Warum lassen sich Schleiereulen scheiden?

Wenn sich monogame Schleiereulen trennen, opfern sie mitunter Qualität für Quantität – trotzdem können beide Geschlechter davon profitieren.

Von Jennifer S. Holland
Veröffentlicht am 27. Jan. 2021, 15:43 MEZ
Eine Schleiereule fliegt über eine Wiese in Norfolk, England.

Eine Schleiereule fliegt über eine Wiese in Norfolk, England.

Foto von Sarah Darnell, Science Faction, Corbis

Die Liebe kommt und geht – sogar bei Schleiereulen. Diese normalerweise monogamen Vögel lassen sich manchmal „scheiden“ und suchen sich neue Partner. Bei fast 25 Prozent aller Partnerschaften ist das der Fall, heißt es in einer Studie, die im „Journal of Evolutionary Biology“ veröffentlicht wurde. Zum Vergleich: In Deutschland lag die menschliche Scheidungsrate 2019 bei knapp 36 Prozent.

Obwohl diese „Scheidungen“ für die Eulen bedeuten können, dass Qualität zugunsten von Quantität geopfert wird, können beide Geschlechter von der Trennung profitieren.

Schleiereulen neigen dazu, sich nur dann zu trennen, wenn das Brüten nicht gut läuft – wenn beispielsweise nur wenige Eier gelegt werden oder nicht viele Küken überleben. Produziert ein Paar hingegen reichlich Nachwuchs, bleiben die Vögel einander ziemlich treu. Diese Beziehung zum Wohler möglichst großer Gelege wird mit der Zeit sogar noch besser, weil sich die beiden öfter paaren und so die Größe der Familie langfristig maximieren können.

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Amélie N. Dreiss und Alexandre Roulin von der Universität Lausanne in der Schweiz untersuchten 24 Jahre lang eine Population freilebender Schleiereulen im Westen der Schweiz. Sie beobachteten, wie sich die Paare zusammenschlossen und wie viele Küken sie bekamen.

Schleiereulen sind produktive Eltern und pflegen oft zwei Gelege pro Jahr mit bis zu 11 (im Durchschnitt 6) Eiern pro Brut.

Aber wenn es mal ein Jahr gibt, in dem sie nicht viele Küken bekommen, kann es passieren, dass sich ein oder beide Partner einen neuen Gefährten suchen.

Von den 634 untersuchten Eulenpaaren trennten sich 23,5 Prozent: 166 Paare blieben zusammen und 51 trennten sich, wobei die Männchen meist „das Haus bekamen“. Sie blieben also am ursprünglichen Brutplatz.

Die meisten Tiere in der Scheidungsgruppe hatten der Beziehung nur ein Jahr gegeben, bevor sie sich trennten. Nur ein kleiner Prozentsatz blieb sich mehrere Jahre lang treu – ein Paar gab sich wirklich Mühe und blieb sechs Jahre lang zusammen, bevor es aufgab.

Trennungsgründe und Partnerwahl

Bei Schleiereulen sind nur sehr wenige Tiere „Fremdgeher“.  Eine Scheidung ist also die einzige Möglichkeit, den Partner zu wechseln.

Da die Vögel nachtaktiv sind und sich ihr Leben größtenteils nach Einbruch der Dunkelheit abspielt, lässt sich nur schwer mit Sicherheit zu sagen, welches Geschlecht häufiger die Trennung einleitet, sagen die Wissenschaftler. Die Weibchen neigen dazu, das Nest nach der Scheidung zu verlassen – obwohl einige vielleicht eher hinausgedrängt werden als freiwillig zu gehen. Bekannt ist jedenfalls, dass sich jüngere Männchen eher von ihren Partnerinnen trennen als ältere.

Roulin zufolge liegt das aber nicht daran, dass junge Männchen nicht bereit für eine dauerhafte Bindung sind. „Es braucht einfach Zeit, um den besten Partner zu finden.“

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    „Ein Männchen hat vielleicht keine andere Wahl, als sich in jungen Jahren zu trennen“, um sich den passendsten Sexualpartner zu sichern.

    Was die Partnerwahl betrifft, so bevorzugen männliche Schleiereulen Weibchen mit mehr und größeren schwarzen Flecken auf den Federspitzen. Warum genau das als besser angesehen wird, ist nicht bekannt.

    „Die Kosten einer Trennung liegen für das Männchen dann darin, sich mit einem weniger attraktiven Weibchen zu paaren“, so Roulin.

    Bei dieser Spezies zählt also die Kompatibilität mehr als das gute Aussehen. Die Männchen passten für gewöhnlich besser zu der neuen Partnerin, sodass die Paarung mehr Küken hervorbrachte. Das Gleiche galt für die Weibchen (die im Gegensatz zu den Männchen ihre Ansprüche bei der Suche nach einem zweiten Partner nicht herunterschraubten): Mit einem neuen Partner wurden in der Regel mehr Küken flügge als mit dem alten Partner.

    Obwohl Scheidungen bei Schleiereulen anscheinend gute Gründe haben, stellen die Studienautoren fest, dass die Überlebensrate der Küken in jenen Familien am höchsten war, in denen die Eltern langfristige, feste Partner waren.

    Auch wenn also ein paar Versuche und ein paar gebrochene Eulenherzen nötig sind: Das Ziel ist es, einen kompatiblen Partner zu finden und dann erfolgreich Nachwuchs zu produzieren und aufzuziehen, indem man der Beziehung treu bleibt.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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