Dem Meer gehen die Fische aus

Noch bis Ende des Jahres haben die Regierungen Zeit für einen Kompromiss, der den schädlichen Subventionen der Fischereiindustrie ein Ende setzt.

Von Todd Woody
Veröffentlicht am 11. Okt. 2019, 11:51 MESZ
chinesisches Frachtschiff
Mit einem großen Holzhammer löst ein Arbeiter gefrorene Thunfische aus dem Laderaum eines chinesischen Frachtschiffes, das im Hafen von General Santos auf den Philippinen ankert.
Foto von Adam Dean, Nat Geo Image Collection

Die weltweiten Fischbestände, die hunderte Millionen von Menschen ernähren, schrumpfen. Zahlreiche Länder kämpfen daher darum, bis zum Ende des Jahres eine internationale Vereinbarung auszuhandeln, die Subventionen verbietet, welche eine Überfischung begünstigen.

In dieser Woche gehen die Verhandlungen am Sitz der Welthandelsorganisation (WTO) in der Schweiz weiter. Gleichzeitig zeigen neue Forschungen, dass die Regierungen ihre finanzielle Unterstützung für nicht nachhaltige Fischereipraktiken sogar verstärkt haben – und das trotz öffentlicher Bekundungen, solchen Praktiken Einhalt zu gebieten.

Im Rahmen eines umfassenden Gutachtens zu 152 Ländern fanden Forscher der University of British Columbia heraus, dass Fischereinationen allein 2018 22 Milliarden Dollar an schädlichen Subventionen in diesem Bereich investiert haben. Das sind 63 Prozent des monetären Gesamtwertes, mit dem die weltweite Fischereiindustrie unterstützt wird.

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Solche Subventionen sind seit 2009 um 6 Prozent gestiegen. Als schädliche Subventionen werden dabei finanzielle Fördermittel bezeichnet, die zur Überfischung und der illegalen Fischerei beitragen, die ohne eine solche Unterstützung gar nicht profitabel wären. Dazu gehören beispielsweise Subventionen für den Treibstoff, mit dem industrielle Fangschiffe bis in die entlegensten Bereiche des Ozeans vordringen können. Im letzten Jahr entfielen 22 Prozent aller Fördermittel für die Fischerei auf solche Treibstoffsubventionen.

China, welches die weltweit größte Übersee-Fangflotte unterhält, erhöhte seine schädlichen Subventionen im Laufe des letzten Jahrzehnts um 105 Prozent, wie es in einer Studie heißt, die in „Marine Policy“ veröffentlicht wurde.

„Es ist schwer, überhaupt etwas Positives aus dieser Studie zu ziehen. Aber sie könnte als Schlachtruf für die Regierungen dienen, da sich die WTO in der Lage befindet, solchen schädlichen Subventionen ein Ende zu bereiten und damit wirklich etwas für die Meere zu bewirken“, sagt Isabel Jarrett, die Managerin für das Fischerei-Subventionsprogramm des Pew Charitable Trust. Pew half dabei, die aktuelle Forschung zu finanzieren.

Die Uhr tickt

Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen, was bei den Verhandlungen in Genf alles auf dem Spiel steht. Es bleiben nur knapp drei Monate bis zur Deadline, um eine Vereinbarung zu den Fischereisubventionen auszuhandeln.

Mehrere Wissenschaftler und Sachverständige halten ein rechtsverbindliches Abkommen zum Verbot schädlicher Fischereisubventionen für unerlässlich, da der Klimawandel die Meeresökosysteme schon jetzt belastet. Ein Bericht der Vereinten Nationen vom September prognostizierte, dass der maximale Ertrag aus dem Fischfang bis zum Ende des Jahrhunderts um bis zu 24,1 Prozent zurückgehen könnte, wenn die derzeitige Menge an Treibhausgasen nicht reduziert wird.

„Nach 20 Jahren des Diskutierens über Fischereisubventionen innerhalb der WTO haben sich die Diskussionen über die technischen Aspekte erschöpft“, sagt Rémi Parmentier. Er ist der Direktor des Beratungsunternehmens Varda Group mit Sitz in Madrid, der diese Verhandlungen seit Langem beobachtet. „Was jetzt noch fehlt, ist der politische Wille, die Verhandlungen erfolgreich zu beenden.“

Die Abgeordneten der WTO werden sich noch in dieser Woche selbst von den Ergebnissen der Studie überzeugen können, wenn deren Hauptautor Rashid Sumaila eine entsprechende Präsentation in Genf gibt.

