Essen für 10 Milliarden: Wie können wir unbrauchbares Land nutzen?

Ein Hamburger Royal TS besteht aus Fleisch, Weizen und Gemüse – wobei Fleisch mit Abstand den Hauptanteil ausmacht. Die USA haben beim Fleisch mit durchschnittlich 322 Gramm pro Tag den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch weltweit.

Von Jon Heggie
Veröffentlicht am 9. Apr. 2019, 16:24 MESZ
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Wir haben nur eine Erde zur Verfügung. Sie besteht zu 71% aus Wasser, die restlichen 29% Prozent sind Landmasse, wovon jedoch große Teile durch Wüsten, Berge, Seen und Permafrost unbewohnbar sind. Zur landwirtschaftlichen Nutzung dienen etwas mehr als 50 Millionen Quadratkilometer, doch nicht überall können Nahrungsmittel angebaut werden. Die Weltbevölkerung steuert mit riesigen Schritten auf 9,7 Milliarden zu und dafür müssen Landwirte unseren Lebensmittelnachschub in den kommenden 30 Jahren verdoppeln. Früher bedeutete eine gesteigerte Produktion einfach, dass man mehr Wald für Anbauflächen rodete, aber inzwischen kennen wir die katastrophalen Auswirkungen, die die Abholzung auf den Planeten hat. 

Im 20. Jahrhundert stiegen die Erträge im Zuge der Industrialisierung durch neue Technologien, doch heute wissen wir, dass einige davon die Böden negativ beeinflussen. Hinzu kommen die zusätzlichen Herausforderungen durch den Klimawandel, durch den sich die möglichen Anbauflächen verkleinern und verändern. Bis zum Jahr 2050 könnten sich die landwirtschaftlichen Nutzfläche halbieren und jedes Mal, wenn die Temperatur um ein Grad Celsius steigt, könnte der Weizenertrag um 6%, der Reisertrag um 3% und der Maisertrag um 7% sinken. Um die Nahrungsmittelproduktion zu steigern und die Welt auch in Zukunft mit Essen zu versorgen, müssen wir neue Wege finden, um auf kärgeren Böden unter härteren klimatischen Bedingungen Landwirtschaft zu betreiben – und das auf nachhaltige Weise.

Milliarden  von Hektar an Ackerland mussten aufgrund von Bodenerosion aufgegeben werden. Nun könnten jedoch neue Initiativen zum Wiederaufbau rund 160 Millionen Hektar Ackerland zurückbringen. Darauf könnten bis zum Jahr 2050 zusätzlich 9,5 Milliarden Tonnen Lebensmittel angebaut werden. Eine der ältesten und einfachsten Methoden, um ausgelaugte Böden wieder nutzbar zu machen, ist die Brache. Das ist ein langwieriger Prozess, der jedoch durch stetige Pflege und die Wiederansiedlung heimischer Gras-, Strauch- und Baumarten unterstützt werden kann. In Teilen des Sudans werden Landwirten kostenlos Setzlinge zur Verfügung gestellt, die sie einpflanzen, bevor sie ein Feld brach liegen lassen. Die Landwirte sorgen für ihre Pflege und lassen später Tiere in ihrem Schatten grasen, deren Dung dem Boden zusätzliche Nährstoffe zuführt. Ähnlich funktionieren Hülsenfrüchte wie Sojabohnen, in deren Wurzelnodien Bakterien enthalten sind, die Stickstoff aus der Atmosphäre im Boden binden. Als Zwischenfrucht angebaut stellen Hülsenfrüchte nicht nur die Fruchtbarkeit des Bodens wieder her, sie schützen ihn auch vor Erosion durch Wind und Wasser, vor Unkraut und Austrocknung – all das trägt zur Wiederherstellung des Bodens bei. 

Verschmutzung wird zunehmend zum Problem; allein China kategorisiert 19% seiner Agrarflächen als belastet. Allerdings können einige Verunreinigungen ohne Chemikalien entfernt werden. Gute Belüftung und mit Mikroorganismen versehener Kompost können langfristig effektiv wirken. Außerdem reduzieren genmodifizierte Organismen und einige Pflanzenarten die Giftstoffbelastung; Weidenbüsche entziehen dem Boden beispielsweise effektiv das Schwermetall Cadmium. Solche Prozesse sind zeitaufwendig und teuer, doch in Mali und Mauretanien haben sie bereits Ödland in produktive Anbauflächen verwandelt. In sehr trockenen Gegenden ist die Versalzung der Böden ein Problem, das das Wachstum der Pflanzen hemmt. Das Land kann jedoch durch spezielle Drainage-Systeme, das Auswaschen mit Wasser oder sogar durch den Anbau von Rutenhirse oder Zwerg-Queller wieder nutzbar gemacht werden, da diese Pflanzen auf salzigem Untergrund prächtig gedeihen. 

