Insektenhotels: Wie der Artenschutz vor der eigenen Haustür gelingt

Heimischer Artenschutz ist wichtig. Was gut gemeint ist, wird allerdings nicht immer optimal umgesetzt. Zum Wohle der Insekten sollte man beim Kauf und Bau- von Nisthilfen einige Details beachten.

Von Marina Weishaupt
Veröffentlicht am 1. Juni 2022, 11:19 MESZ
Insektenhotel mit verschiedenen Abschnitten vor der Glasfront eines Gebäudes.

Löcher mit Durchmessern von drei bis zehn Millimetern sind für Bienen optimal. In diese können sie Eier hineinlegen, aus denen ihre Larven schlüpfen. Nach deren Verpuppung dauert es einige Wochen – oder bis ins darauffolgende Jahr –, bevor sich die nächste Generation auf die Suche nach geeigneten Nistplätzen macht.

Foto von danylamote / Adobe Stock

30 Jahre nach dem ersten Weltnaturgipfel in Rio de Janeiro wendet sich eine Gruppe deutscher Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit einem eindringlichen Appell an die Bundesregierung: Mehr Mut zum Handeln. In ihrer Berliner Erklärung zum 15. Weltnaturgipfel in diesem Jahr mahnen sie: „Nicht weniger als unsere eigene Existenz steht auf dem Spiel.” Deutschland müsse gerade wegen seiner aktuellen G7-Präsidentschaft eine tragende Rolle im Kampf gegen den Verlust der Artenvielfalt übernehmen.

Denn trotz des Übereinkommens in Rio vor 30 Jahren sei der Zustand der Erde dramatisch. „Der Rückgang der biologischen Vielfalt und die zunehmende Erderwärmung sind die größten und drängendsten Herausforderungen für die Zukunft der Menschheit”, schreiben die Expertinnen und Experten.

Ein guter Grund, sich auch im Privaten um den Schutz der Artenvielfalt zu bemühen: auf heimischen Balkonen, Terrassen oder in Gärten. Oft wird dabei auf sogenannte Insektenhotels zurückgegriffen. Die gut gemeinten Unterkünfte sind allerdings nicht immer zum Vorteil der sechsbeinigen Besucher gestaltet.

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Schützenswert und nützlich: Artenvielfalt im heimischen Garten

Laut Laura Breitkreuz, Referentin für Biodiversität und Entomologie beim NABU, ist die Installation eines sogenannten Insektenhotels für nahezu jeden Standort eine Bereicherung: sowohl für kleinere Balkone als auch für jeden Garten. „Abgesehen davon, dass man hier ganz nah Natur beobachten kann, lockt man auch viele Nützlinge wie etwa Grabwespen in den Garten, die helfen können, eher unbeliebte Insekten wie Blattläuse in Schach zu halten.“

Nützlich ist ein solches Angebot vor allem für sogenannte solitäre – also einzeln lebende – Bienen und Wespen. Breitkreuz erklärt, dass die kleinen Gänge und Kammern sowohl als Kinderstube für die Eier und Larven als auch zur Anlegung von Vorratskammern für diese genutzt würden. Und: „Es gibt auch ein paar erwachsene Wildbienen, die in den Nisthilfen übernachten.“

Laut der Expertin sind die wichtigsten Voraussetzungen für ein Insektenhotel lediglich ein trockener, warmer und sonniger Standort und ein ausreichendes Nahrungsangebot. Bestenfalls ermöglicht man Wildbienen also Zugang zu heimischen Wildblumen, welche ihnen über einen möglichst langen Zeitraum Nektar zur Verfügung stellen. Eine Anbringung in mindestens einem Meter Höhe schützt die Besucher außerdem vor Fressfeinden.

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    Tipps für Bau und Kauf: Teuer ist nicht immer gut

    Ist die Entscheidung für eine Nisthilfe im heimischen Garten gefallen, kommt es auf die richtige Ausführung an. Laut Breitkreuz sollte man schon beim Kauf darauf achten, dass die angebotenen Nützlingshotels gut verarbeitet sind. „Die Nisthilfe sollte aus abgelagertem Hartholz sein, das nicht chemisch behandelt wurde. Die Bohrlöcher oder die Öffnungen der hohlen Stängel müssen sauber abgeschliffen sein, sodass keine Fransen abstehen, an denen sich die Tiere verletzen können.“

    Damit sich verschiedene Insektenarten wohlfühlen, sollte man auf vielfältige Varianten der Löcher setzen. Unterschiedliche Größen mit Durchmessern von drei bis zehn Millimetern seien optimal. „Zusätzlich kann man sie durch ein Gitter – beispielsweise Kaninchendraht – vor Fressfeinden wie Singvögeln schützen“, rät Breitkreuz. Der NABU rät zudem eindringlichst von wasserdampfundurchlässigen Materialien wie Glas ab: Die Nisthilfe wird damit durch Verpilzung häufig zur tödlichen Gefahr für die Bienen. 

    Möchte man selbst Hand anlegen, sollte man zudem beim Bohren nicht am Stirnholz, sondern ausschließlich seitlich ansetzen. So wird Rissen vorgebeugt, die den Tieren und ihren Larven durch das Eindringen von Pilzen oder Parasiten gefährlich werden könnten. Die Wände der Bohrlöcher sollten zudem so glatt wie möglich sein, und auch an der Größe der Abstände sollte nicht gespart werden.

    Instandhaltung mit Vorsicht

    Aufgrund der unterschiedlichen Aktivitätszeiten der verschiedenen Bewohner, ist bei einer gut gemeinten Instandhaltung oder Säuberung Vorsicht geboten. Laut NABU verbleiben die Larven, Puppen oder Vollinsekten bis zu einem Jahr in ihrem Nest. Bestenfalls lässt man die Nisthilfen also in Ruhe. „Es gibt nämlich auch solitäre Bienen und Wespen, die nur in bereits benutzten Gängen ihre Nester anlegen. Viele Arten überwintern als Larve oder Puppe in den Gangnisthilfen, daher sollten sie nicht gestört werden“, sagt Breitkreuz. 

    Lediglich bei der Bildung von Schimmel sollte nachgeholfen werden. Eine Reinigung oder ein nötiger Austausch der Gänge sollte dann allerdings erst im Frühsommer geschehen – wenn die überwinterten Tiere und Larven den Nistkasten bereits verlassen haben. 

    Welche Arten letztendlich Schutz im Unterschlupf suchen, könne man natürlich nicht bestimmen. Es kommt also durchaus vor, dass mit den Bauten auch nicht-heimische Arten gefördert werden. In Nisthilfen sind invasive oder gar gefährliche Arten jedoch kaum anzutreffen. Laura Breitkreuz spricht sich deshalb klar für die Insektenhotels aus. Wer in diesem Frühsommer also noch ein Gartenprojekt sucht, trifft mit einem Insektenhotel immer eine gute Wahl – für den heimischen Artenschutz und den Erhalt der Biodiversität.

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