Grüne Städte: Wenn die Natur zurückkehrt

Die biologische Vielfalt nimmt in Deutschland ab. Doch in manchen Städten entwickeln sich grüne Oasen, die Hoffnung machen auf eine naturnahe, lebenswerte Zukunft.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 23. Apr. 2024, 09:41 MESZ
Reine Utopie oder bald Realität? Vision einer grünen Metropole (Illustration, KI-generiert).

Reine Utopie oder bald Realität? Vision einer grünen Metropole (KI-generierte Darstellung).

Illustration mf-foto.de / Adobe Stock

Wer wissen will, wie es um die heimische Artenvielfalt steht, muss nur einen Blick auf die Roten Listen werfen: Jede dritte Säugetierart ist in ihrem Bestand bedroht. Etwa die Hälfte der Brutvögel wird als gefährdet eingestuft. Ähnlich schlecht geht es den Reptilien, Amphibien und Fischen. Ein Drittel aller Wildpflanzen steht auf der Roten Liste. 

Auch der Insektenrückgang ist alarmierend. Vor wenigen Jahren sorgte die Krefelder Studie für Aufsehen: Demzufolge ist die Biomasse von Fluginsekten allein zwischen 1989 und 2016 um 76 Prozent zurückgegangen. Weitere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen. 

Alles hängt mit allem zusammen. Das wusste schon der deutsche Forschungspionier Alexander von Humboldt (1769-1859). Bricht ein Teil auseinander, droht das ganze System zu kollabieren. 

Galerie: Was die Natur zurückerobert

Mehr Raum für Biodiversität

Naturschutzgebiete sollen bedrohten Arten helfen. Doch oft sind sie zu klein. Viele sind außerdem nicht miteinander verbunden. Für Tiere und Pflanzen sind das oft schier unüberwindbare Barrieren. Der genetische Austausch, überlebenswichtig für eine Art, findet dann kaum noch statt. Die biologische Vielfalt schwindet.

Die EU-Länder haben sich deshalb darauf geeinigt, Naturräume künftig konsequenter zu schützen. Bis 2030 sollen für 30 Prozent der Landes- und Meeresflächen verbindliche Schutzbestimmungen gelten und 10 Prozent als besonders strenge Naturschutzgebiete ausgewiesen werden. Doch reicht das, um das Artensterben zu stoppen?

Es gibt einen weiteren Hebel für mehr Natur: grüne Städte. Davon profitieren nicht nur Tiere und Pflanzen. Stadtnatur nutzt auch dem Menschen: Sie wertet das Stadtbild auf und steigert unser Wohlbefinden. Pflanzen produzieren Sauerstoff, speichern Wasser, binden Kohlendioxid, filtern Feinstaub, absorbieren Lärm und kühlen die Luft im Sommer. 

BELIEBT

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    Natur im Großstadtdschungel

    Die Politik scheint die Zeichen der Zeit erkannt zu haben: Der Bund fördert eine Reihe von Stadtnatur-Projekten im Programm Biologische Vielfalt und in der Initiative Chance Natur – Bundesförderung Naturschutz. „Besonders in Städten sind naturnahe Lebensräume, Bäume und Grünflächen unverzichtbar“, unterstreicht Umweltministerin Steffi Lemke. 

    Das erste urbane Naturschutzgroßprojekt in Deutschland ist bereits vor einigen Jahren in Hamburg angelaufen. Auf acht Prozent der Landesfläche will der Stadtstaat unter anderem Grünflächen und Parks naturnäher gestalten und die Naturschutzgebiete am Stadtrand miteinander vernetzen. 

    Mitten in München entwickeln sich naturnahe Gemeinschaftsgärten, in denen die Menschen ihr Wissen teilen. In sogenannten BioDivHubs wird geackert, gepflanzt und geforscht. Es entstehen Hecken und Grünflächen, insektenfreundliche Beete, begrünte Fassaden und vieles mehr. 

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    Nationalparkstädte als Perspektive für eine gemeinsame Zukunft in einer gesünderen Umwelt

    Das Ruhrgebiet blüht auf

    Auch Deutschlands größter Ballungsraum soll grüner werden. Lange bestimmten Kohle und Stahl das Leben im Ruhrgebiet. Nun hat der Regionalverband Ruhr ein Konzept vorgelegt, mit dem die grünste Industrieregion der Welt entstehen soll.

    Blühende Innenhöfe, schattenspendende Bäume, Dachgärten und Parkanlagen: Nach den Plänen der 53 Mitgliederkommunen wird sich künftig ein grünes Mosaik durch die Innenstädte ziehen. 

    Die umliegende Landschaft soll ebenfalls naturnaher werden. Geplant sind klimaangepasste Wälder, renaturierte Flüsse und miteinander vernetzte Biotope. Auch mehr Bus-, Bahn- und Fahrradverkehr soll es künftig geben.

    „Der ökologische Umbau ist die Voraussetzung für eine ökonomisch, ökologisch und sozial verträgliche Zukunft unseres industriell geprägten Ballungsraums“, sagt der Verbandsdirektor und frühere NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin. 

    Galerie: Wildtiere in der Großstadt 

    Kommunen für biologische Vielfalt

    Drei Beispiele, die zeigen: Es tut sich was in den Metropolregionen. Doch nicht nur große Städte und Ballungsräume wollen mehr Natur wagen. Gerade kleine Gemeinden können oft schon mit überschaubarem Aufwand ökologisch wertvolle Lebensräume schaffen.

    Im Bündnis Kommunen für biologische Vielfalt etwa haben sich aktuell 393 Städte, Gemeinden und Landkreise zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen sie artenreiche Naturräume auf kommunaler Ebene entwickeln.

    „Alle Studien belegen, dass Grün in unserem unmittelbaren Lebensumfeld die Lebensqualität und damit unser Wohlbefinden erhöht. Wenn wir dieses Grün zudem naturnah gestalten, profitieren davon zahlreiche Tier- und Pflanzenarten“, erklärt die Bündnisvorsitzende Waltraud Blarr.

    Blühende Wiesen im Hinterhof, Schmetterlinge, die über Häuserdächer flattern, grüne Hausfassaden, die den Großstadtdschungel mit sauberer Luft versorgen: All das muss keine Utopie sein.

    Themenmonat im April: our HOME auf National Geographic

    Wir haben nur eine Erde. Zeit, unser Zuhause wertzuschätzen und noch mehr zu schützen: Unter dem Motto our HOME stellt National Geographic zum Earth Month im April 2024 besondere Geschichten und Projekte aus Deutschland vor – rund um Naturschutz sowie kulturelles Erbe und biologische Vielfalt. Weitere spannende Einblicke gibt es hier.

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