Das Supertalent: Hochbegabung unter Hunden

Manche Hunde sind Genies. Wissenschaftler erforschten im Rahmen einer neuen Studie, wie oft eine solche Hochbegabung unter den Tieren vorkommt

Von Virginia Morell
Veröffentlicht am 16. Juli 2021, 13:33 MESZ
Border Collies (im Bild ein Hütehund in Arizona) gelten als besonders kluge Hunde.

Border Collies (im Bild ein Hütehund in Arizona) gelten als außergewöhnlich kluge Hunde. Der mögliche Grund: Als Hütehunde wurden sie so gezüchtet, dass sie den verbalen Befehlen der Hirten besonders aufmerksam folgen.

Foto von Adam Ferguson

Hunde sind schlau. Viele Menschen sind allein schon deswegen dieser Überzeugung, weil ihr Liebling in der Lage dazu ist, menschliche Gesichtsausdrücke zu lesen, Kommandos und Worte zu verstehen - und darauf zu reagieren.

Es gibt aber auch Exemplare, deren Talente weit darüber hinaus gehen. Etwa Chaser, ein Border Collie aus den USA, dem der Titel „Schlauster Hund der Welt“ verliehen wurde. Der Grund dafür: Er verfügt über einen Wortschatz von 1.022 Begriffen, die er seinen Spielsachen sicher zuordnen kann. 

In Deutschland lebt Rico, ein anderer Border Collie, der Fast Mapping beherrscht. Dieser Begriff beschreibt einen Prozess zum Erlernen von Sprache, der eigentlich nur bei Kindern im Alter von etwa drei Jahren beobachtet wird. Dabei werden neue Worte erlernt, in dem ein neuer Begriff für einen Gegenstand in Zusammenhang mit einem bereits bekannten genannt wird. Im nächsten Schritt werden beide Gegenstände, bekannt und neu, präsentiert, und die neue Bezeichnung wird von dem Kind – oder hochbegabten Hund – dem entsprechenden Gegenstand zugeordnet. Neben Rico gibt es wenige andere Hunde, die eine vergleichbare Begabung an den Tag legen: eine Handvoll anderer Border Collies und zwei Yorkshire Terrier – Vicky Nina in Brasilien und Bailey in den USA.

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Genau wie menschliche Babys nutzen auch Hunde nonverbale Kommunikation, um zu bekommen, was sie wollen.

Claudia Fugazza, Verhaltensforscherin an der Evotos Lorand-Universität in Budapest, untersucht die Kognition von Hunden und störte sich daran, dass das, was bisher über die Hochbegabung der Tiere bekannt war, immer nur auf Einzelfällen beruhte. „Es fehlte eine Studie mit einer angemessen großen Versuchsgruppe“, sagt sie.

Um das zu ändern, starteten sie und ihre Kollegen das „Family Dog Project“. In dessen Rahmen arbeiteten sie mit den Besitzern von 34 Hunden unterschiedlicher Rassen und jeden Alters zusammen. Die Aufgabe war simpel: Den Tieren sollten die Bezeichnungen für Spielzeuge beigebracht werden.

Klassenbester: der Border Collie

Die Wissenschaftler rekrutierten die Hundebesitzer weltweit über soziale Medien und baten sie, täglich mit ihren Hunden Apportieren zu üben. Dabei sollten sie zunächst zwei neue Wörter lernen. Der Versuch lief über drei Monate.

Einmal im Monat wurde der Fortschritt der Hunde in Anwesenheit eines Wissenschaftlers überprüft, indem der Besitzer den Hund aufforderte, eines von zwei Spielzeugen zu holen. Verlief der Test erfolgreich, erhielt der Hund ein neues Spielzeug und damit einen neuen Namen, den er lernen sollte.

Nur einer der 34 Hunde in der Studie bestand den Test: ein Border Collie namens Olivia.

Obwohl alle Hunde demselben intensiven Training unterzogen wurden, war nur Olivia dazu in der Lage, den genannten Begriffen das richtige Spielzeug zuzuordnen. Ihr Fortschritt war beeindruckend: Innerhalb von zwei Monaten lernte sie 21 neue Wörter. Leider litt sie bereits seit dem Welpenalter unter gesundheitlichen Problemen und verstarb, bevor die Studie abgeschlossen war.

„Keiner der anderen teilnehmenden Hunde hatte die Fähigkeit, Begriffe zu erlernen. Das war eine große Überraschung“, sagt Claudia Fugazza, die leitende Autorin der Studie, die in „Scientific Report“ veröffentlicht wurde. „Die Ergebnisse zeigen, dass dieses Talent etwas Besonderes ist.“

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BELIEBT

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    Als Beleg für die Funktionalität des Forschungsdesigns, führten die Wissenschaftler denselben Test mit sechs weiteren Border Collies durch, von denen bekannt war, dass sie zum Lernen von Begriffen in der Lage waren. Wie zu erwarten, erweiterten sie ihren Wortschatz.

    Interessanterweise, so Fugazza, waren 18 der 33 Hunde, die den ursprünglichen Test nicht bestanden, ebenfalls Border Collies. Dies zeige, dass die Rasse nicht prinzipiell besonders klug sei.

    Natürlich stellt sich nun die Frage, wieso manche Hunde begabter sind als andere. „Ist es eine Frage der Gene, des Umfelds oder der Erziehung?“, so Claudia Fugazza.

    Auf ihrer Suche nach Antworten planen die Wissenschaftler, als nächstes die Genetik und Geschichte verschiedener Hunderassen zu untersuchen, um die Faktoren zu identifizieren, die besonders kluge Exemplare hervorbringen.

    Viele Forscher gehen davon aus, dass sich Border Collies beim Erlernen von Begriffen deswegen besonders hervortun, weil sie als Hütehunde gezüchtet werden. Um eine Schafherde korrekt zu leiten, müssen Hunde in dieser Funktion besonders aufmerksam auf die Pfiffe und verbalen Befehle des Hirten achten. Eine gute Voraussetzung, um verschiedene Worte voneinander zu unterscheiden.

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    Es gibt aber auch Wissenschaftler, die einwenden, man müsse bei der Definition von Hochbegabung Vorsicht walten lassen.

    „Der eine Hund mag ein Talent dafür haben, Begriffe zu lernen, der andere ist dafür besonders gut darin, in Mülleimern nach Futter zu suchen“, sagt Monique Udell, Hundekognitionsforscherin an der Oregon State University in Corvallis, die nicht an der Studie mitgearbeitet hat. „Unsere Vorurteile bringen uns dazu, nur den ersten Hund als hochbegabt wahrzunehmen.“

    „Doch es ist eine Tatsache, dass manche Individuen schneller, besser oder anders Dinge lernen als andere“, fügt sie hinzu. „Ich halte es für eine gute Idee, das weiter zu erforschen.“

    Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

     

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