Vom Mistkäfer bis zum Seehund: Diese Tiere navigieren mithilfe der Sterne

Eine kleine, aber äußerst vielfältige Gruppe von Tierarten verlässt sich bei ihrer Suche nach Futter und Fortpflanzungspartnern auf die Sterne am Nachthimmel.

Von Fiona McMillan
Veröffentlicht am 6. Nov. 2019, 13:18 MEZ
Diese beiden neugierigen Seehunde wurden am South Sawyer-Gletscher in Alaska aufgenommen. Seehunde sind die ersten Meeressäuger, ...
Diese beiden neugierigen Seehunde wurden am South Sawyer-Gletscher in Alaska aufgenommen. Seehunde sind die ersten Meeressäuger, deren Orientierung an den Sternen inzwischen nachgewiesen wurde.
Foto von Michael Melford, Nat Geo Image Collection

Menschen navigieren schon seit grauer Vorzeit nach den Sternen, doch auch eine kleine, aber äußerst vielfältige Gruppe von Tieren nutzt den Nachthimmel, um sich ihren Weg zu suchen. Einige erkennen die Bewegungen der Sternbilder, während andere sich mithilfe einzelner, heller Sterne orientieren. Einige planen ihren Kurs sogar anhand der Milchstraße voraus.

Egal ob Mistkäfer oder Seehund – die Navigation nach Sternen ist eine wichtige Fähigkeit, die bei Wanderungen und der Suche nach Nahrung und Fortpflanzungspartnern hilft. Selbst ein so kleines Geschöpf wie der Mistkäfer, dessen Gehirn nur so große wie ein Reiskorn ist, kann zum Nachthimmel aufsehen und damit seinen Weg bestimmen.

3D-Ausflug ins Fliegenhirn
Erstmals haben Forscher das gesamte Gehirn einer ausgewachsenen Fliege abgebildet.

„Ich finde das extrem faszinierend“, sagt Marie Dacke, eine Expertin für tierische Navigation an der Lund University in Schweden. „Jedes Mal, wenn ich Mistkäfer anschaue, beeindruckt es mich, wozu sie in der Lage sind.“

Ein Sternenkompass ist oft einer von vielen Möglichkeiten zur Orientierung, zu denen auch Landmarken, die Position des Monds, die Windrichtung und sogar das Magnetfeld der Erde zählen.

Nun erhoffen sich die Wissenschaftler, mehr darüber herauszufinden, wie die Augen und die Gehirne dieser Sterngucker sich im Verlauf der Evolution entwickelte, um die visuellen Hinweise aus Entfernungen weit jenseits unseres eigenen Sonnensystems zu verarbeiten. Diese Forschung könnte neue Einblicke in die Auswirkungen von Lichtverschmutzung auf Wildtiere liefern und vielleicht sogar die Entwicklung von Robotern unterstützen, die sich in ihrer Umgebung zurechtfinden sollen.

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    Indigofink

    Wie viele andere Zugvögel fliegen auch die Indigofinken von Nordamerika im Winter gen Süden – und das am Liebsten in der Nacht.

    Im Jahr 1967 fingen Wissenschaftler in Michigan vorrübergehen einige Indigofinken während ihrer Herbstwanderung ein. Sie brachten die Vögel ins Robert T. Longway-Planetarium in Flint, Michigan, und setzten sie in spezielle Käfige, die ihnen einen Ausblick durch die Kuppel auf die Sterne ermöglichten.

    Um ihre Richtung zu ermitteln, beobachten die Indigofinken die Rotation naher Sternbilder um einen Zentralpunkt wie den Nordstern.
    Foto von George Grall, Nat Geo Image Collection

    Während der Zugsaison orientieren sich die Singvögel, bevor sie starten, indem sie in die Richtung hüpfen, in die sie losfliegen wollen. Während der Himmel im Planetarium um den Nordstern rotierte und so die Bewegungen am natürlichen Nachthimmel abbildete, versuchten die Vögel wie erwartet, nach Süden zu hüpfen.

    Als die Forscher die Konstellationen jedoch um 35 Grad vom Nordstern verschoben, passierte etwas interessantes: Die Vögel konnten sich nicht mehr orientieren.

    Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass einzelne Sterne eine untergeordnete Rolle im Vergleich zum Gesamtbild der Rotation erdnaher Sternkonstellationen um einen Zentralpunkt spielen. In der Wildnis können sie dadurch ermitteln, wo Norden ist und diese Information dann nutzen, um nach Süden zu fliegen.

    Seehunde

    Polynesische Seefahrer haben sich schon vor Tausenden von Jahren auf sogenannte Leitsterne verlassen, um ihren Weg übers Meer zu finden. Seehunde haben diese jedoch vielleicht schon vor ihnen genutzt.

    Die Meeressäuger, die im Atlantik und Pazifik an den Küsten der Nördlichen Hemisphäre leben, verbringen den Großteil ihrer Nächte damit, im Meer nach Futter zu jagen. Dabei fehlen ihnen Landmarken zur Orientierung.

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    Um ihr Potenzial zur Navigation mithilfe von Sternen zu testen, brachten deutsche und dänische Wissenschaftler im Jahr 2006 zwei in Gefangenschaft lebende Seehunde aus dem Marine Science Center in Rostock in ein speziell dafür konstruiertes, schwimmendes Planetarium.

    Das Team trainiert die beiden Robben namens Nick und Malte darauf, in Richtung bestimmter Leitsterne zu schwimmen. Danach stellten sie laut einer Studie von 2008 fest, dass die Tiere einen einzelnen Stern in einer realistischen Projektion des Nachthimmels der Nördlichen Hemisphäre identifizieren konnten.

    Das deutet darauf hin, dass die Seehunde eventuell bestimmte Leitsterne zur Navigation nutzen, wenn sie sich weit von der Küste entfernen. Dies stellt den ersten wissenschaftlichen Beweis dar, dass diese Meeressäuger sich an Sternen orientieren.

    Mistkäfer

    Seehunde können einzelne Sterne sehen, weil ihr Auge – wie die von allen Wirbeltieren – „ähnlich wie eine Kamera funktioniert: Es hat eine Linse und eine Öffnung, durch die Licht auf die Retina fällt, die als Film fungiert“, meint Dacke. Dieser anatomische Aufbau lässt viel Licht durch, was die Identifizierung von kleinen, relativ schwach leuchtenden Objekten wie Sternen möglich macht.

    Insekten dagegen können keine einzelnen Sterne erkennen: Ihre Facettenaugen nehmen winzige Details wie einzelne Lichtpunkte nicht wahr. Eine Ansammlung von Sternen, die so groß und dicht wie die Milchstraße ist, würde auf sie jedoch wie ein einziger, heller Lichtstreifen wirken. Für den nachtaktiven, afrikanischen Mistkäfer Scarabaeus satyrus stellt die Milchstraße daher einen nützliche Referenzpunkt dar.

    Sobald sie auch nur einen Hauch von frischen Exkrementen wahrnehmen, sind diese Käfer zur Stelle. Aber die Konkurrenz ist groß, also formen einige von ihnen Kot zu einem kleinen Ball und rollen ihn so weit weg wie möglich. „Es ist ein bisschen wie Essen zum Mitnehmen in einem Restaurant“, meint Dacke.

    Dieser Heilige Pillendreher, ein Mistkäfer der Art S. sacer, rollt in Uganda einen Kotball vor sich her. Mehrere Mistkäferarten nutzen erwiesenermaßen Himmelskörper zur Navigation.
    Foto von Ronan Donovan, Nat Geo Image Collection

    Auch hier ist Effizienz der Schlüssel: Käfer, die sich in einer geraden Linie fortbewegen, können die längste Distanz in der kürzesten Zeit überwinden.

    Dafür nutzt S.satyrus für gewöhnlich das polarisierte Licht des Mondes. Aber in mondlosen Nächten ist die Milchstraße Dackes Forschung zufolge ihre Rückversicherung. Dieser Käfer ist bislang das einzige Tier, das nachweislich die Milchstraße zur Navigation nutzt, sagt Dacke.

    „Solange sie dafür sorgen, dass sich die Milchstraße immer im gleichen Winkel zu ihrer ursprünglichen Position befindet, laufen sie geradeaus“, berichtet sie.

    Wahrscheinlich gibt es noch viele weitere Tierarten, die sich an den Sternen orientieren, führt Dacke noch an. So gibt es Hinweise darauf, dass Rotkehlchen, die Falterart Hausmutter und vielleicht sogar Frösche der Art Acris crepitans dies beherrschen.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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