Warum nicht alle Hunde mit den Wölfen heulen

Viele moderne Hunderassen sind zwar zum Heulen fähig, tun es aber selten oder nie. Die weltweit erste Studie zum Heulverhalten von Haushunden hat dafür eine Erklärung gefunden.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 10. Feb. 2023, 13:10 MEZ
Heulender Hund am Strand.

Jahrtausende der Domestizierung und Zucht durch den Menschen haben den Haushund genetisch immer weiter von seinem Vorfahren, dem Wolf, entfernt. Einer neuen Studie zufolge wirkt sich das auch auf sein Lautrepertoire aus. 

Foto von Foto von marisa / adobe Stock

Wolfsgeheul ist unverkennbar. Die melancholischen, etwas unheimlichen Töne dienen der Fernkommunikation – sie sind bis zu 15 Kilometer weit zu hören – und erfüllen zum Beispiel die Nacht, wenn das Rudel sich zur Jagd versammelt. Mit dem gemeinsamen Heulen wird sowohl die Gruppenzugehörigkeit gefestigt und die Position einzelner Mitglieder bestimmt als auch das Territorium markiert. Heult ein einzelner Wolf, ist er vermutlich auf Partnersuche oder prüft, ob fremde Rudel in der Nähe sind.

Auch Haushunde, die domestizierten Verwandten der Wölfe, heulen – allerdings nicht alle. Huskys heulen beispielsweise häufig, andere Hunderassen, obwohl sie physisch dazu in der Lage wären, hingegen nie. Doch welche Faktoren beeinflussen das Heulverhalten?

Dieser Frage sind nun Forschende der Eötvös-Loránd-Universität (ELTE) in Budapest, Ungarn, nachgegangen. Ihre Studie – die weltweit erste, die das Heulen von Haushunden untersucht – ist in der Zeitschrift Communication Biology erschienen.

Wie viel Wolf steckt im Hund? 

Um herauszufinden, wie sich Rasse, Geschlecht und das individuelle Alter auf die Neigung zum Heulen auswirken, spielten die Forschenden 68 reinrassigen Haushunden unter Laborbedingungen Aufnahmen von Wolfsgeheul vor und beobachteten ihre Reaktion. Dabei stellte sich heraus, dass die genetische Nähe einer Rasse zu ihrem Vorfahren, dem Wolf, eine entscheidende Rolle spielt.

„Unseren Ergebnissen zufolge neigen alte Rassen, die dem Wolf genetisch ähnlicher sind, eher dazu, auf Wolfsgeheul mit eigenem Heulen zu antworten“, erklärt Fanni Lehoczki, Erstautorin der Studie und Ethologin an der ELTE. Moderne Rassen, die nur noch entfernt mit dem Wolf verwandt sind, hätten hingegen typischerweise mit Bellen reagiert. „Es scheint so, als ob das Heulen zwar zum Repertoire der meisten Rassen gehört, aufgrund des veränderten sozialen Umfelds seine Funktion jedoch verloren hat, sodass moderne Rassen es in entsprechenden Situationen nicht mehr einsetzen“, sagt sie.

Das Forschungsteam vermutet, dass dem Wolf genetisch nähere Rassen besser dazu in der Lage sind, die im Geheul enthaltenen Informationen zu verarbeiten. „Außerdem haben wir festgestellt, dass Rassen, die heulen, in diesen Situationen mehr stressbedingte Verhaltensweisen zeigen“, so Lehoczki.

Heulen aus Angst

Dass das Heulen bei Haushunden in Verbindung mit einem höheren Stressniveau steht, stützt die These der Forschenden, dass es sich dabei um eine Angstreaktion handelt. Mehrere Beobachtungen aus der Studie stützen diese Annahme. Zum einen heulten die Hunde in der Testgruppe, die fünf Jahre oder älter waren, deutlich mehr. „Es ist möglich, dass – in Übereinstimmung mit unserer Hypothese – ältere Hunde ängstlicher sind“, sagt Tamás Faragó, Postdoktorand in der Abteilung für Ethologie am ELTE und Hauptautor der Studie.

Zum anderen antworteten kastrierte Rüden, von denen man annimmt, dass sie aufgrund des Testosteronmangels ängstlicher sind, auf das Wolfsgeheul öfter mit eigenem Heulen als intakte Rüden. „Das Heulen eines Hundes kann also bedeuten: ‚Ich habe Angst, komm nicht näher‘“, sagt Fanni Lehoczki.  Zwischen kastrierten und intakten Hündinnen wurde ein entsprechender Unterschied nicht beobachtet.  

Diese Ergebnisse stützen die These, dass die Domestizierung und selektive Zucht durch den Menschen das Lautrepertoire von Haushunden verändert hat. Je moderner die Rasse, desto seltener heult ein Hund – und desto schwerer scheint es ihm zu fallen, das Heulen anderer Hunde zu interpretieren. Damit zeigt die Studie, dass sich der Haushund durch seine lange Beziehung zum Menschen mit der Zeit immer weiter von seinem Ursprung entfernt.

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