Vogelgrippe: Warum Basstölpel plötzlich schwarze Augen bekommen

Auf Helgoland hat H5N1 die Bestände der Meeresvögel stark dezimiert. Nun tauchen plötzlich immer mehr Tiere mit verfärbten Augen auf. Das Phänomen ist ein Hoffnungsschimmer.

Von Marina Weishaupt
Veröffentlicht am 14. Juli 2023, 15:39 MESZ
Ein Basstölpel-Paar mit und ohne schwarzer Augenverfärbung

Normalerweise sind Basstölpel für ihre hellblauen Augen bekannt. Nun weisen einige der Tiere auf der schottischen Insel Bass Rock und hierzulande auf Helgoland eine tiefschwarz gefärbte Iris auf.

Foto von Anskar Lenzen, Lea Milde

Gelber Schopf, grau-bläulicher Schnabel und auffällig blaue, mit schwarzer Zeichnung umgebene Augen: Basstölpel (Morus bassanus) zählen hierzulande zu den markantesten und wohl meistfotografierten Seevögeln. In Deutschland gibt es lediglich eine einzige Brutkolonie – auf Helgoland, entlang des Naturschutzgebietes Lummenfelsen. 

Im Jahr 2022 wurde dieses zum tragischen Schauplatz der bisher ansteckendsten Vogelgrippe-Variante H5N1. Sie raffte zahlreiche Jungtiere und erwachsene Vögel dahin, unter ihnen viele Basstölpel. Große Brutkolonien in Schottland, Island, Kanada, Irland oder Norwegen waren ebenfalls betroffen. 

Doch in diesem Jahr scheinen die Basstölpel weitestgehend von der tödlichen Krankheit verschont zu bleiben. Noch besser: Einige der Tiere haben sich wahrscheinlich sogar von der Krankheit erholt. Für eine mögliche Immunität spricht eine auffällige Veränderung ihres Erscheinungsbildes: tiefschwarze Augen.

Schwarze Iris als möglicher Hoffnungsschimmer gegen H5N1

Erstmals in Erscheinung traten Basstölpel mit schwarz verfärbter Iris im Sommer 2022 auf der schottischen Insel Bass Rock – dem Brutplatz der weltweit größten Basstölpelkolonie mit rund 150.000 Individuen. Hier wurden auch die frühesten Untersuchungen und die erste internationale Studie über das Phänomen durchgeführt. Dafür wurden Blutproben von 18 erwachsenen Tieren entnommen, die augenscheinlich einen gesunden Eindruck machten. Bluttests ergaben, dass acht Vögel tatsächlich Antikörper für H5N1 in sich trugen – und wiederum sieben davon eine variabel oder gänzlich schwarz gefärbte Iris aufwiesen. 

Bestätigt sich der Verdacht, dass die schwarzen Augen auf eine Immunität gegen die Vogelgrippe hinweisen, könnten sie in Zukunft als nicht-invasives, optisches Diagnosewerkzeug genutzt werden, um immune Tiere zu identifizieren. Weitere Untersuchungen sollen zusätzlich zeigen, ob sich die Verfärbung der Augen mit der Zeit wieder regeneriert – und wodurch sie verursacht wird. Ob sich die Verfärbung negativ auf das Sehvermögen der Tiere auswirkt, ist bislang unklar – dazu könnte allerdings der Bruterfolg der nächsten Jahre weitere Erkenntnisse liefern.

Verliebte Tölpel
Nicht nur die Füße sind ein Hingucker bei diesen Tieren: Blaufußtölpel sind Meister der Verführung. Ausschnitte aus der Serie „Wild Love".

