Detox: Kann man Schadstoffe wirklich ausschwitzen?

Es gibt eine Menge guter Gründe für einen Saunagang. Entgiftung zählt nicht dazu.

Von Erika Engelhaupt
Veröffentlicht am 25. Apr. 2018, 06:00 MESZ

Schwitzen ist eine jener Körperfunktionen, die lange Zeit als Tabuthema galten. Vor allem für Damen ziemte sich das Schwitzen nicht - sie "leuchteten" im Sprachgebrauch stattdessen. Wenn man aktuelle Mode- und Lifestyle-Magazine durchblättert, sieht man jedoch, dass Schwitzen voll im Trend liegt. Von Infrarotsaunas bis zu Hot Yoga gelten schweißtreibende Aktivitäten nicht nur als entspannend, sondern auch als Möglichkeit, den Körper gesund zu halten und zu entgiften.

Zu schade also, dass man Schadstoffe in Wahrheit genauso wenig ausschwitzen kann wie Kugeln. Berechnungen untermauern, was Wissenschaftler schon seit Jahren predigen: Das Ausschwitzen von Schadstoffen ist ein Mythos.

Menschen schwitzen, um sich abzukühlen – nicht, um Stoffwechselabfallprodukte auszuschwitzen oder den Körper von schädlichen Stoffen zu befreien. Diese Aufgabe übernehmen die Leber und die Nieren. Natürlich findet man im Herzen jedes Mythos oft ein Körnchen Wahrheit, da bildet auch der toxische Schweiß keine Ausnahme. Obwohl Schweiß vorwiegend aus Wasser und Mineralien besteht, kann er auch Spuren diverser schädlicher Substanzen enthalten.

Erkenntnisse, die Anfang 2018 in „Environment International“ veröffentlicht wurden, zeigen allerdings, dass nur Kleinstmengen von Umweltgiften durch unsere Poren ausgeschwitzt werden.

„Man muss immer nach der Menge fragen“, sagt der Chemiker Joe Schwarcz. „Wenn man sich Schweiß ansieht, kann man darin viele Stoffe finden, aber das Vorhandensein einer Chemikalie lässt sich nicht mit dem Vorhandensein eines Risikos gleichsetzen.“

IST SCHWEISS GIFTIG?

Schwarcz leitet das Büro für Wissenschaft und Gesellschaft an der McGill University, das wissenschaftliche Mythen entlarvt. Ihm zufolge ertrinkt das Büro förmlich in Fragen zu medizinischen Betrugsmaschen und Quacksalberei – darunter auch viele Behauptungen über „Detoxing“.

Aber welche Mengen giftiger Substanzen befinden sich nun im Schweiß?

Die meisten Giftstoffe seien in so geringem Maße vorhanden, dass sie im Grunde bedeutungslos sind, sagt Pascal Imbeault, der die neue Studie geleitet hat. Imbeault ist ein Sportphysiologe an der kanadischen Universität von Ottawa, wo er Giftstoffe untersucht, die in Körperfett gespeichert werden. Zu diesen langlebigen organischen Schadstoffen zählen unter anderem Pestizide, Flammschutzmittel und die mittlerweile verbotenen polychlorierten Biphenyle, die aber immer noch in der Umwelt vorhanden sind.

BELIEBT

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    Das sind die Chemikalien, an die die meisten Menschen denken, wenn es um Schadstoffe in unserer Nahrung und unserer Umwelt geht. 

    Da diese Chemikalien von Fett angezogen werden, lösen sie sich nicht gut in Schweiß, der größtenteils aus Wasser besteht.

    Imbeault und seine Kollegen fanden heraus, dass ein typischer Mensch, der ein intensives 45-minütiges Workout absolviert, am Tag höchstens zwei Liter ausschwitzen kann, die ganz normale tägliche Transpiration eingeschlossen. All dieser Schweiß würde weniger als ein Zehntel eines Nanogramms an diesen Schadstoffen enthalten.

    Um das zu relativieren: „Die Menge im Schweiß entspricht 0,02 Prozent dessen, was man am Tag typischerweise über die Nahrung aufnimmt“, so Imbeault. Wenn man sein Training wirklich ins Extrem treibt, könnte man darüber bis zu 0,04 Prozent der Schadstoffe ausschwitzen, die man täglich zu sich nimmt.

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    Das bedeutet, dass man unmöglich genug schwitzen kann, um auch nur ein Prozent dessen loszuwerden, was sich in den täglichen Mahlzeiten verbirgt.

    Dabei sollte man bedenken, dass die Konzentration von Pestiziden und anderen Schadstoffen im Körper der meisten Menschen ohnehin schon sehr gering ist. Es spricht eher für die hoch entwickelte Technik und das Können analytischer Chemiker, dass man Stoffe in Konzentrationen von einem Billionstel (oder parts per trillion) nachweisen kann, sagt Schwarcz. Das bedeute aber nicht, dass diese Konzentrationen einem schaden oder dass es gesundheitliche Auswirkungen hat, wenn man sie minimal reduziert.

    ZWEIFELHAFTE SCHWITZKUR

    Aber zurück zum Körnchen Wahrheit: Kleine Mengen Schwermetalle und Bisphenol A (BPA) aus Kunststoffen finden durchaus ihren Weg in den Schweiß, da sich diese Schadstoffe einfach in Wasser lösen. Allerdings gibt es effektivere Methoden zur Schwermetallentgiftung, beispielsweise eine Chelat-Therapie. Außerdem sondert man mehr BPA über den Urin ab als über den Schweiß. Am besten vermeidet man es einfach gleich, aus Behältern mit BPA zu essen oder zu trinken.

    Natürlich hat keines dieser Argumente verhindert, dass die Schwitzkur-Detox-Industrie fröhlich vor sich hin wächst. Infrarotsaunas sind dabei der letzte Schrei. Anstatt Dampf oder Heizkörpern dienen Infrarotstrahlen als Wärmequelle. Als eine Journalistin des „Atlantic“ sich die Entgiftungsversprechen dieser Saunas näher ansah, wurde schnell klar, dass sie auf keinerlei wissenschaftlichen Erkenntnissen basierten.

    Dennoch preisen Spa- und Saunabetreiber ihre Detox-Qualitäten an. Einige Feuerwachen in Texas und Indiana haben sogar Infrarot-Saunas angeschafft, weil die Feuerwehrleute zur Krebsprävention darin die Schadstoffe ausschwitzen sollen, denen sie durch den Rauch ausgesetzt sind. Obwohl Saunas zweifelsfrei entspannend sind und auch viele andere Vorteile haben, wurde ihre krebsvorbeugende Wirkung bisher nicht wissenschaftlich bewiesen.

    Wenn man es übertreibt, können Schwitztherapien sogar tödlich enden.

    Eine 35 Jahre alte Frau aus Quebec starb nach einer Detox-Spa-Behandlung, bei der sie mit Schlamm eingerieben und in Plastikfolie eingewickelt wurde. Zusätzlich wurde ihr ein Pappkarton über den Kopf gestülpt. So lag sie dann stundenlang unter Decken und schwitzte. Einige Stunden nach der Behandlung starb sie an extremer Überhitzung.

    „Es die alte Leier, eine einfache Lösung für ein komplexes Problem anbieten zu wollen“, sagt Schwarcz. „Hoffnung ist etwas Kostbares, aber manche Leute missbrauchen sie, um Leuten, die dafür anfällig sind, verrücktes Zeug anzudrehen.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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