Nicht nur Alpha-Männchen: Bei diesen Spinnentieren gibt es drei Versionen des männlichen Geschlechts

Alpha, Beta, Gamma: Bei einer Art der neuseeländischen Weberknechte gibt es neben Weibchen drei Formen von männlichen Tieren. Warum manche Individuen ganz oben, andere wiederum ganz unten in der Hierarchie landen.

Von Marina Weishaupt
Veröffentlicht am 21. Juli 2023, 08:31 MESZ
Nahaufnahme eines neuseeländischen Weberknechts.

Ein männliches Alpha-Tier der Forsteropsalis pureora, auch Harvestman genannt. Männchen an der Spitze der Hierarchie zeichnen sich durch große Kiefer aus, die sie zum Balzkampf nutzen.

Foto von Erin Powell

Mit acht langen, dünnen Beinchen bewegen sich die Körper der Spinnentiere durch den neuseeländischen Regenwald. Auf den ersten Blick ähneln die Weberknechte aus Neuseeland – die näher mit Skorpionen als mit Spinnen verwandt sind – denen, die man auch hierzulande kennt. 

Bei genauerer Betrachtung hingegen weist Forsteropsalis pureora eine Besonderheit auf. Eine kuriose Laune der Natur sorgt dafür, dass sich nicht nur die Weibchen und Männchen optisch unterscheiden – sondern es auch gleich drei verschiedene Versionen des männlichen Geschlechts gibt. 

Wie es zu den Alpha-, Beta- und Gamma-Männchen kommt, hat eine Studie der Waipapa Taumata Rau – wie die University of Auckland in der Landessprache der Maori genannt wird – untersucht. Hauptautorin Erin Powell und ihr Team sind dabei der Frage nachgegangen, warum einige männliche Individuen ganz unten in der Hierarchie landen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift Behavioral Ecology.

Sexualdimorphismus: Eine Art, mehrere Geschlechter?

Wie so oft im Tierreich werden auch bei der Art der neuseeländischen Weberknechte die Geschlechter durch unterschiedliche äußerliche Erscheinungsmerkmale ersichtlich. Die Körper und Beine der Weibchen haben eine eher hellere, bräunliche Färbung. Männchen hingegen sind deutlich dunkler und ein orangefarbener Streifen ziert ihren Rücken und ihre Augenpartie. Doch damit nicht genug, denn bei den Männchen hat sich eine ungewöhnlich seltene Form des sexuellen Dimorphismus entwickelt: Trimorphismus – also drei verschiedene Arten des männlichen Geschlechts.

Um die Gunst eines Weibchens zu erlangen, müssen die Männchen sich in rivalisierenden Kämpfen beweisen. Deshalb weisen sie in der Regel große Kiefer auf, die rund 50 Prozent ihrer Körpergröße ausmachen. Bei Alpha- und Beta-Männchen unterscheiden sich diese gewaltigen Waffen nur in ihrer Form – womöglich, um während des Kampfes mit unterschiedlichen Taktiken zu glänzen. 

Durch Beinverlust zum Gamma-Männchen?

Gamma-Männchen hingegen besitzen gar kein Verteidigungswerkzeug. Noch erstaunlicher: Sie sind bis zu sieben mal kleiner als ihre großen Rivalen. 

BELIEBT

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    Links: Oben:

    Ein Beta-Männchen mit deutlich erkennbarem, großen Kiefer nach erfolgreichem Beutezug.

    Rechts: Unten:

    Ein Gamma-Männchen mit gefangener Beute. Ihm fehlen sowohl Gliedmaßen als auch der große Kiefer.

    bilder von Erin Powell

    Powell und ihr Team gehen in ihrer Studie davon aus, dass dies an einer anderen Eigenschaft liegen könnte, durch die sich die Art auszeichnet. Denn viele der Tiere werfen im Laufe ihres Lebens eines oder mehrere ihrer langen, dünnen Beine ab, um Räubern zu entkommen. Dieses Verhalten ähnelt jenem von Eidechsen, die sich bei Gefahr von ihrem Schwanz trennen. Neue Beine wachsen den Weberknechten allerdings nicht nach, die Wunde vernarbt lediglich.

    Anhand dieser Narben konnten die Forschenden erkennen, wie alt das Tier war, als es sich von seiner Extremität trennen musste. Je jünger sie waren, desto wahrscheinlicher waren Einbußen in der körperlichen Entwicklung und desto eher wurden sie zum Gamma-Männchen. „Vielleicht liegt das daran, dass sie nicht genug Nahrung für ihre Entwicklung bekommen, weil ihre Jagd behindert wird“, sagt Powell. „Vielleicht macht es aber auch keinen Sinn, in große Kampfwaffen zu investieren, wenn sie beim Kämpfen ohnehin schon benachteiligt sind.“ 

    Um ihre Ressourcen zu schonen, würden sich die Gamma-Männchen stattdessen eher auf das Wachstum ihrer Geschlechtsorgane und die Produktion von Spermien fokussieren. Anstatt mit Alpha- und Beta-Männchen zu konkurrieren, suchen sie nach ungefährlichen Paarungsmöglichkeiten – etwa in Form von Weibchen, die nicht bereits von einem Gatten verteidigt werden. 

    Powell und ihre Kolleg*innen gehen davon aus, dass eine Kombination aus Genetik sowie Umweltfaktoren und unterschiedlichen Ernährungsweisen zu dem Trimorphismus von Alpha-, Beta- und Gamma-Männchen führt. Weshalb sich jedoch zwei ähnlich stark ausgestattete Versionen desselben Geschlechts darunter befinden, werden zukünftige Forschungen zeigen müssen.

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