Der Fischotter erobert Deutschland zurück – nicht allen passt das
Während sich Naturschützer über die Wiederansiedlung der Fischotter freuen, sorgt sich die bayerische Teichwirtschaft um ihre Fischbestände. Droht die gleiche Debatte wie beim Wolf?
Um seinen täglichen Bedarf an Nahrung zu decken, verspeist ein ausgewachsener Eurasischer Fischotter etwa 1,5 Kilogramm Fisch. Laut der Teichwirtschaft in Bayern verursacht das hohe Einbußen.
Ihr warmes Fell ist nur ein Grund, weshalb es dem Fischotter im 19. Jahrhundert systematisch und wortwörtlich an den Kragen ging: Otterpelze waren in Mode. Auch das Fleisch der Tiere war heiß begehrt. So durfte während der Fastenzeit – neben Fisch – auch Otter verspeist werden, der von der Kirche aufgrund seines Lebensraums damals als „Fisch“ deklariert wurde. Gleichzeitig waren die Fischer nicht gut auf den scheinbaren Fischräuber zu sprechen. Die Jagd auf das Tier wurde mit Prämien belohnt – nur wenige Bestände überlebten.
Mittlerweile kann der eurasische Fischotter aber langsam wieder aufatmen. Seit einiger Zeit vermehren sich die hochgradig bedrohten Tiere hierzulande wieder. Die Freunde der begnadeten Schwimmer freuen sich über die Verbreitung. Der Fischerei hingegen sind sie ein Dorn im Auge. Die altbekannte Sorge um die Fischerträge kommt wieder auf. Zu Recht?
Mehr Fischotter: Hoffnungsträger Bayern
Während es in den westlichen Bundesländern nach wie vor eher schlecht um sie steht, scheinen sich die Fischotter vor allem in Bayern zu erholen. Ausgehend von einem kleinen Restbestand im Bayerischen Wald, aber auch über Bestände, die über die Grenzen zu Österreich und Tschechien zu uns gelangen, breiten sie sich seit etwa dreißig Jahren wieder langsam aus. Wenn auch nicht ganz so schnell, wie erhofft.
Die Erhohung der dortigen Bestände gilt dennoch als großer Erfolg für den Naturschutz. Auch, weil große Hoffnungen auf die Bildung einer „Brücke“ zwischen den Beständen in West- und Osteuropa gesetzt werden. Für den Arterhalt und den Austausch zwischen den Populationen wäre eine solche Weiterverbreitung in Deutschland enorm wichtig. Außerdem ist Lutra lutra, so der wissenschaftliche Name des Tieres, ein Genießer. Dort, wo es sich niederlässt, gelten Ökosysteme als besonders naturnah und intakt, die Wasserqualität als dementsprechend sauber. Damit sich ein Otter in einem Bereich niederlässt, muss ein reiches Nahrungsangebot vorhanden sein.
Vier Säulen gegen den Sündenbock
Seine Ansiedlung stößt jedoch nicht nur auf Freude. Das possierliche Tier bedient sich auf seinen bis zu 40 Kilometer langen Wanderungen durch sein Revier auch immer wieder an wirtschaftlich genutzten Fischteichen – zum großen Ärger der Betreiber. Dort, wo die Bestände von bayerischen Teichwirten durch den großen Hunger der Otter gefährdet sind, kommt der Fischottermanagementplan der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LfL) zum Einsatz. Er soll Abhilfe schaffen und besteht bisher aus drei aufeinander aufbauenden Säulen:
Betroffene Betriebe können sich zunächst an sogenannte Fischotterberater wenden, die über das Hilfsangebot und Maßnahmen gegen die geschützten Tiere aufklären. Mit der zweiten Säule wird die Errichtung von Abwehrzäunen gefördert. Doch oft entstehen trotz der Zäune – der einzig wirklich hilfreichen Methode – weiterhin erhebliche Schäden, und an gewissen Standorten ist schlichtweg keine Errichtung von Zäunen möglich. Dann tritt Säule Nummer drei in Kraft – Entschädigungszahlungen für Teichwirte. Im vergangenen Jahr lagen diese laut LfL bei rund einer Million Euro.
Die zunehmenden Schäden werden allerdings nicht vollständig durch solche Zahlungen ausgeglichen. Bereits im Jahr 2018 wurde deshalb beschlossen, dass die drei bestehenden Säulen und Hilfsangebote nicht genügen. Eine Erweiterung des Managementplans um eine vierte Säule ist im Gespräch: Die „Entnahme“ – also der Abschuss – von einzelnen Fischottern wird gefordert.
Im Zweifel für den Fischotter
Einzelne Ausnahmeregelungen bezüglich einer Entnahme wurden beispielsweise in der Oberpfalz bereits erlassen, jedoch aufgrund von Klagen noch nicht in die Tat umgesetzt. Denn die geschützte Art unterliegt einem strengen Schutz. Laut dem Bundesjagdgesetz ist der Fischotter ganzjährig von der Jagd zu verschonen. Der Rechtsstreit dauert deshalb nach wie vor an, mit Ergebnissen eines möglichen Präzedenzfalls wird im kommenden Jahr gerechnet.
Laut dem BUND Naturschutz (BN), einem der Kläger gegen die Entnahme der Fischotter in der Oberpfalz, wäre ein erlaubter Abschuss sogar in Ausnahmefällen verheerend. „Fischotter sind Reviertiere. Wenn ein Revier besetzt ist, wandern die Jungtiere weiter“, sagt Christine Margraf, Expertin des BN, gegenüber der dpa. Fehlt ein Tier durch Abschuss, würden Jungtiere nicht weiterwandern – das Gebiet wäre also einerseits schnell wieder besetzt, andererseits würde eine Verbreitung in weitere Gebiete gehemmt.
Zudem warnen die Kläger vor alten Vorurteilen und vorschnellen Schlüssen. Laut BN zeigen neueste Forschungsergebnisse durch Monitorings mit Wildtierkameras, dass Verluste durch scheinbar verfressene Otter oftmals durch ganz andere Räuber wie etwa Fuchs und Katze zustande kommen.
Dazu seien Schutzmaßnahmen gegen Fischotter meist eher eine Bekämpfung des Symptoms anstelle der Ursache. Dass sich die Tiere an den reich bestückten Teichen der Teichwirte bedienen, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Menschen den Lebensraum der Tiere maßgeblich verkleinern, etwa durch Bebauung oder Landwirtschaft. Und auch die durch die Klimakrise verursachten Schäden an der Teichwirtschaft würden oft vergessen. „Wie der Wolf wird der Fischotter zum Sündenbock für Verfehlungen in der Agrarpolitik gemacht“, sagt Margraf.