Bestäuber in der Krise: Schmetterlinge verschwinden weltweit aus Städten

Dass der urbane Raum für Insekten ein schwieriges Pflaster ist, ist bekannt. Nun wurde zum ersten Mal untersucht, wie es global um die Bestäuber in der Stadt steht. Was Honigbienen mit der Misere zu tun haben.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 30. Juni 2023, 09:02 MESZ
Schmetterling und Biene vor roten Blüten im urbanen Raum.

Ein Bild, das immer seltener wird: Schmetterling und Biene auf Futtersuche im urbanen Umfeld.

Foto von Carmen Steiner / adobe Stock

Es ist ein so simpler wie essentieller Vorgang: die Bestäubung. Wenn Insekten auf der Suche nach Nektar Blüten anfliegen, befruchten sie die weiblichen Blütenorgane mit Pollen und stellen so sicher, dass sich Samen bilden. Laut einem Bericht des NABU sorgen sie auf diese Weise weltweit für die Vermehrung von etwa 88 Prozent aller Pflanzen. 91 der 107 weltweit am häufigsten angebauten Kulturpflanzen sind bei der sexuellen Fortpflanzung auf die Hilfe der Insekten angewiesen. Gäbe es keine Bestäuber mehr, würden die globalen Ernteerträge Schätzungen zufolge um bis zu 90 Prozent einbrechen.

Doch nicht nur für die Ernährungssicherheit sind bestäubende Insekten von immenser Bedeutung. Auch Städte brauchen eine gesunde Vegetation – nicht zuletzt, um in den immer heißer werdenden Sommern den urbanen Lebensraum zu kühlen. Doch gerade hier haben Insekten es schwer: Versiegelte Flächen, Licht- und Luftverschmutzung und eine geringe Pflanzenvielfalt sind alles andere als ideale Voraussetzungen für gesunde Populationen.

Globaler Blick auf urbane Bestäuberpopulationen

Ein Forschungsteam der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften hat nun untersucht, wie es um die fleißigen Insekten in den Städten steht.

„Es gibt eine Vielzahl von Studien, die das Zusammenspiel von Verstädterung, Bestäubern und der Bestäubungsleistung untersuchen und negative Folgen aufzeigen“, sagt Dr. Panagiotis Theodorou, Biologe an der MLU. Weil diese Arbeiten aber sehr aufwändig seien, wären bisherige Studien meist auf einzelne Städte oder Regionen begrenzt gewesen. Die neue Studie, die in der Zeitschrift Ecology Letters erschienen ist, hat das Thema nun erstmals auf globaler Ebene beleuchtet.

Für ihre Analyse werteten die Forschenden Daten aus 133 früheren Studien aus. So entstand ein Datensatz, der Informationen aus allen Kontinenten der Erde – mit Ausnahme der Antarktis – abbildet. Wie zu erwarten zeigte sich, dass die Häufigkeit und Artenvielfalt von Bestäubern mit steigender Urbanisierung abnimmt.

Wildbienen und Schmetterlinge gegen Honigbienen

Vor allem Schmetterlinge leiden unter der Entwicklung. „Für ihre Ernährung und Larvenentwicklung sind sie auf ganz bestimmte Pflanzen angewiesen“, sagt Huan Liang vom Botanischen Garten Wuhan der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. „Da diese in Städten immer weniger zu finden sind, ist auch der Bestand vieler Schmetterlingsarten rückläufig.“

Ebenfalls stark betroffen sind Wildbienen. Die Arten, die in Löchern oder Insektenhotels nisten, sind weniger stark als die, die ihre Niststellen im Boden haben. Aufgrund der weitreichenden städtischen Versiegelung finden sie oft keine geeigneten Brutstätten, sodass ihr Bestand merklich abgenommen hat.  

Trotz des empfindlichen Rückgangs an Bestäuberpopulationen konnte das Studienteam bei der Bestäubungsleistung keinen Einbruch feststellen: Auch im urbanen Raum wurden Pflanzen oft genug von Bestäubern besucht und konnten so genug Samen für eine ausreichende Verbreitung produzieren. Die Forschenden erklären diese Beobachtung damit, dass Honigbienen und Hummeln den Ausfall anderer Bestäuberarten ausgleichen. „Honigbienen sind sehr produktiv und werden vielerorts von Hobby-Imkern gehalten“, sagt Liang.

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    Was eine gute Nachricht für die Stadtpflanzen ist, könnte die prekäre Lage von Wildbienen, Schmetterlingen und anderen Bestäubern, deren Populationen schrumpfen, jedoch zusätzlich verschlimmern. Oft, so die Studie, käme es zu einer Verdrängung dieser Insekten durch die Honigbienen. Außerdem sei die Gefahr der Übertragung von Krankheiten, die die Bestände weiter dezimieren, groß.

    Was kann man also tun, um heimischen Bestäubern zu helfen? Den Studienautoren zufolge ist es vor allem wichtig, im Rahmen einer nachhaltigen Stadtentwicklung eine möglichst große Biodiversität zu fördern – zum Beispiel, indem für eine größere Blumenvielfalt gesorgt wird, die viele verschiedene Bestäuberspezies anzieht. „Wenn wir unsere Städte mit Blick auf das Angebot für Bestäuber besser gestalten, können wir zumindest einen Teil der negativen Folgen des Städtewachstums kompensieren", sagt Theodorou.

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