Sprechen Elefanten unsere Sprache?

Eine Studie in Kenia hat gezeigt, dass Elefanten anhand unserer Stimme unterscheiden können, ob wir eine Gefahr für sie darstellen oder nicht.

Von Virginia Morell
Veröffentlicht am 17. Aug. 2018, 14:46 MESZ
Eine Elefantenkuh im Amboseli-Nationalpark in Kenia. Mit aufgeklappten Ohren und erhobenem Rüssel signalisiert sie Alarmbereitschaft.
Eine Elefantenkuh im Amboseli-Nationalpark in Kenia. Mit aufgeklappten Ohren und erhobenem Rüssel signalisiert sie Alarmbereitschaft.
Foto von Graeme Shannon

Als im Jahr 2007 ein Elefant eine Massaifrau, die in der Nähe des Amboseli-Nationalparks Feuerholz sammelte, tötete, übte eine Gruppe junger Massaimänner Vergeltung und durchbohrte eines der Tiere mit Speeren.

„Es war nicht einmal das Tier, das die Frau getötet hatte“, so Verhaltensökologe Graeme Shannon. „Es war einfach der erste Elefant, den sie kriegen konnten – einen jungen Bullen am Rande eines Sumpfes.“

Nachdem die Massai ihrem Ärger Luft gemacht und ihn mit Speeren durchbohrt hatten, kehrten sie nach Hause zurück. Das Tier starb später an seinen Verletzungen.

Solche Angriffe auf Elefanten ereignen sich nur sporadisch, aber doch oft genug, dass die sanften Riesen gelernt haben, dass die Massai – und vor allem die Massaimänner – gefährlich sind.

Die Elefanten im Amboseli-Gebiet haben das sogar so stark verinnerlicht, dass sie zwischen der Sprache der Massai, Ma, und anderen Sprachen unterscheiden können. Zu diesen Erkenntnissen kam ein Forschungsteam, das die Ergebnisse seiner Studie in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ präsentierte.

Ein Massai-Hirte bringt seine Rinder zum Trinken an den Rand eines Sumpfgebiets im Amboseli-Nationalpark in Kenia.
Foto von Graeme Shannon

DIE FÄHIGKEIT, ZU DIFFERENZIEREN

Joyce Poole, Mitbegründerin von ElephantVoices im Naturschutzgebiet Masai Mara, Kenia, ist der Meinung, dass diese Ergebnisse „unser Wissen darüber, dass Elefanten differenzieren können und darüber, wie sie Entscheidungen treffen und ihre Welt sehen“, ergänzen.

Schon frühere Studien haben gezeigt, dass die Amboseli-Elefanten die viehtreibenden Massai in ihren roten Gewändern von ihren eher landwirtschaftlich veranlagten und unauffälliger gekleideten Nachbarn, dem Volk der Kamba, unterscheiden können, und zwar alleine anhand des Geruchs und der Farbe der Kleidung.

Die Tiere wissen auch, dass es gefährlich ist, am Wochenende durch die Dörfer zu ziehen, oder die Felder bei Vollmond zu plündern.

Auch ihre anderen Jäger, Löwen, kennen sie ganz genau. Anhand ihres Gebrülls wissen sie, wie viele Löwen das Rudel hat, und ob ein Männchen anwesend ist, das ein Elefantenkalb reißen kann und deswegen eine größere Gefahr darstellt.

Wenn sie Löwen in der Nähe brüllen hören, wissen sie genau, was zu tun ist: sie mit einem Angriff verscheuchen.

BELIEBT

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    Eine Herde Elefanten in Abwehrhaltung. Die Leitkuh führt die Gruppe an.
    Foto von Graeme Shannon

    FLUCHT ODER KAMPF

    Wenn die Amboseli-Elefanten ein rotes Tuch sehen, wie es die Massai tragen, reagieren sie mit Aggression. Wenn sie hingen den Geruch eines Massai-Kriegers in die Nase bekommen, ist ihre Taktik eine komplett andere: Sie ergreifen die Flucht. Der Geruch eines Kamba-Mannes bringt sie weitaus weniger aus der Fassung.

