Invasion der Acker-Monster: Wie eingeschleppte Arten die Landwirtschaft bedrohen
Fremde oder invasive Arten gefährden nicht nur die heimische Tier- und Pflanzenwelt. Sie sind auch ein Problem für die Landwirtschaft. Im Porträt: Drei Acker-Aliens, die unser Obst und Gemüse zum Fressen gernhaben.
Die Marmorierte Baumwanze aus Asien treibt inzwischen auch in Deutschland ihr Unwesen.
Acker-Monster: Wie invasive Arten die Landwirtschaft bedrohen
Die Invasoren kamen mit dem Schiff. Perfekt getarnt trafen sie auf wehrlose Gegner. Dann schlugen sie mit voller Wucht zu. Zuerst überrollten sie den Süden Frankreichs. Danach eroberten sie in kürzester Zeit ein Land nach dem anderen – und hinterließen eine Schneise der Zerstörung. Ganze Landstriche fielen in Elend und Armut.
Bis heute gilt die Reblaus-Katastrophe als landwirtschaftliche Plage von unvorstellbarem Ausmaß. Mitte des 19. Jahrhunderts waren die winzigen Insekten als blinde Passagiere per Dampfschiff aus Nordamerika nach Europa gekommen. Binnen weniger Jahre zerstörte die Reblaus fast den gesamten europäischen Weinbau. Die materiellen Schäden und wirtschaftlichen Folgen waren verheerend. Vor allem im südlichen Europa lebten große Teile der Bevölkerung vom Weinbau.
Während amerikanische Weinreben resistent gegen die Reblaus sind, waren ihr die europäischen Pflanzen schutzlos ausgeliefert. Der Schädling saugt sich durch das Wurzelwerk und zerstört so die komplette Pflanze. Rettung brachte schließlich die Rebenveredlung. Hierbei wird der obere Teil der Pflanze (das Edelreis) auf einen widerstandsfähigen amerikanischen Wurzelstock (die Unterlage) gepfropft. Mit dieser biologischen Methode der Schädlingsbekämpfung konnte die Katastrophe gebannt werden. Das eigentliche Problem ist damit aber bis heute nicht aus der Welt.
Galerie: Frühe Makroaufnahmen von Insekten & Spinnen
Wie viele invasive Arten gibt es in Deutschland?
Etwa 1.200 gebietsfremde Tier- und Pflanzenarten haben sich im Laufe der letzten 500 Jahre dauerhaft in Deutschland angesiedelt, erklärt das Bundesamt für Naturschutz (BfN). Manche wurden unabsichtlich, andere gezielt vom Menschen eingeschleppt. Heute befeuert der globale Handel die Entwicklung. Rund 170 Arten gelten als invasiv, haben also negative Auswirkungen auf die heimische Flora und Fauna. Einige davon stellen auch die Landwirtschaft vor neue Herausforderungen.
Einer Senckenberg-Studie zufolge entstanden in der europäischen Land- und Forstwirtschaft seit 1960 Schäden in Höhe von über 116 Milliarden Euro durch invasive Arten. Beispielhaft dafür stehen drei Insekten, die sich in den letzten Jahren rasant in Deutschland verbreitet haben.
Drosophila suzukii: Mit Vollgas durch die Obstplantage
Da ist zum Beispiel Drosophila suzukii, besser bekannt als Kirschessigfliege. Auch sie hat Weinreben zum Fressen gern. Im Gegensatz zur Reblaus schielt sie dabei aber auf die reifen Früchte. Das winzige Insekt stammt ursprünglich aus Japan. Seit gut zehn Jahren hat es sich aber auch in unseren Gefilden breit gemacht. Die heimische Fruchtfliege bevorzugt vor allem Fallobst. Die verwandte Kirschessigfliege dagegen knabbert am liebsten an intakten Früchten, in die sie ihre Eier legt. Die Folge: massive Ernteausfälle im Obst- und Weinbau.
Eine Kirschessigfliege nagt an einer Himbeere.
Der Milliarden-Dollar-Käfer
Auch der Maiswurzelbohrer hat es faustdick hinter den Fühlern. Seine Larven zerfressen die Maiswurzeln. In seiner amerikanischen Heimat sorgt der rund fünf Millimeter lange Käfer schon seit Jahrzehnten für hohe Ernteeinbußen und Bekämpfungskosten – was ihm den zweifelhaften Namen „Milliarden-Dollar-Käfer“ einbrachte. Seit 2007 breitet sich Diabrotica virgifera auch in Deutschland aus. Das Dilemma: Meist werden die Schäden erst bei sehr hohem Befall sichtbar. Dann ist es aber oft schon zu spät, um den Schädling wirkungsvoll zu bekämpfen.
Hübsch, aber gefürchtet: der Maiswurzelbohrer
Angriff der Stinkwanzen
Ebenso gefürchtet ist die Marmorierte Baumwanze (Halyomorpha halys). Eigentlich stammt sie aus Asien. Inzwischen treibt sie aber auch in Europa und Nordamerika ihr Unwesen. Das 1,5 Zentimeter große Insekt ist nicht wählerisch: Mit seinen nadelartigen Mundwerkzeugen saugt es an Obst und Gemüse ebenso wie an Zierbäumen und Blumen. Und das ist nicht die einzige ärgerliche Angewohnheit der Marmorierten Baumwanze: Fasst man sie zu grob an, sondert sie ein übelriechendes Sekret ab. Deshalb kennt man sie auch unter den Namen „Stinkkäfer“ oder „Stinkwanze“.
Auch bekannt als „Stinkkäfer“: die Marmorierte Baumwanze
Kein Patentrezept im Umgang mit invasiven Arten
Grundsätzlich sieht eine EU-Verordnung vor, dass Deutschland für invasive Arten geeignete Maßnahmen festlegen muss. Beginnt eine Spezies gerade erst, sich anzusiedeln, soll sie vollständig bekämpft werden. Vor allem bei Invasoren, die erst am Anfang ihrer Ausbreitung stehen, gibt es laut BfN eine gute Chance, sie vollständig zu beseitigen.
Anders sieht es allerdings bei Arten aus, die sich schon fest in ihrer neuen Heimat etabliert haben. Ist eine flächendeckende Bekämpfung nicht mehr möglich, sollen die rund 3.600 Maßnahmen zum Einsatz kommen, die das BfN in einem Management-Handbuch zu gebietsfremden Arten definiert hat. Klingt kompliziert? Ist es auch.
Neben chemischem Pflanzenschutz spielt in der Landwirtschaft die biologische Schädlingsbekämpfung eine wichtige Rolle. Hierbei werden beispielweise andere Insekten oder Bakterien eingesetzt, welche die invasiven Krabbler fressen sollen. Außerdem gibt es biotechnische Verfahren, bei denen etwa weibliche Lockstoffe in sogenannten Pheromonfallen ausgebracht werden, in denen sich dann die liebestollen Männchen verfangen. Auch mit speziellen Anbaumethoden, zum Beispiel bestimmten Fruchtfolgen, versuchen Landwirte das Problem in den Griff zu bekommen.
„Für den Umgang mit fremden Arten gibt es kein Patentrezept“, erklärt der World Wide Fund For Nature (WWF). Jede neue Art müsse genau beobachtet und untersucht werden, um sinnvolle Maßnahmen zur Eindämmung einleiten zu können.
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