Dieses ungewöhnliche Hai-Fossil ist das erste seiner Art
Mehrere Schädel und ein fast vollständiges Skelett erlaubten einen seltenen Blick auf einen Hai, der vor 360 Millionen Jahren lebte.
Haizähne gehören auf der ganzen Welt zu den meistgefundenen Fossilien, doch das Knorpelskelett ihrer Besitzer ist nur selten erhalten geblieben. Daher tappt die Wissenschaft nach wie vor im Dunkeln, wie die frühen Haie ausgesehen haben können, obwohl sie einst in großer Zahl die Meere bevölkerten.
Umso erstaunter waren die Paläontologen, als sie bei ihrer Arbeit im Antiatlas in Marokko auf mehrere Schädel und das fast vollständige Skelett von zwei Phoebodus-Arten stießen. Diese primitive Haigattung war bisher nur durch ihre dreihöckrigen Zähne bekannt.
Die Fossilien wurden in der Woche vom 30. September im Wissenschaftsmagazin Proceedings of the Royal Society B beschrieben und legen nahe, dass Phoebodus einen aal-förmigen Körper mit einem langgezogenen Maul besaß. Damit sah er dem Kragenhai wohl recht ähnlich, der heute noch die Tiefsee durchstreift.
Die beiden Tierarten sind zwar nur entfernt verwandt, doch die Zähne von Phoebodus und dem Kragenhai sehen sich ebenfalls ziemlich ähnlich. Das lässt darauf schließen, dass sich auch ihre Ernährungsgewohnheiten glichen.
„Viele modernen Haie haben gezackte Zähne, die es ihnen erlauben, ihre Beute in Einzelteile zu zerlegen, um die Stücke dann herunterzuschlucken“, sagt Co-Autor der Studie Christian Klug von der Universität Zürich. Im Gegensatz dazu sind die kegelförmigen, nach innen gebogenen Zähne von Phoebodus und dem Kragenhai nur dazu geeignet, ein Beutetier festzuhalten und es dann im Ganzen abzuschlucken.
Seitenbisse
Die versteinerten Phoebodus-Überreste wurden in einer Schicht gefunden, die etwa 360 bis 370 Millionen Jahre alt ist und zu dieser Zeit ein flaches Meerwasserbecken war. Als die Haie hier starben, schuf die begrenzte Wasserzirkulation und der niedrige Sauerstoffgehalt ein Milieu, in dem ihre Körper größtenteils von Bakterien, Aasfressern und Strömungen verschont – und für die Nachwelt erhalten blieben.
Die daraus entstandenen Fossilien wurden mit der Zeit und durch Sedimente beschädigt, doch Klug und sein Team konnten einige der Stücke, die sie in den marokkanischen Bergen gefunden haben, einem CT-Scan unterziehen. Das ermöglichte ihnen ein noch besseres Bild davon, wie diese primitiven Haie im späten Devon aussahen.
„Solche Studien erbringen eine enorme Menge an Daten“, meint John Maisey, ein Paläontologe am American Museum of Natural History, der nicht an der Studie beteiligt war. „Wir erleben gerade eine Renaissance der Anatomie.“
Die Scans enthüllten einige auffällige Ähnlichkeiten zum Kragenhai, nicht nur der Körperform, sondern auch der Zähne. Das gibt einige Hinweise darauf, wie die prähistorischen Raubtiere gejagt haben könnten.
„Der Kragenhai ist ein spezialisierter Räuber, der blitzschnell nach vorne stoßen und so seine Beute packen kann“, erklärt David Eber, ein Experte für moderne Haie am Pacific Shark Research Center, der den Kragenhai schon seit Jahrzehnten erforscht. „Die nach innen gebogenen Zähne sorgen dafür, dass die Beute nur in eine Richtung kann: direkt in den Schlund. Vielleicht war es bei Phoebodus ähnlich.“
Es gibt jedoch noch viele offene Fragen über das Fressverhalten des Kragenhais, da dieser nur selten beobachtet werden kann. Daher zogen die Wissenschaftler, zum besseren Verständnis der Jagdgewohnheiten von Phoebodus, eine weitere, nicht verwandte Tierart heran, deren Schädel, Kiefer und Zähne erstaunliche Ähnlichkeit mit denen des Ur-Hais auweisen: den Alligatorhecht. Wie Phoebodus besitzt dieser große Süßwasserfisch ein langgezogenes Maul und einen flachen Schädel, was ihm nur begrenzte Beißkraft erlaubt. Allerdings bringt so eine Kopfform auch Vorteile mit sich, sagt Justin Lemberg von der University of Chicago, der das Fressverhalten des Hechts erforscht hat.
„Sie jagen im offenen Gewässer, wo sie genau wissen, aus welcher Richtung ihre nächste Mahlzeit kommt. Und flache Schädel und ein langes Maul eignen sich bestens dafür, seitlich nach Beutetieren zu schnappen.“
Die Physik des Fressens
Auf den ersten Blick erscheint es ungewöhnlich, die Jagdmechanismen von zwei so unterschiedlichen Arten wie Haien und Hechten miteinander zu vergleichen, doch solche Untersuchungen dienen den Paläontologen oft bei der Rekonstruktion des Verhaltens ausgestorbener Tiere, erläutert Lemberg.
„Wenn ein bestimmter Aufbau oder eine Strategie erfolgreich ist, taucht sie oft wieder und wieder auf – sowohl in heute noch lebenden Tieren als auch bei Fossilien“, sagt er. „Es hat sich viel verändert, seit Phoebodus durch die Ozean des Devon geschwommen ist, aber die Physik des Fressens im Wasser ist gleich geblieben.“
Nichtsdestotrotz starb Phoebodus im frühen Karbon aus, Millionen von Jahren bevor einige seiner Merkmale sich wieder in modernen Haien manifestierten. Könnten also immer noch Exemplare dieser prähistorischen Gattung irgendwo in der Tiefsee lauern wie der scheue Kragenhai?
„Das glaube ich nicht“, meint Ebert. „Ich habe mein ganzes Berufsleben damit verbracht, neue Tierarten zu suchen, aber so etwas ist mir nie begegnet.“
Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.
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