Neue Meeresschutzgebiete von der doppelten Größe Deutschlands etabliert

Die Meeresparks schützen zahlreiche Arten, die nirgends sonst auf der Welt vorkommen.

Von Michael Greshko
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:46 MEZ
Drei neue Meeresschutzgebiete bewahren Artenvielfalt

Die Länder Chile und Niue haben gerade einen großen Beitrag zum Erhalt der Meere geleistet.

Niue, ein kleiner Inselstaat im Südpazifik mit etwa 1.600 Einwohnern, hat 40 Prozent seiner ausschließlichen Wirtschaftszone zu einem Meerespark erklärt. Chile hat ebenfalls zwei neue Schutzgebiete etabliert, in denen Fischerei und jegliche andere Rohstoffentnahme verboten sind.

Zusammen schützen die drei neuen Parks etwa 750.000 Quadratkilometer – eine Fläche, die doppelt so groß ist wie Deutschland.

Die zwei Länder verkündeten die Etablierung der Meeresschutzgebiete offiziell auf der Konferenz Our Ocean auf Malta. Alle drei Gebiete werden vom Pristine Seas Project von National Geographic wissenschaftlich unterstützt.

EINE KLEINE INSEL MACHT DER WELT EIN GROSSES GESCHENK

Das Niue-Schutzgebiet umfasst die Insel selbst, diverse Riffbereiche vor der Küste und das Beveridge Reef, ein unbewohntes und teils unter Wasser liegendes Atoll. Es erstreckt sich auf etwa 127.000 Quadratkilometer – also grob 80.000 Quadratkilometer für jeden Menschen, der aktuell auf der Insel lebt.

Das ist eine noch beachtlichere Leistung, wenn man bedenkt, dass Niue ein sehr kleines Land mit einer stetig schrumpfenden Bevölkerung ist. Genau wie die ähnlich kleinen Cookinseln, die etwa 1,8 Millionen Quadratkilometer des Meeres zum Schutzgebiet erklärt haben, ist auch Niue kein Mitglied der Vereinten Nationen. Beide Inselstaaten werden auf globaler Ebene von Neuseeland vertreten.

„Das ist keine Kleinigkeit für einen Entwicklungs-Inselstaat, einen so gewaltigen und konkreten Beitrag zum Erhalt der Meere zu leisten“, sagt Brendon Pasisi. Er ist der Direktor des Projekts Niue Ocean Wide (NOW), einer öffentlichen und privaten Nachhaltigkeitsinitiative des Inselstaates.

Niue beschloss den Schutz dieser Gewässer aufgrund von Bedenken darüber, dass seine Ökosysteme und seine Lebensweise extrem anfällig sind. Die Korallenriffe im mittleren und westlichen Pazifik haben durch den Klimawandel bereits an dem wärmeren und saureren Wasser zu leiden. Zudem hat Überfischung viele Bestände wie den der wilden Thunfische vernichtet. Die Riffe der Insel erholen sich außerdem noch immer von Heta, einem Zyklon der Kategorie 5, der 2004 beträchtliche Schäden auf Niue angerichtet hat.

Auf Anregung der Regierung Niues und des National Geographic Explorers Jessica Cramp hin erkundete ein Team von Pristine Seas, NOW und der philanthropischen Gruppe Oceans 5 die Gewässer der Insel im September 2016.

Die 18-tägige Expedition, die von Paul Rose angeführt wurde, offenbarte eine überwältigende Vielfalt an Meereslebewesen, darunter 300 Fischarten, den eher unbekannten Blainville-Schnabelwal Fund drei gefährdete Arten von Meeresschildkröten. Diese Daten halfen Niue bei der Entscheidung darüber, welche Gewässer geschützt werden sollten.

„Wir fanden einige der höchsten Dichten von Riffhaien auf der ganzen Welt“, sagt Alan Friedländer. Der Biologe von der Universität von Hawaii ist der Chefwissenschaftler für das Pristine Seas Project. „Die Haipopulationen sind weltweit um mehr als 90 Prozent geschrumpft, daher ist dieses neue Meeresschutzgebiet ein wichtiger Zufluchtsort für diese stark gefährdeten Arten.“

„Wir waren verblüfft von dem, was wir im Beveridge Reef gefunden haben. Mein BRUV (ein Unterwasservideosystem) hat dort mehr Haie verzeichnet als bisher irgendwo sonst in der Welt“, fügt Cramp hinzu, die auf der Expedition die Haie und Rochen katalogisierte.

MEERESFLÄCHE VON DER GRÖSSE FRANKREICHS VON FISCHFANG AUSGENOMMEN

Auf der anderen Seite des Pazifiks hat Chile zwei neues Meeresschutzgebiete etabliert, die zusammen etwa 622.000 Quadratkilometer vor Fischfang und anderer Rohstoffentnahme schützen – ein Gebiet, das ungefähr die Größe Frankreichs hat.