    „Sie zeigen auf all diese Situationen ein ganz klares Verhalten“, sagt Karen McComb, Verhaltensökologin an der University of Sussex in Großbritannien. „Darum haben wir uns gefragt, ob sie auch auf unterschiedliche menschliche Stimmen unterschiedlich reagieren.“

    Um das herauszufinden, spielte sie mit ihrem Team Elefantenfamilien Aufzeichnungen von Massai- und Kamba-Männern vor, sowie von Frauen und Jungen der Massai. Sie alle sagten einen Satz: „Schau, dort drüben, da kommt eine Elefantenfamilie.“

    Über 2 Jahre hinweg hat das Team diesen Versuch 142 Mal durchgeführt, mit 47 Elefantenfamilien. Jedes Mal spielten sie eine andere menschliche Stimme ab. Dafür bauten sie in 50 Metern Entfernung von den Tieren, im Dickicht versteckt, einen Lautsprecher auf, und filmten die Reaktion der Elefanten auf die unterschiedlichen menschlichen Stimmen. Unter den Stimmen war auch die eines Massai-Mannes, die am Computer so verändert wurde, dass sie sich wie die einer Frau anhörte.

    Siehe auch: Video: Elefantenmutter scheint sich bei Rettern ihres Kalbs zu bedanken

    Elefantenmutter scheint sich bei Rettern ihres Kalbs zu bedanken
    Dieses Elefantenkalb fiel im indischen Kerala in einen Brunnen. Seine Rufe weckten am frühen Morgen die Dorfbewohner. Ein Rettungsteam war um 7 Uhr morgens vor Ort. Die verzweifelte Mutter und der Rest der Herde standen in der Nähe des Brunnens, als das Team mit der Grabung begann. Mutter und Kind wurden wohlbehalten wiedervereint. Dann gab es noch eine kleine Überraschung. Bevor sie in den Wald zurücklief, drehte sich die Elefantenmutter zu den Menschen und hob ihren Rüssel. Manche glauben, dass dies als dankbare Geste zu verstehen ist.

    Wenn die Elefantenherde die Stimme eines erwachsenen Massai-Mannes hört, zögert die Leitkuh keine Sekunde lang, sagen die Forscher. „Sie zieht sich sofort zurück”, so Shannon. „Aber sie ziehen sich leise zurück. Manchmal brummen sie auch tief, und versuchen, den Feind zu wittern, aber das geschieht schon im Rückzug. Gleichzeitig bilden sie eine Verteidigungsformation. Die Reaktion, wenn sie einen Löwen hören, ist wirklich komplett anders.“

    Die Stimmen von Kamba-Männern dagegen lösten keine so starke Abwehrreaktion aus. Offensichtlich nahmen die Elefanten die Kamba nicht als ernsthafte Bedrohung wahr.

    „Uns mag es leichtfallen, die Sprachen zu unterscheiden. Aber wir sprechen ja auch die Sprache des Menschen“, sagt Richard Byrne, Kognitionsbiologe an der University of St. Andrews, Schottland. „Es ist beeindruckend, dass Elefanten die charakteristischen Unterschiede zwischen den Sprachen ausmachen können.“

    Angst vor Männern, nicht vor Jungen (oder Frauen)

    Die Amboseli-Elefanten kannten die Sprache der Massai sogar so gut, dass sie die Stimmen von Frauen und Jungen von denen der Männer unterscheiden konnten und sich dann nur ganz selten zurückzogen. „Die Frauen und Jungen der Massai töten keine Elefanten“, erklärt Shannon. Auch von der männlichen Massai-Stimme, die zur Frauenstimme gemacht wurde, ließen sich die Elefanten nicht täuschen. Als sie sie hörten, ergriffen sie sofort die Flucht.

    „Elefanten treffen Entscheidungen ganz klar und präzise“, so McComb. „Das zeigt, dass sie sich so gut wie möglich angepasst haben, um mit uns zusammen zu leben. Vor einem menschlichen Raubtier ergreifen sie eher die Flucht, als sich mit ihm anzulegen.“

    Warum, fragt man sich da, ergreifen Elefanten dann nicht die Flucht, wenn Wilderer im Anmarsch sind?

    „Leider wird es immer Dinge geben, an die sie sich nicht anpassen können. Beispielsweise daran, dass Menschen sie mit automatischen Waffen jagen oder sogar vergiften“, erklärt McComb. „Und genau hier müssen wir sie beschützen, damit wir sie am Ende nicht ganz verlieren.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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