Nest an Nest: Die Auswirkungen der Vogelgrippe

„Es ist ruhiger geworden an den Klippen“, sagt Lea Milde, Wildtierbiologin und Wildtierfotografin. Mit ihrem Partner Anskar Lenzen, Biologe und ebenfalls Wildtierfotograf, klärt sie online über diverse Naturschutzthemen auf. Zusammen besuchen sie die Vogelfelsen regelmäßig. Im Vergleich zu den vorherigen Jahren tummeln sich laut ihnen definitiv weniger Vögel an den Helgoländer Klippen. 

Bestätigte Zahlen von Bass Rock gehen im direkten Vergleich zu den vorherigen zehn Jahren von einer 42 Prozent höheren Sterblichkeit von erwachsenen Basstölpeln zwischen 2021 und 2022 aus. Auf Helgoland, das mit seiner verhältnismäßig kleinen Kolonie rund 1.600 Basstölpel-Paare zählt, war die letzte Saison ebenso verhängnisvoll. Etwa 90 Prozent der Küken überlebten die Brutzeit nicht – entweder, weil sie selbst infiziert wurden oder weil es ihre kranken Eltern zum Sterben auf das Meer hinauszog. Dabei spielte auch die enge Fläche, auf der die Tiere in den großen Kolonien brüten, eine Rolle. Denn das H5N1-Virus überträgt sich über Körperkontakt, Speichelaustausch, Kot oder die Fütterung der Jungtiere.

„Das Virus befällt das Gehirn und hat meist statische, sich wiederholende Bewegungen zur Folge“, sagt Lenzen. Apathische, fiebrige Tiere, die sich im Kreis drehen – kein schöner Anblick. „An sich ist ein Virus aber nichts Schlechtes – sondern eine Möglichkeit für natürliche Selektion. Die Tiere, die stark genug sind, bilden einen neuen Grundstein für eine resistente Population“, sagt Milde. 

Allerdings könnte das derzeitige Ausmaß der Krankheit einige bereits gefährdete Arten zukünftig an den Rand des Aussterbens treiben. Größere und vor allem sichere Verbreitungsgebiete könnten Abhilfe schaffen. Gegen das Artensterben heimischer Seevögelkolonien kämpft daher etwa der Verein Jordsand mit Schutzgebieten entlang der Nord- und Ostseeküsten.

BELIEBT

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    Wie man Basstölpel und Co. helfen kann

    Gerade im Schutzgebiet Helgoland, wo bekanntermaßen schon Arten betroffen sind, raten Milde und Lenzen von Meldungen von toten Vögeln seitens der Bevölkerung eher ab. Dort würden verstorbene Tiere meist bei regelmäßigen Rundgängen eingesammelt und gegebenenfalls für Sezierungen und Untersuchungen genutzt, um mehr über das Virus in Erfahrung zu bringen. 

    Generell stirbt laut den beiden Wildtierbiolog*innen nicht jeder Vogel an der Vogelgrippe oder anderen ernstzunehmenden Krankheiten. Falls man dennoch auf Nummer sicher gehen möchte, oder wenn man auf ein beringtes oder mit einem Sender versehenes Tier trifft, hilft der Nabu mit ausführlichen Informationen weiter. Alternativ kann man sich an die Nationalparkverwaltung oder das örtliche Veterinäramt wenden.

    In jedem Fall heißt es: Tote Tiere auf keinen Fall anfassen. Zusätzlich sollten erkrankte Populationen keinem zusätzlichen Stress ausgesetzt werden. Hunde anzuleinen und fernzuhalten sowie während Spaziergängen auf den Wegen zu bleiben, hilft ebenso. 

    Ansonsten könne man nicht mehr tun, als die wichtige Arbeit der Organisationen vor Ort zu unterstützen. „Das ist natürlich schlimm zu sehen, aber Krankheiten sind Teil der Evolution. Die Natur braucht sie, um Populationen zu regulieren“, sagt Milde. „Dennoch kann jeder Krankheitsausbruch in unserem Ökosystem, wo der Mensch schon so viel zusätzlichen Einfluss hat, tragischere Folgen mit sich bringen.“

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