Artenschutz: Bayern gibt Wolf zum Abschuss frei

Seit mittlerweile über 20 Jahren leben Wölfe wieder in Deutschland. Nun wurde in Bayern erstmals seit 140 Jahren offiziell ein Wolf zur Tötung freigegeben. Naturschützer ziehen vor Gericht.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 19. Jan. 2022, 15:55 MEZ
Ein Wolf im Bayerischen Wald.

Ein Wolf im Bayerischen Wald: bisher wohnen in Bayern nur wenige Wölfe.

Foto von AdobeStock

Die einen freuen sich über seine Rückkehr, die anderen wollen ihn erschießen: Kein Tier in Deutschland polarisiert mehr als der Wolf. Das Land Bayern sorgt nun für neuen Zündstoff in der Diskussion. Am 17. Januar erließ die Regierung in Oberbayern eine Allgemeinverfügung zur Tötung des „Traunsteiner Wolfes”, amtlich GW2425m. Er wurde zuletzt immer wieder im Chiemgau gesichtet. Es wäre die erste legale Tötung eines Wolfes in Bayern seit 140 Jahren. 

Während auf Onlineportalen für Jäger bereits die wichtigsten Details zur Entnahme aufgelistet werden, will der BUND Naturschutz in Bayern (BN) klagen. Am Mittwoch soll der Eilantrag gegen den Sofortvollzug eingereicht werden, danach die Klage, so Uwe Friedel vom BN. Die Erfolgsaussichten schätze man als sehr hoch ein: „Der Wolf hat bisher keinerlei Interesse an Menschen gezeigt. Dies ist aber rechtlich und fachlich Grundvoraussetzung, um eine Entnahme überhaupt in Betracht zu ziehen.” Bis das Gericht über den Eilantrag entschieden hat, könnte der Wolf aber abgeschossen werden.

Wolfschutz: Verhärtete Fronten

Wölfe sind sowohl durch nationale als auch internationale Gesetze streng geschützt. Nach ihrer Ausrottung in Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts dauerte es fast 100 Jahre, bis hier wieder Wölfe heimisch wurden. Im Monitoringjahr 2020/2021 waren es 157 Wolfsrudel, 27 Wolfspaare und 19 Einzeltiere.

Nicht jeder hält sich an diese Schutzmaßnahmen, denn gestorben sind in den vergangenen Jahren Dutzende Tiere: Seit 2000 wurden in Deutschland bereits 65 Wölfe illegal getötet, zwölf allein im vergangenen Jahr.

So sehr das Tierschützer empört – viele, die um ihr Vieh fürchten, setzen sich für weitere, legale Tötungen ein: Bereits im Oktober vergangenen Jahres demonstrierten 1.200 Landwirte dafür, dass der Schutzstatus des Wolfs gemindert und seine Verbreitung eingedämmt wird. Im Winter schlossen sich dann Tierhalter in ganz Deutschland der Aktion „Lichter gegen das Vergessen” des Fördervereins der deutschen Schafhaltung e.V. an. Nach Angaben des Verbands fanden in 135 Orten in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden Aktionen statt.Als Förderverein hoffen wir, hiermit ein Zeichen setzen können, dass es so mit der uneingeschränkten Ausbreitung der Wölfe nicht weitergehen kann.” 

Auch gegen den Wolf aus dem Traunsteiner Landkreis, der im vergangenen Jahr mehrere Nutz- und Wildtiere getötet hatte, wurden schnell Stimmen laut. Die Regierung von Oberbayern erklärte am Montag, dass die Entnahme vor allem aus „Gründen der öffentlichen Sicherheit” erlaubt würde. Die Ausnahmegenehmigung zum Abschuss des Wolfes gelte bis zum 31. März  für das Gebiet der Landkreise Rosenheim, Traunstein und Berchtesgadener Land mit Ausnahme des Nationalparks Berchtesgaden.

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    Für den BUND Naturschutz in Bayern ist die Entscheidung nicht nachvollziehbar:. „Wir kritisieren vor allem, dass den Weidetierhalter/innen mit dieser erteilten Ausnahmegenehmigung suggeriert wird, der Abschuss von Wölfen wäre einfach möglich, Herdenschutz in der Folge überflüssig und das Bundesnaturschutzgesetz sehe für Fälle wie diesen tatsächlich die Entnahme als mögliche Lösung vor”, so Friedel. „Am Ende heißt es dann wieder, die Naturschützer hätten den Abschuss verhindert. Aber es ist ganz einfach geltendes Recht, mit dem dieser Abschuss nicht in Einklang zu bringen ist.” Die Allgemeinverfügung bringe zudem die Gefahr mit sich, dass mehrere Tiere getötet würden bis schließlich der Wolf GW2425m nachweislich entnommen wurde, heißt es in der Pressemitteilung des BN. Besonders paradox sei der Zeitpunkt der Entscheidung: Der Wolf sei seit vier Wochen gar nicht mehr gesichtet worden.

    Auch der Naturschutzbund Deutschland sieht die Entnahme eines auffälligen Wolfes kritisch – nicht nur wegen des Tierschutzes. Denn in einem solchen Fall gäbe es eine Doppelzuständigkeit des Landwirtschaftsministeriums (Jadgrecht) und des Umweltministeriums (Naturschutzrecht), die „das Wolfsmanagement noch verkomplizieren und hinauszögern könnten”.

    Der BN will vor allem auf Herdenschutzberatung und die Zusammenarbeit mit Tierhalterinnen und Tierhaltern setzen. Nur so könne ein Nebeneinander von Wolf und Weidetieren gelingen.

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