Blütezeit alle 12 Jahre: Indiens seltene Pflanzen in Gefahr

Die seltene Neelakurinji hüllt ganze Hügel in eine Decke aus Blau und Violett. Aber ihr Lebensraum schrumpft beständig.

Von Mary-Rose Abraham
Veröffentlicht am 8. Okt. 2018, 18:08 MESZ
ERAVIKULAM-NATIONALPARK, INDIEN Wunderschöne, blau-violette Blüten bedecken die Hügel Südindiens einmal alle zwölf Jahre. Nun droht die seltene Farbenpracht jedoch zu verschwinden.
Foto von Adithya Subramaniam

Das Gewächs Strobilanthes kunthianus, das auch als Kurinji oder Neelakurinji bekannt ist, hat seit 1838 erst 15 Mal geblüht. Zuletzt tauchten die lilafarbenen Blüten 2006 in Kerala auf.

Im Jahr 2018, zwölf Jahre später, bedeckte die Blütenpracht wieder den Eravikulam-Nationalpark in Kerala – der einzige Ort der Welt, an dem diese Pflanzen wachsen.

„Eine einzelne Blume ist egal, aber alle zusammen erzeugen auf einer großen Fläche ein sehr romantisches Bild“, sagt G. Rajkumar, der Gründer des Save Kurinji Campaign Council zur Rettung der Pflanzen. „Wenn man das sieht, verliebt man sich darin.“

Ihr historisches Erbe wurde schon im 1. Jahrhundert in den Gedichten der Tamil Sangams dokumentiert. Mitglieder des indigenen Stammes der Muthuvan aus dieser Region zählen ihr Alter anhand der Kurinji-Blüten, die sie erlebt haben.

Schrumpfender Lebensraum

Der Strauch und seine seltenen Blüten sind aus einem Großteil der Region verschwunden und nun fast ausschließlich innerhalb der Grenzen des geschützten Nationalparks zu finden. Einst war das Gewächs auf einer Höhe von 1.500 bis 2.600 Metern in den gesamten Westghats verbreitet, einem Gebirgszug und Biodiversitäts-Hotspot im Südwesten Indiens. Aber eine dreifache Bedrohung – Eukalyptus- und Akazienplantagen, Landwirtschaft und Tourismus – haben die Wiesen, auf denen Kurinji wächst, nach und nach verschwinden lassen.

Die Evolution und das Überleben der Strobilanthes-Arten hängt von dem Schicksal ihrer Heimat in den Bergen ab.

„Das Massenblühen von Neelakurinji ist so eine Art riesiger Reproduktionsurknall“, sagt Johnny Augustine, der Leiter des Fachbereichs Botanik am St. Thomas College in Palai, Kerala. „[Die Pflanze] verbraucht all ihre Energie für eine erfolgreiche Blüte und Fruchtbildung. Wenn sich die Ökologie der Westghats verändert, wirkt sich das auch auf die Reproduktion und damit die Zukunft der Vielfalt der Strobilanthes aus.“

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BELIEBT

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    Augustine veröffentlichte ein Buch über die 64 Arten der Gattung Strobilanthes in den Westghats. Neben Kurinji blühen im Jahr 2018 noch 20 weitere Arten in Farben von Weiß über Fliedern bis hin zu Tiefbraun. Sie alle wachsen auf den grasbewachsenen Hügeln der Gegend.

    Aber der Verlust ihres Lebensraums zeigt sich deutlich in den Satellitenbildern der Westghats aus den letzten 40 Jahren. Eine Studie aus dem Januar 2018 zeigt, dass die Grasflächen in diesem Zeitraum um 66 Prozent geschrumpft sind. Gleichzeitig gab es einen zwölfprozentigen Zuwachs von Holzplantagen. Das Grasland, das einst das dominante Terrain der Region war, ist mittlerweile selten und fragmentiert.

    „Die große Überraschung war, wie neu diese Veränderungen sind“, sagt der Co-Autor Milid Bunyan vom Ashoka Trust for Research in Ecology. „Die größte Veränderung fand von 1993 bis 2003 statt. In einem ökologischen Maßstab war das quasi gestern.“

    Schutz für die Blumen

    Die Stadt Kodaikanal im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu veranstaltete Anfang des Sommers ein zweitägiges Treffen, um auf Bestandverlust der Neelakurinji und ihren schrumpfenden Lebensraum aufmerksam zu machen und die Regierung dazu zu bewegen, mehr Flächen zum Nationalpark zu erklären.

    N. Anand Kumar, ein Mitarbeiter des Forstamtes von Tamil Nadu, erinnert sich an den Moment in diesem Jahr, als er blühende Strobilanthes-Pflanzen entdeckte. Nach einer Leopardensichtung im Januar 2018 wanderten er und seine Kollegen etwa eine Stunde lang auf der Suche nach Markierungen durch die Wildnis. Tief im Wald fanden sie 20 blühende Kurinji-Sträucher.

    Blütenpracht an einem der trockensten Orte der Welt

    „Wir waren so überrascht, dass wir uns fast so fühlten, als hätten wir die Pflanze zum ersten Mal entdeckt“, sagt Kumar.

    Rajkumar glaubt nach wie vor, dass noch eine Chance besteht, die blau-violetten Blüten wieder auf die Hügel der Region zurückzubringen. Der erste Schritt würde darin bestehen, alle kommerziellen Aktivitäten in dem Gebiet einzustellen.

    „Wenn wir der Natur Zeit geben, um zu heilen, wird sie zurückkehren und der Lebensraum wird sich selbst wiederherstellen“, sagte er. „In den Nationalparks ist Neelakurinji sicher. Aber nur Wohlhabende können sie dort sehen. Sie sollte von jedermann gesehen werden.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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