Das Zeitfenster für eine erträgliche Klimazukunft schließt sich

Forscher analysierten Millionen möglicher Szenarien und fanden nur eine Handvoll, die sie als akzeptabel einstuften.

Von Stephen Leahy
Veröffentlicht am 18. März 2019, 11:24 MEZ
Dürre Washington Klima
Die Dürre, die vor Kurzem die Pazifikküste des US-Bundesstaats Washington heimsuchte, wurde mit der steigenden Meerestemperatur in Verbindung gebracht.
Foto von Paul Nicklen, Nat Geo Image Collection

Für eine Studie analysierten Forscher Millionen möglicher Klimaszenarien und entdeckten, dass uns nur ein schmales Zeitfenster bleibt, um die globale Erwärmung auf ein Maß zu begrenzen, das die internationale Gemeinschaft als sicher einstuft.

Das Ergebnis aus den 5,2 Millionen möglichen Zukunftsszenarien für das Erdklima? Bis zum Jahr 2030 muss der CO2-Ausstoß aller Länder der Welt auf null gebracht werden, damit wir bis 2100 die 2-Grad-Grenze nicht überschreiten – den Zielwert, den die Vereinten Nationen festgelegt haben, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu vermeiden.

Im Gegensatz zum „Special Report on Global Warming of 1.5°C“, den das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) vergangenen Herbst veröffentlichte, arbeitet die neue Studie, die in „Nature Climate Change“ erschien, mit drei praktischen Einschränkungen: Die Ausgaben zur Reduzierung der Emissionen betragen pro Jahr maximal drei Prozent des Bruttoweltprodukts; es werden keine Technologien und kein Geo-Engineering eingesetzt, um CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen; und der globale Temperaturanstieg würde bei einer Verdoppelung der CO2-Menge in der Atmosphäre mindestens den Mittelwert erreichen. Letztgenannte Einschränkung bezieht sich auf die sogenannte Klimasensitivität, die beschreibt, wie stark sich die Erde erwärmen wird, wenn der Atmosphäre CO2 zugeführt wird.

„Wir zeigen, dass unsere Generation wesentlich die Verantwortung dafür trägt, künftigen Generationen eine erträgliche Zukunft zu sichern“, schloss die Studie.

Zum Vergleich: Wenn alle Länder ihre Ziele und Versprechen einhalten, die sie während der Pariser Klimaabkommens 2015 verkündeten, werden die Emissionen trotzdem weiter zunehmen und bis 2030 einen neuen Spitzenwert erreichen. Damit befände sich die Welt auf direktem Kurs in eine Zukunft, in der wir bis 2100 einen mittleren globalen Temperaturanstieg von 3,3 °C verzeichnen würden.

Das Öl fließt weiter

Die weltweiten Treibhausgasemissionen belaufen sich aktuell auf mehr als 40 Milliarden Tonnen pro Jahr und verzeichneten in den letzten zwei Jahren einen Aufwärtstrend. Derweil verkündete die Internationale Energieagentur am 11. März, dass der Ölverbrauch in den kommenden fünf Jahren weiter steigen wird, vor allem aufgrund erhöhter Nachfrage nach Flugzeugtreibstoff und Petrochemikalien.

Die Emissionen bis 2030 so weit zu senken, dass das 2-Grad-Ziel erreicht werden kann, wird extrem schwierig, sagte der Hauptautor Jonathan Lamontagne von der Tufts University. Aufgrund der Einschränkungen, mit denen in der Studie gearbeitet wurde, wird über eine Möglichkeit zum Erreichen von 1,5 °C nicht mal gesprochen, wie er sagte.

Das passt auch zu den Ergebnissen des IPCC Special Reports, demzufolge es nur eine Möglichkeit gibt, um die globale Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen: den groß angelegten Einsatz von Technologien zum Entfernen von CO2 – Direct Air Capture oder Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung – oder natürliche Methoden wie die Aufforstung, sagte Glen Peters, der Forschungsdirektor am norwegischen Zentrum für Internationale Klimaforschung. Auch bei fast allen 2-Grad-Szenarien war das Peters zufolge der Fall.

Lamontagne und seine Kollegen warnen, dass der Verlass auf „einen groß angelegten Einsatz nicht erprobter Technologien [zur Kohlenstoffbindung] ein unverantwortliches und unangemessenes Risiko darstellt, wenn die Konsequenzen eines Fehlschlags potenziell katastrophal sein können“.

Solche negativen Emissionstechnologien könnten sich im nötigen Umfang als nicht machbar erweisen – aber ob denn die Reduzierung der weltweiten Emissionen auf null bis zum Jahr 2030 machbarer sei, wollte Peters wissen. „Wir müssen alle Optionen prüfen. Dann kann die Gesellschaft entscheiden, ob eine davon ansprechender ist als die andere“, sagte er.

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Womöglich gibt es noch eine weitere Lösung: Strahlungsmanagement oder Solar-Geo-Engineering. Dabei setzen Flugzeuge in großen Höhen Schwefeldioxid in der Atmosphäre frei. Das Gas hat den gleichen Effekt wie jenes, das bei Vulkanausbrüchen in die Atmosphäre geschleudert wird: Es reflektiert die Sonnenstrahlung. Laut einer anderen Studie, die in „Nature Climate Change“ erschien, könnte man diese Methode mehr oder minder bedenkenlos einsetzen.

Die Idee, reflektierende Teilchen in die Atmosphäre einzubringen, um die globale Erwärmung zu verringern, ist zwar nicht neu – aber die aktuelle Studie ist die erste, die sich auch mit den Auswirkungen auf Regen, Temperatur und Stürme befasst hat. Die Autoren schlussfolgerten, dass man den weltweiten Temperaturanstieg mit einem solchen Strahlungsmanagement halbieren könnte, ohne den Klimawandel zu verschlimmern.

Trotzdem gibt es bei dem Thema noch viele Unklarheiten. Bevor man die Kosten, Risiken und Grenzen der Technologie richtig einschätzen kann, wird noch viel Forschung nötig sein, gibt der Co-Autor David Keith von der Harvard University zu. Auch er betont, dass wir die CO2-Emissionen schnellstmöglich reduzieren müssen.

„Die unbeabsichtigten Konsequenzen [des Strahlungsmanagements] machen mich sehr nervös“, sagt Michael Mann, ein Klimatologe und Direktor des Earth System Science Center der Pennsylvania State University. In einer E-Mail erklärte Mann, dass Experimente zum Solar-Geo-Engineering unter Idealbedingungen womöglich nicht korrekt wiedergeben, was am Ende wirklich benutzt wird oder welche Folgen es haben kann.

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

 

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