„Chile ist eine Fischfangnation und die meisten seiner Fischgründe werden komplett ausgebeutet oder überfischt. Aber diese Regierung hat erkannt, dass es für die Fischgründe keine Zukunft gibt, wenn sie nicht in bedeutendem Maße geschützt werden“, sagt der dort ansässige National Geographic Explorer Enric Sala, der verantwortliche Direktor von Pristine Seas.

BELIEBT

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    Eines der neuen Schutzgebiete erstreckt sich über grob 117.000 Quadratkilometer um die Diego-Ramírez-Inseln herum. Der kleine Archipel erhebt sich vor Kap Horn aus den stürmischen Gewässern.

    Dort findet man gigantische Tangwälder und eine Mischung aus gemäßigten und antarktischen Arten, darunter Robben, Seebären und Wale. Die Inseln sind außerdem lebenswichtige Nistplätze für Felsenpinguine, den Schwarzbrauenalbatros und etwa 80 Prozent der weltweiten Populationen von Blausturmvögeln.

    Das neue Meeresschutzgebiet der chilenischen Juan-Fernández-Inseln ist das größte seiner Art in Südamerika. Fast alle Fischarten des Gebiets sind ausschließlich in dieser Region heimisch. Zudem werden die Fischer der Juan-Fernández-Inseln schon seit Langem für ihre sinnvoll bewirtschafteten Hummerfischgründe gelobt. Die Einheimischen hoffen, dass der nahegelegene Meerespark ihnen dabei helfen wird, diese Lebensweise zu erhalten.

    „Die Fischergemeinde der Juan-Fernández-Inseln ist zu einem weltweiten Modell für den Meeresschutz geworden“, sagte Felipe Paredes in einer Mitteilung. „Dieser große Meerespark wird uns für immer Schutz und Nahrung liefern.“

    CHILES UMFASSENDE BEMÜHUNGEN FÜR DEN NATURSCHUTZ

    Seit 2010 hat Chile mehr als eine Million Quadratkilometer des Meeres zu Schutzgebieten erklärt, in denen jegliche Entnahme von Fischen und Rohstoffen verboten ist. Im vergangenen März machte das Land zudem Schlagzeilen, als es mehr als vier Millionen Hektar Land zum Nationalpark erklärte.

    Zuletzt hatte Chile ein Meeresschutzgebiet um die Osterinsel herum etabliert.

    Das Gebiet namens Rapa Nui Rahui ist fast so groß wie Chile selbst und beherbergt mindestens 142 Arten von Meerestieren, die bisher nirgendwo sonst auf der Welt entdeckt wurden.

    „Dieser Prozess war einer der umfassendsten, von denen ich weiß“, sagt Matt Rand. Der Direktor des Pew Bertarelli Ocean Legacy Project fungierte als Berater für das Schutzgebiet. „Es gab lange Nächte mit viel Bier. Wir saßen da mit mürrischen Fischern, die sehr skeptisch waren, und wir arbeiteten lange auf der Insel und brachten wissenschaftliche Analysen in die Gespräche ein.“

    Chile und die einheimische Gemeinde auf Rapa Nui waren seit Ende 2015 in formalen Verhandlungen. Am 5. September stimmte Rapa Nui per Abstimmung für ein Voranbringen des Projekts.

    Die lokalen Führer betonen, dass das Schutzgebiet von Chile und Rapa Nui zusammen verwaltet wird. Anders als die chilenischen Schutzgebiete der Juan-Fernández-Inseln und der Diego-Ramírez-Inseln wird in einem Großteil von Rapa Nui Rahui der Fischfang erlaubt sein – allerdings nur für die handwerklichen Fischer von Rapa Nui.

    Sala von Pristine Seas warnt jedoch, dass selbst die lokale, handwerkliche Fischerei in einem Meeresschutzgebiet wie Rapa Nui Rahui eine Belastung darstellen kann. Er verweist auf eine Studie aus diesem Jahr, an der er mitgeschrieben hat. Sie zeigt, dass Meeresschutzgebiete, welche jegliche Art von Extraktion verbieten, deutlich mehr Biomasse in ihren Ökosystemen enthalten als jene, die nur teilweise geschützt sind.

    Die Einheimischen bleiben aber dabei, dass die aktuelle Lösung sowohl die Gewässer der Osterinsel als auch die Lebensart der Menschen schützen wird.

    „Unser Volk lebt von Meer und für das Meer“, sagt Sebastián Yancovic Pakarati, ein Mitglied von Mesa del Mar, einer auf den Naturschutz fokussierten Koalition aus Geschäftsführern, Fischern und Organisationen Rapa Nuis. „Diese Gelegenheit, die wir jetzt haben, ist der beste und einfachste Weg, um Kontrolle über unser eigenes Territorium zu erlangen.“

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