal Kunststücke vorführen, wurden oft von Wilderern aus der Natur entnommen und auf dem Schwarzmarkt verkauft. In manchen Fällen wurden sie als Jungtiere gefangen – und ihre Mutter getötet für den medizinisch verwendeten Inhalt ihrer Gallenblase oder ihre Pfoten, die in einer teuren Suppe serviert oder zu traditioneller Medizin verarbeitet werden.

Ein Bärenjunges ist normalerweise leicht zu bändigen und wird mit grausamen Methoden abgerichtet. Seine Schnauze wird durchbohrt und ein Seil oder ein Ring durch die Löcher geführt, um den Bären zu kontrollieren. Manchmal werden die Eckzähne gezogen oder abgefeilt und die Klauen entfernt, um Verletzungen des Besitzers zu vermeiden.

Lippenbären sind für ihre Aggressivität bekannt, sagt D’Cruze. Sie zum Gehorsam zu zwingen ist ein traumatisierender Prozess, oft wird der Bär dabei mit einem Stock verprügelt.

„Angst, Schmerz und Aggression werden permanent gegen das Tier eingesetzt“, sagt Gautam.

Einmal abgerichtet wird der Bär dann auf die Straßen gebracht, um dort Kunststücke gegen Bezahlung vorzuführen.

„Tanzbären und Bären, die als Touristenattraktion für Selfies oder bei Restaurants benutzt werden, leiden unglaublich“, sagt LaFrance von Vier Pfoten. „Im Rahmen unserer Arbeit mit großen Tieren in Gefangenschaft haben wir erlebt, dass Privathaltern in der Regel die nötigen Fähigkeiten und das Wissen fehlt, um einem so komplexen Tier wie einem Bären eine artgerechte Haltung zu bieten.“

DIE RETTUNG

D’Cruze und Gautam hatten diese Bären und ihre Besitzer mehr als ein Jahr lang verfolgt und auf den richtigen Moment gewartet, eine Rettungsaktion zu starten. Der Plan sah vor, an die Eigentümer heranzutreten und sie davon zu überzeugen, die Bären abzugeben. Aber als Gautam und D’Cruze am letzten bekannten Aufenthaltsort der Bären in einer abgelegenen Grenzstadt eintrafen, waren die Tiere nirgendwo zu finden.

„Am Ende hatten wir Glück“, sagt Gautam. „Ein gut ausgestattetes Polizeiteam war vor Ort und in der Lage, die Handynummer der Bärenbesitzer nachzuverfolgen.“

Die Polizei konfiszierte die Bären in der Stadt Iharbari im Südosten von Nepal. Dabei wurden vier Menschen festgenommen und zur Bezirksstation gebracht. Bußgelder oder Haftstrafen haben die Besitzer nicht zu erwarten. Sie wurden jedoch eindringlich verwarnt, berichtet Gautam, der bei der Festnahme und der Vernehmung anwesend war.

Die Bären waren traumatisiert, ihr Gesundheitszustand jedoch in Ordnung angesichts der Tatsache, dass sie jahrelang nur Reis und Milch zu fressen bekommen hatten.

„Man konnte deutlich das typische Verhalten, ihr psychisches Trauma sehen. Sie lutschten an ihren Pfoten, sprangen immer wieder auf Bänke hoch und runter“, sagt Gautam.

Ihre Zähne waren gezogen wurden, was üblich ist bei Tanzbären, ihre Klauen waren jedoch intakt.

Die Bären waren jetzt auf ihre Überstellung in ein Schutzgebiet, wahrscheinlich in Indien. Währenddessen leben sie bei einem Nationalpark in Nepal – von dem zwei der früheren Besitzer angeheuert wurden, um vorübergehend bei ihrer Pflege zu helfen.

Ein Teil der Abschaffung von Tanzbären besteht darin, wirtschaftlich sinnvolle Alternativen für die Menschen zu schaffen, die diese Zirkusse leiten. Aus diesem Grund wurde den beiden Männern die vorübergehende Beschäftigung ermöglicht.

Die ehemaligen Eigentümer „verstehen, dass dieser Berufsstand nicht länger Bestand hat“, behauptet Gautam.

Laut Gautam haben die Männer außerdem rechtlich bindende Dokumente unterzeichnet, dass die Strafe deutlich härter ausfallen wird, sollten noch einmal ein Bär in ihrem Besitz gefunden werden.

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