Gewinner der Urbanisierung: Welche Insekten vom Stadtleben profitieren
Wachsende Städte verdrängen die Natur – und oftmals auch ihre Bewohner. Dennoch gibt es auch Arten, die in urbanen Regionen ihre Nische finden.
Krabbenspinnen fühlen sich im Gegensatz zu anderen Spinnenarten wohl in der Stadt – sie kommen in urbanisierten Gegenden sogar häufiger vor als in ländlichen.
Graue Betonbauten, versiegelte Flächen und viele Menschen – die Stadt scheint für Tiere ein geradezu lebensfeindlicher Raum zu sein. Und es stimmt: Durch den in Deutschland kontinuierlich steigenden Grad der Urbanisierung werden sie aus ihren Habitaten verdrängt; Mensch und Tier driften auseinander, teilweise mit schwerwiegenden Folgen.
Auch Insekten scheinen sich in der Stadt nicht wohlzufühlen. Vielerorts bekommt man die kleinen Krabbler kaum zu sehen und auch aus städtischen Wohnungen halten sie sich weitestgehend fern. Doch es gibt Ausnahmen. Eine neue Studie der Universität Innsbruck in Österreich zeigt: Einige Krabbler florieren in Städten geradezu. Welche Fliegen-, Spinnen- und Lausarten sich in Städten besonders wohlfühlen.
Rindenläuse und Krabbenspinnen: Insekten, die Städte lieben
Für ihre Untersuchungen nahm das Team um Stadtökologin Marion Chatelein die Insekten-Populationen in der Stadt Innsbruck unter die Lupe. Dazu sammelten die Forschenden repräsentative Proben von Arthropoden, so die Fachbezeichnung von Gliederfüßern, aus drei unterschiedlichen Habitaten: Baumkronen, Baumstämmen und Büschen. Auch der Grad der Urbanisierung wurde bei den Proben mit einbezogen. Als Variablen galten dabei etwa die Entfernung zur Innenstadt und der Grad der Bodenversiegelung. Die Untersuchungen zeigten: Nicht jede Insektenart wird mit steigendem Urbanisierungsgrad schwächer.
“Die Häufigkeit von Borkenläusen, Fliegen, Blattläusen und Blatthüpfern nahm mit zunehmendem Urbanisierungsgrad des Lebensraums zu.”
Vor allem die Spinnenfamilie der Thomisidae – auch Krabbenspinnen genannt –, die weltweit über 2.000 Arten umfasst, scheint in der Stadt zu florieren: Von ihnen gibt es in den Büschen und Hecken der Städte mehr Individuen als auf dem Land. Und nicht nur sie fühlen sich in Städten offenbar wohl. „Auch die Häufigkeit von Borkenläusen, Fliegen, Blattläusen und Blatthüpfern nahm mit zunehmendem Urbanisierungsgrad des Lebensraums zu“, heißt es in der Studie.
Wie die Krabbenspinne leben auch viele dieser Arten vor allem in den städtischen Büschen. In diesem Habitat nimmt die Häufigkeit von Insekten insgesamt „mit zunehmendem Urbanisierungsgrad zu.“ Das könnte beispielsweise daran liegen, dass Büsche in urbanen Regionen nährstoffreicher sind als in ländlicheren Gegenden, möglicherweise aufgrund ihrer Konzentration auf engerem Raum.
Ein Erfolg für die Artenvielfalt?
Durch diese Arten, deren Anzahl mit dem Grad der Urbanisierung steigt, entsteht laut der Studie kein großer Unterschied zwischen der Gesamtanzahl von Insekten in städtischen Gebieten und jener in ländlichen Regionen. „Da einige Gruppen gut gedeihen, während andere aus städtischen Gebieten herausgefiltert werden, gibt es in der Stadt mindestens genauso viele Arthropoden wie in der ländlichen Umgebung“, sagt Chatelain.
Ein Gewinn für die Artenvielfalt ist die Verstädterung aber dennoch nicht. Abgesehen von der Krabbenspinne verzeichnen Spinnenarten einen deutlichen Verlust im städtischen Raum. Die Anzahl der Spinnen in Baumkronen nimmt mit zunehmendem Urbanisierungsgrad ab. Das wiederum lässt Insektenarten wie Blattläuse florieren, die den Spinnen sonst als Nahrung dienen – sie können sich ohne den Fressfeind ungestört vermehren.
Lange bestehende ökologische Netzwerke verändern sich durch die Urbanisierung also: Manche Arten verschwinden, andere können sich dadurch wiederum ungestört ausbreiten. Die Folgen sind teilweise bereits zu beobachten – beispielsweise durch die Blattlaus-Ausbrüche in den Städten –, in ihrer Gänze aber noch nicht vorherzusagen. Wie wird sich die veränderte Insektenvielfalt beispielsweise auf Vögel, denen bestimmte Insekten als Futter dienen, auswirken? Solche Fragen wollen die Forschenden nun in weiteren Untersuchungen beantworten. Klar ist jetzt schon eines: Ohne urbane Grünflächen würden auch die Insekten aus den Städten vertrieben werden, die sich aktuell noch in ihnen wohlfühlen.