„Der Hauptgrund für den Zuwachs der Subventionen ist die Politik: Sobald man den Leuten erst mal so etwas wie Treibstoffsubventionen gibt, ist es sehr schwierig, sie ihnen wieder wegzunehmen“, sagt Sumaila, ein prominenter Experte für Fischereisubventionen, der an der University of British Columbia lehrt. „Das ist sehr schwierige Politik, aber trotzdem ist es wichtig, dass die Wissenschaftler weiterhin verdeutlichen, dass das für die Gesellschaft so nicht funktioniert.“

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Das Pressebüro der WTO konnte sich zur Studie oder dem Status der Verhandlungen nicht äußern, veröffentlichte aber ein Statement des WTO-Generaldirektors Roberto Azevêdo.

„Es steht außer Frage, dass viele Fischbestände schwinden und dass uneingeschränkte staatliche Fördermittel für die Fischerei unseren Meeren schaden können“, sagte Azevêdo in seinem Statement. „Die Deadline Ende 2019 rückt unaufhaltsam näher und die Verhandlungen spitzen sich zu. Die Mitglieder der WTO werden ihre Differenzen überwinden und einen Kompromiss finden müssen, wenn sie eine Vereinbarung erreichen wollen. Die Zeit zum Handeln ist jetzt.“

Die Fischbestände schrumpfen

Ein Drittel der kommerziellen Fischbestände wird mit einer Geschwindigkeit dezimiert, die biologisch nicht nachhaltig ist. 90 Prozent werden bereits voll ausgeschöpft, wie die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FOA) berichtet. Der historische Bestand des Nordpazifischen Blauflossen-Thunfischs ist beispielsweise um 97 Prozent geschrumpft. Das ist das traurige Resultat der ungezügelten Überfischung von einem der ökologisch und ökonomisch wertvollsten Raubfische der Meere.

In den letzten Jahrzehnten haben Länder, deren eigene Fischbestände erschöpft sind, industrielle Fangschiffe in Hochseebereiche und in die Hoheitsgewässer anderer Länder entsandt.

Chinas Übersee-Fangflotte aus etwa 3.000 Schiffen durchstreift die Meere von der Küste Afrikas bis zur Antarktis und den Tiefen des Pazifiks. Eine Studie aus dem Vorjahr zeigte, dass fast die Hälfte aller Fische, die 2014 auf hoher See gefangen wurden, in den Frachträumen chinesischer und taiwanesischen Schiffe landeten.

Die Forscher der University of British Columbia berichten, dass China mit Abstand die meisten Subventionen in den Fischfang steckt: 2018 waren es etwa 7,2 Milliarden Dollar, was 21 Prozent der globalen Fördermittel in diesem Bereich ausmacht. Einige Subventionen gelten als nutzbringend, beispielsweise jene, die nachhaltige Fischereipraktiken unterstützen. Im Laufe des letzten Jahrzehnts sank der Betrag, den China in nutzbringende Subventionen investierte, allerdings um 73 Prozent. Im Gegensatz hat die Regierung die schädlichen Subventionen mehr als verdoppelt.

Ende letzten Jahres versprach China, die Zahl der Schiffe in seiner Überseeflotte bis 2020 auf 3.000 zu begrenzen und die Treibstoffsubventionen zu reduzieren. „Das traditionelle Entwicklungsmodell für die Hochseefischerei muss sich ändern“, erklärte das Landwirtschaftsministerium des Landes im August 2017.

Die Studie deutet darauf hin, dass die Zunahme der Subventionen langsam nachlässt. Allerdings setzte die Europäische Union im Juni 2019 Subventionszahlungen zur Vergrößerung ihrer Fangflotte wieder ein. Allein die Zahlungen der EU machen bereits 11 Prozent der globalen Subventionen aus. Laut den Forschern finanzierte sie 2018 schädliche Praktiken mit 2 Milliarden Dollar.

„Was mich wirklich stört, ist das schlechte Beispiel, das die EU damit für andere Länder abgibt“, so Sumaila.

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Der Umstand, dass 70 Länder der WTO keinerlei Daten zu ihren Subventionen zur Verfügung stellten, zeigt, wie schwierig es ist, den tatsächlichen Umfang der Fördermittel festzustellen.

„Das ist wie Detektivarbeit“, sagt Sumaila. Sein Team sammelte sich die nötigen Daten aus zahlreichen Quellen zusammen, um das Ausmaß der finanziellen Unterstützung für die Fischereiindustrie überhaupt abschätzen zu können.

Jarrett verweist darauf, dass die Hälfte der globalen Fördermittel auf die fünf Länder mit den meisten Subventionen entfallen.

„Wenn sich diese Länder zu großen Zusprüchen bereiterklären würden, dann könnten wir wirklich eine große Veränderung sehen, die von den schädlichen Subventionen wegführt. Und hoffentlich würde das auch bedeuten, dass sich die Fischbestände wieder erholen und unseren Meeren eine gesündere Zukunft bevorsteht“, sagt sie.

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

 

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