Umweltschutzpläne in Europa auf der Kippe

Eigentlich wollte Europa zurück zur Natur. Doch im Zuge der Europawahl droht das geplante Renaturierungsgesetz zu scheitern.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 28. Mai 2024, 13:27 MESZ
Alpenzauber: Der Hintersee im Nationalpark Berchtesgaden

Alpenzauber: Der Hintersee im Nationalpark Berchtesgaden

Foto von pwmotion / Adobe Stock

Es ist noch gar nicht so lange her, da sah es nach einer umweltfreundlicheren Zukunft in Europa aus. 2019 hatte die EU den Green New Deal beschlossen, der unter anderem Klimaneutralität bis 2050 vorsieht. Zwei Jahre später legte die EU mit dem europäischen Klimagesetz nach. Schließlich folgte das Renaturierungsgesetz, das die Wiederherstellung beschädigter Ökosysteme vorsieht. Die EU-Kommission schlug es 2022 vor, um einen ökologischen Kollaps zu verhindern. Über 80 Prozent der europäischen Lebensräume sind in einem schlechten Zustand. 

Als Teil des Green News Deals verpflichten sich die Mitgliedstaaten darin, Schäden an der europäischen Natur bis 2050 größtenteils zu beheben. Zentraler Bestandteil ist ein Stufenplan. Demnach müssen die EU-Länder bis 2030 mindestens 30 Prozent der geschädigten Ökosysteme im Wasser und an Land wiederherstellen, bis 2040 sind es 60 Prozent, bis 2050 sogar 90 Prozent. Insgesamt entspricht das 20 Prozent der Land- und Meeresflächen innerhalb der EU.

Um dieses Ziel zu erreichen, wollen die EU-Länder naturnahe Wälder schaffen, Moore wiedervernässen, Flüsse renaturieren und die geschädigten Lebensräume an den Küsten wiederherstellen. Auch Äcker und Städte sollen naturnaher werden, um damit das Insekten- und Vogelsterben aufzuhalten. 

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Renaturierungsgesetz vor dem Aus?

Insgesamt will die EU damit nicht nur einen Beitrag zur Bekämpfung von Klimakrise und Artensterben leisten. Es geht auch um die Ernährungssicherheit. Können wir also auf eine umweltfreundlichere, lebenswertere Zukunft hoffen? Noch vor wenigen Monaten sah es so aus. 

Auch Umweltverbände lobten die Pläne der EU. Der Geschäftsführer des Umweltdachverbandes Deutscher Naturschutzring, Florian Schöne, freute sich über ein „längst überfälliges Signal für den Schutz der biologischen Vielfalt und für die Umsetzung des Europäischen Green Deal“. Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger sprach von einem „historischen Moment für den Naturschutz“.

Doch vor der anstehenden Europawahl im Juni sind viele Naturschutzvorhaben plötzlich ins Wanken geraten. Nach den Bauernprotesten hat die EU wichtige Umweltauflagen für Agrarsubventionen und die Pestizidnutzung gekippt. Die konservative Europäische Volkspartei, stärkste Fraktion im EU-Parlament, will das bereits beschlossene Verbrenner-Aus wieder rückgängig machen. Und jetzt droht auch das europäische Renaturierungsgesetz zu scheitern.

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    Neue Chance für die Natur am 17. Juni

    Nachdem das Europäische Parlament dem Gesetz bereits zugestimmt hatte, schien eigentlich alles in trockenen Tüchern. Die finale Verabschiedung durch den Rat der Umweltminister galt als Formsache. Damit das Gesetz inkrafttreten kann, müssen 15 Mitgliedsstaaten zustimmen, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Doch weil Ungarn dem Vorhaben überraschend seine Zustimmung entzog, fehlt nun eine Mehrheit. Damit steht das Renaturierungsgesetz plötzlich vor dem Aus. 

    In einem Schreiben haben die Umweltminister von elf nationalen Regierungen, darunter Deutschland, ihre Amtskollegen Mitte Mai eindringlich dazu aufgefordert, das Gesetz bei der nächsten Tagung des Umweltrates am 17. Juni zu verabschieden. 

    Forschungseinrichtungen und Umweltverbände schlagen ebenfalls Alarm. In einem offenen Brief warnen mehr als 140 Organisationen: „Das Verhältnis unserer Gesellschaft zur Natur ist grundlegend gestört. Obwohl sich die Anzeichen für einen drohenden ökologischen Kollaps und die alarmierende Beschleunigung der Klimakrise mehren, blockieren die europäischen Regierungen und EU-Politiker derzeit neue Maßnahmen zum Schutz der Natur.“

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