Jedes Jahr verwandelt sich eine Fläche von der Hälfte Großbritanniens in Wüste, doch gerade werden neue Methoden entwickelt, um auch in diesen lebensfeindlichen Gegenden Landwirtschaft zu betreiben. Das „Sahara-Forest-Project“ nutzt beispielsweise Solarenergie, um Brackwasser zur Bewässerung zu entsalzen und salzwassergekühlte Gewächshäuser zu betreiben, in denen ganzjährig Gemüse angebaut werden kann. Das entsalzte Wasser wird dann genutzt, um die umliegenden Gegenden zu rekultivieren. Eine andere innovative Idee mischt Sand mit Nano-Partikeln aus Ton, um die Wüste innerhalb von ein paar Stunden in fruchtbares Ackerland zu verwandeln – auch wenn das für die meisten unerschwinglich bleiben dürfte. Besser umsetzbar ist die Anpflanzung von Bäumen in trockenen Regionen. Diese spenden Schatten, unterstützen die Bodenstruktur und unterstützen die Regenspeicherung, durch die die trockene Erde mit Feuchtigkeit versorgt wird. Im Nahen Osten  werden Baumreihen als Schutzstreifen eingesetzt, die nicht nur vor Wüstenbildung schützen, sondern auch die Windgeschwindigkeiten senken, das Mikroklima stärken und die Anbauerträge um bis zu 50% steigern. 

Wiederaufbautechniken wie Agroforstwirtschaft und Wasserspeicher werden oft miteinander kombiniert. Manchmal passiert das sogar in großem Stil wie bei der Großen Grünen Mauer der Sahara- und Sahel-Initiative. Diese haucht verödeten und erodierten Böden in mehr als 20 trockenen Ländern rund um die Sahara neues Leben ein. In der dürregeplagte Republik Niger wurden inzwischen durch ein Regenerationsprogramm (FMNR) 280 Millionen neue Bäume auf sieben Millionen Hektar Agrarland gepflanzt, was die Wüstenbildung verlangsamt, die Bodenqualität verbessert und die jährlichen Getreideerträge steigert. FMNR hat sich als so erfolgreich erwiesen, dass es sich schnell in ganz Afrika und nach Asien verbreitet.

Steigende Temperaturen sind normalerweise ein Problem, doch in Kanada sorgen sie aktuell dafür, dass Millionen Hektar kalten Bodens landwirtschaftlich nutzbar werden. In den weiten Steppen von Zentralkanada könnte das Tauwetter die landwirtschaftlichen Anbauflächen um mehr als 25% vergrößern – eine Region von der Größe Belgiens zwischen Ontario und Québec wird so als Agrarfläche frei. Andernorts bieten Gewächshäuser eine Möglichkeit, Temperatur, Feuchtigkeit und andere Faktoren zu regulieren, sowohl in kalten als auch in heißen Klimazonen. In Indien reduzieren lange Dürren, Hitzewellen und unberechenbare Regenfälle die Erträge um bis zu 13%. Einige Landwirte nutzen daher Gewächshäuser aus atmungsaktiven, aluminiumbeschichteten Stoffnetzen. Diese schützen die Feldfrüchte nicht nur vor sintflutartigen Regenfällen, sie reflektieren auch das Sonnenlicht, um die Temperatur im Inneren zu senken. Ausgestattet mit hocheffizienter Tröpfchenbewässerung bringen diese Gewächshäuser fünf- bis achtmal so viel Ertrag wie die umliegenden Felder. 

Eine weitere innovative Idee ist die Nutzung des reichlich vorhandenen Meerwassers des Planeten, um aride Landstriche zu bewässern. Bis vor kurzem war die Entsalzung mit rund 3 US-Dollar (ca. 2,65 Euro) pro Kubikmeter zu teuer und benötigte zu viel Energie, um großflächige Bewässerung zu betreiben. Doch es gibt neue Technologien wie die der Umgekehr-Osmose, bei der Salzpartikel durch dünne Membranen aufgehalten werden. Diese Entsalzungsmethode wird bereits mit Erfolg in Israel angewendet. Dort hat sich die Nutzung von entsalztem Meerwasser von 32% auf 80% erhöht, was einem Ertrag von 600 Millionen Kubikmetern Süßwasser pro Jahr entspricht – von denen etwa 20% landwirtschaftlich genutzt werden. 

Die Menschheit baut schon lange nur bestimmte Pflanzenzüchtungen an, um deren Produktivität zu steigern und Feldfrüchte zu erhalten, die unter widrigeren Umständen und auf kargeren Böden gedeihen. Nun gibt es die Möglichkeit, Erde komplett aus der landwirtschaftlichen Formel zu streichen: In Hydrokulturen wachsen Pflanzen in Nährlösungen. Das eliminiert nicht nur das Problem der Bodenqualität und des Klimas, sondern hat auch den Vorteil, dass Hydrokulturen überall aufgebaut werden können und mehr als fünfzigmal so viel Ertrag wie traditionelle Anbaumethoden liefern. In großem Maßstab betrieben könnten Hydrokulturen auf lange Sicht in der Zukunft die Nahrungsmittelsicherheit für knapp 10 Milliarden Menschen darstellen und dabei nicht nutzbares Land nutzbar machen.

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Dieser Inhalt wurde von unserem Partner bereitgestellt. Er spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung von National Geographic oder seinen Redaktionsmitarbeitern wider.

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