Rätsel der Malvinen: Wie kam der Falklandfuchs auf die Inseln?

Als die Europäer auf den Falklandinseln ankamen, hielten sie sie für unbewohnt. Archäologische Funde von Holzkohle, Knochen und Werkzeug deuten jedoch darauf hin, dass hier schon vor ihnen Menschen siedelten – gemeinsam mit ihren Hunden.

Von Rebecca Dzombak
Veröffentlicht am 11. Nov. 2021, 11:37 MEZ
Eine Zeichnung des ausgestorbenen Falklandfuchses, die George Waterhouse im Jahr 1839 im Anschluss an Charles Darwins ...

Eine Zeichnung des ausgestorbenen Falklandfuchses, die George Waterhouse im Jahr 1839 im Anschluss an Charles Darwins berühmte Forschungsreise mit der HMS Beagle erstellte.

Foto von Nature Picture Library

Als Charles Darwin im Jahr 1833 die Falklandinseln besuchte, war das einzige Säugetier, das er bei einer Wanderung entlang der trostlosen Küste erblickte, eine seltsame, fuchsähnliche Kreatur.

Die Falklandinseln – oder auch Malvinen – liegen mehrere Hundert Kilometer vor dem argentinischen Festland im Südatlantik. Als die ersten Europäer hier an Land gingen, fanden sie auf den Inseln weder andere Menschen noch menschliche Siedlungen vor. Es gab also niemanden, der den geheimnisvollen Falklandfuchs auf diesen kalten, zerklüfteten Archipel gebracht haben könnte.

Das bot Grund zu der Annahme, dass das Tier auf eigene Faust über das Meer auf die Inseln gekommen war. Wissenschaftler stellten die Theorie auf, dass ihm dies mithilfe von Treibgut gelang oder dass es während der letzten Eiszeit über die Eisschollen hüpfte, die auf dem Ozean schwammen.

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Eine neue Studie, die im Oktober 2021 in der Zeitschrift Science Advances erschien, stellt jedoch die These auf, dass es möglicherweise doch Menschen waren, die den Falklandfuchs als Haustier mit auf die Inseln brachten. Die der Studie zugrunde liegenden Erkenntnisse lassen darauf schließen, dass der Archipel schon lange Zeit vor der Ankunft der ersten Europäer bewohnt war. Dies würde die bisher gültige Geschichte der Falklandinseln neu schreiben und dabei helfen, das Geheimnis um dieses rätselhafte Mitglied der Familie der Hunde zu lüften.

Spuren menschlicher Aktivität

Der seit dem Jahr 1876 als ausgestorben geltende Falklandfuchs ist der erste Hund in der neueren Geschichte, der durch übermäßige Bejagung ausgerottet wurde. Laut Graham Slater, Evolutionsbiologe an der University of Chicago in Illinois, ist das einzige, das heute von ihm übrig ist, etwa ein Dutzend Exponate in Museen und Sammlungen. Slater erforscht den Falklandfuchs, war an der Studie aber nicht beteiligt.

Die Spezies, bei der es sich weder um einen Wolf noch um einen Fuchs gehandelt hat, ähnelte ihm zufolge am ehesten einem Kojoten oder Schakal. Über seinen Charakter weiß man, dass er freundlich, aber scheu war.

Genetische Informationen, die Wissenschaftler aus uralten Mitochondrien ziehen konnten, deuten darauf hin, dass der Falklandfuchs vor etwa 16.000 Jahren von seinem nächsten Verwandten isoliert wurde – möglicherweise nachdem er auf der Insel angekommen war.

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BELIEBT

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    Doch die Theorie, dass der Falklandfuchs ohne menschliche Hilfe auf die Malvinen gelangt sein soll, hat mehrere Haken. Zum einen gibt es keinerlei geologische Belege dafür, dass zwischen Falklandinseln und Festland irgendwann eine Landbrücke existiert hat. Außerdem herrscht auf den Falklandinseln ein auffälliger Mangel an anderen Säugetieren. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass es nur dem Falklandfuchs gelungen ist, den Archipel zu erreichen.

    Eine Reihe neuer Hinweise, die die Wissenschaftler an Stränden und Sümpfen auf den Falklandinseln entdeckt haben, geben Anlass zu der Annahme, dass es möglicherweise frühe Seenomaden waren, die den Falklandfuchs an diesen Ort mitgebracht haben. Kit Hamley, leitende Autorin der Studie und Paläoökologin und Archäologin an der University of Maine in Orono, untersuchte gemeinsam mit ihren Kollegen den Torf der Falkland-Sümpfe. Dabei stellten sie fest, dass es im Laufe der Zeit mehrmals zu einem Anstieg des Holzkohleanteils gekommen war: erstmals um 1800 v. Chr., gefolgt von einem extremen Anstieg um etwa 550 v. Chr.

    „Hinweise auf häufigere und stärkere Feuer sind deutliche Anzeichen dafür, dass Menschen in das Ökosystem einer Insel eingedrungen sind“, erklärt Kit Hamley. „Als ich diese Spitzen in den Holzkohleaufzeichnungen sah, hat das meinen Puls definitiv in die Höhe schnellen lassen.“

    Zusätzlich zu den Ergebnissen der Torfuntersuchungen stießen die Forschenden an verschiedenen Stellen der Inseln auf Ansammlungen von Knochen, die Seehunden und Pinguinen zugeordnet werden konnten. Dass die Überreste von Jäger- und Beutespezies auf einem Haufen gefunden wurden, ist für Kit Hamley ein Hinweis darauf, dass die Tiere von Menschen gegessen wurden, die vor den Europäern die Inseln besucht haben. Es fanden sich auch Knochen an der Stelle, an der Wissenschaftler im Jahr 1979 eine Pfeilspitze entdeckten, die vor langer Zeit aus dem auf den Inseln vorkommenden Gestein Quarzit hergestellt wurde.  

