Wie die traditionelle chinesische Medizin Tierarten gefährdet

Vermeintliche Heilversprechen haben einige Tierarten an den Rand der Auslöschung getrieben.

Von Jani Actman
Veröffentlicht am 1. März 2019, 17:44 MEZ

Die traditionelle chinesische Medizin, die oft auch einfach als TCM abgekürzt wird, geht bereits auf das dritte Jahrhundert v. Chr. zurück. Sie entstand aus den Schriften alter Heiler, die Aufzeichnungen zu ihren Beobachtungen des menschlichen Körpers, seiner Funktionen und seiner Reaktionen auf diverse Therapien und Behandlungsformen aufzeichneten, darunter pflanzliche Heilmittel, Massagen und Akupunktur. Mehr als 2.000 Jahre lang ergänzten und verfeinerten Heilkundige und Gelehrte diese Wissenssammlung. Das Ergebnis ist ein Literaturkanon, der praktisch jedes denkbare Leiden abdeckt – von einer normalen Erkältung über Krebs bis zu Schwangerschaften und Altersbeschwerden.

Obwohl die wissenschaftsbasierte Medizin in China längst Einzug gehalten hat, ist die TCM im ganzen Land weiterhin verbreitet und wird neben wissenschaftlichen Behandlungsmethoden in Krankenhäusern und Kliniken angeboten. Auch über die Landesgrenzen hinaus ist die TCM beliebt und in weltweit mehr als 180 Ländern anzutreffen. Ihr Branchenwert liegt bei mehr als 60 Milliarden Dollar pro Jahr.

Tierschützer und TCM

Trotz ihrer langen Geschichte und ihrer wachsenden Beliebtheit wird sie von der medizinischen Forschungsgemeinde wegen ihrer oft mangelnden Wirksamkeit und von Tierschützern aufgrund der Nutzung von Tierbestandteilen kritisiert. Die traditionelle chinesische Medizin ist ein bedeutender Grund für die steigende Nachfrage an vom Aussterben bedrohten Tieren.

Des einen Leid ...

Für viele wilde Arten hatte die zunehmende Beliebtheit von TCM-Produkten dramatische Folgen. In manchen Fällen war die Wilderei zur Beschaffung von Körperteilen für TCM-Produkte sogar der Hauptgrund dafür, dass eine Tierart nun vom Aussterben bedroht ist.

Ein solches Beispiel sind Schuppentiere, die zwischen 2000 und 2013 millionenfach gewildert wurden. Die kleinen Säugetiere, die sich von Ameisen ernähren, sind aufgrund ihrer Schuppen begehrt. Diese werden zu Puder gemahlen oder zu einer Paste verarbeitet, die angeblich bei der Milchproduktion, Arthritis und anderen Leiden hilft. Auch Tiger und Nashörner haben große Verluste zu verzeichnen, denn laut der TCM besitzen ihre Knochen und Hörner Heilkräfte. Für die Wirksamkeit solcher Heilmethoden gibt es kaum wissenschaftliche Belege, auch wenn Patienten in manchen Fällen aufgrund des Placebo-Effekts eine Besserung erleben können.

Zugunsten von TCM-Produkten werden manche Tiere außerdem systematisch gequält. Malaienbären und Kragenbären werden entweder in der Wildnis eingefangen oder in Gefangenschaft gezüchtet, um ihnen Gallenflüssigkeit zu entnehmen. Die gelbe Flüssigkeit aus der Gallenblase soll bei Leberproblemen und anderen Beschwerden helfen. Für die Extraktion werden die Bären für gewöhnlich in kleine Käfige gesperrt und bekommen einen permanenten Katheter gelegt, der rosten oder anderweitig erodieren kann.

Gegenmaßnahmen

In Anbetracht der Wildereikrise haben viele Länder das Fangen und Töten zahlreicher Tiere verboten, die in der TCM Anwendung finden. Laut dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen ist der kommerzielle Handel mit einigen dieser Tiere oder ihren Körperteilen außerdem verboten oder nur eingeschränkt erlaubt. Trotz gesetzlicher Regelungen ist Wilderei nach wie vor ein Problem, und der Handel mit Wildtieren – nicht nur, aber auch für die traditionelle chinesische Medizin – spielt sich mittlerweile auf einem gefährlichen, aber blühenden Schwarzmarkt ab, auf dem jedes Jahr Ware im Wert von mehreren Milliarden Dollar gehandelt wird.

BELIEBT

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    Auch innerhalb der TCM-Gemeinschaft gab es viele Versuche, die Verwendung von Heilmitteln auf tierischer Basis abzuschaffen. 1993 wurden Tigerknochen und Nashorn-Horn aus dem Arzneibuch der traditionellen chinesischen Medizin gestrichen. 2010 gab die World Federation of Chinese Medical Societies eine öffentliche Erklärung ab, in der sie Mitglieder dazu aufforderte, keine Tigerknochen oder anderen Körperteile bedrohter Tiere mehr zu verwenden. Viele Heilpraktiker der traditionellen chinesischen Medizin verschreiben mittlerweile Ersatzprodukte für Mittel auf tierischer Basis. Einige Läden und Restaurants vermarkten jedoch nach wie vor Tierprodukte.

    In China und anderen asiatischen Ländern haben Geschäftsleute außerdem von der Regierung genehmigte Bären- und Tigerfarmen gegründet, um Wilderei zu verhindern. Allerdings entpuppte sich die vermeintliche Lösung als problematisch: Viele der Tiere aus diesen angeblichen Zuchtstätten wurden in Wahrheit in der Wildnis eingefangen und werden gequält oder getötet, um ihre Körperteile auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

     

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