    Laut Graham Slater liefert die Studie neue Ansätze in Hinblick auf die Wanderbewegungen indigener Völker.

    War der Falklandfuchs ein indigenes Haustier?

    Die Wissenschaftler vermuten, dass die Pfeilspitze den Yagan zugeordnet werden kann, einer Gruppe von Seenomaden, die in der zu Argentinien und Chile gehörenden Feuerlandregion beheimatet sind. Felsenpinguine und Mähnenrobben, deren Knochen auf den Falklandinseln gefunden wurden, sind fester Bestandteil ihrer Ernährung.

    Die enge Verbindung zwischen Menschen und Wildhunden auf Feuerland ist archäologisch belegt. „In Begräbnisstätten in Argentinien wurden Spuren der Festlandverwandten des Falklandfuchs entdeckt, die über 2.000 Jahre alt sind. Sie zeigen, dass die Wildhunde in die menschliche Gemeinschaft integriert waren“, sagt Kit Hamley.

    Anhand von Isotopenuntersuchungen, die im Rahmen der Studie durchgeführt wurden, konnte nachgewiesen werden, dass der Falklandfuchs sich vorwiegend von großen Meeressäugetieren ernährt hat. Das Studienteam hält es für unwahrscheinlich, dass diese seine natürlich bevorzugte Beute waren. Sie gehen stattdessen davon aus, dass er von den Yagan mit dem Fleisch gefüttert wurde.

    Laut Kit Hamley war die Besiedelung der Falklandinseln den neuen Erkenntnissen nach eher temporär als permanent. Das würde zu dem passen, was über die Yagan bekannt ist. Sie leben von dem, was sie im Meer jagen und sind sehr versiert im Bau von Kanus. Über einen Zeitraum von über 8.000 Jahren bewohnten sie als Nomaden die Feuerlandregion. Die wenigen Angehörigen der Volksgruppe, die heute noch leben, sind hier weiterhin heimisch.

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    Auf der Suche nach Beweisen für die Anwesenheit von Menschen auf den Malvinen, die der Ankunft der Europäer vorausging, wählte Kit Hamley für ihre Forschungen drei Orte zur näheren Erkundung aus. Bleaker Island am östlichen Rand der Falklandinseln, New Island im Westen und zu Kontrollzwecken den höchsten Berg der Falklandinseln, den östlich gelegenen Mount Usbourne. „Wenn Menschen von Südamerika aus auf die Falklandinseln kamen, wäre New Island eine der ersten Inseln gewesen, auf die sie stießen“, erklärt sie.

    Die erhöhten Anteile von Holzkohle wurden auf New Island festgestellt, nicht aber am Mount Usbourne. Die Radiokarbondatierung von in Museen befindlichen Falklandfuchsexponaten ergaben, dass die Tiere hier zu der Zeit heimisch waren, als die Holzkohle entstand.

    „Insbesondere auf New Island haben wir extrem überzeugende paläoökologische und archäologische Hinweise darauf gefunden, dass hier schon vor der Ankunft der Europäer lebten“, sagt Kit Hamley.

    Auch Graham Slater ist von den in der Studie angeführten Belegen für menschliche Aktivität überzeugt.

    „So weit mir bekannt ist, ist dies die erste Studie, in der archäologische Funde wie Steinpfeilspitzen und Knochenhaufen in einen größeren Zusammenhang gebracht werden“, sagt er. „Die Kollegen liefern starke Beweise dafür, dass indigene Gruppen bereits vor der europäischen Kolonisierung im 17. Jahrhundert auf den Inseln gelebt haben.“

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    Atilio Francisco Javier Zangrando, Archäologe und Paläoökologe am Centro Austral de Investigaciones Científicas, der nicht an der Studie beteiligt war, wirft jedoch die Frage auf, aus welchem Grund die frühen Menschen die viele Kilometer lange Reise vom Festland auf die Falklandinseln auf sich genommen haben sollten.

    „Sie wären mehrere Wochen auf See gewesen, um die Strecke zurückzulegen“, sagt er. Eine körperliche und logistische Herausforderung. „Allein die Menge an Trinkwasser, die sie dafür mitgebracht haben müssten.” Außerdem trugen die Yagan ihr Feuer immer mit sich. Das bedeutet, sie hätten auch Brennmaterial an Bord ihrer Boote haben müssen, um sicherzustellen, dass es nicht erlischt.

    Er erkennt die Holzkohle durchaus als indirekten Beweis für menschliche Aktivitäten an, doch er gibt zu bedenken, dass diese nicht zwingend aus einer frühen Besiedelung der Inseln durch die Yagan stammen müsse. Es sei genauso möglich, dass sie von europäischen Siedlern im 17. Jahrhundert hinterlassen wurde. Sowohl Atilio Francisco Javier Zangrando als auch Graham Slater sind außerdem der Meinung, dass der Falklandfuchs auch ohne menschliche Hilfe dazu in der Lage gewesen wäre, Meeressäugetiere zu erbeuten oder die Inseln zu erreichen.

    PRÄSENTIERT VON BAYER

    Kit Hamley will bald auf die Malvinen zurückkehren, um nach weiteren Hinweisen auf die Aktivitäten von frühen Menschen und dem Falklandfuchs zu suchen.

    „Wir müssen einfach noch mehr Beweise finden“, sagt sie. „Ältere Stätten, mehr Knochenhaufen, mehr kulturelle Hinterlassenschaften, mehr Hinweise auf Feuer. All das würde unsere Theorie stützen, dass Menschen den Falklandfuchs auf die Inseln mitgebracht haben.“

    Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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