Langzeitfolgen von Mobbing treten bei Tätern und Opfern auf

Mobbingopfer können als Erwachsene an Depression und Angststörungen leiden, während die Täter womöglich weniger chronischen Stress haben.

Von Sarah Zielinski
Veröffentlicht am 10. Okt. 2019, 09:07 MESZ
In diesem Foto aus den 1940ern machen sich drei Jungen über die Kleidung eines vierten Jungen ...
In diesem Foto aus den 1940ern machen sich drei Jungen über die Kleidung eines vierten Jungen lustig.
Foto von Popperfoto, Getty

Mobbing in der Kindheit kann sich ein Leben lang auswirken – sowohl beim Opfer als auch beim Täter.

Gerade junge Erwachsene, die in ihrer Kindheit gemobbt wurden, müssen oft langfristig mit den negativen Konsequenzen dieser Handlungen kämpfen. Laut einer Studie der Duke University, die in „Proceedings of the National Academy of Sciences” erschien, könnten die Täter wiederum einen gesundheitlichen Vorteil aus ihrem Verhalten ziehen – zumindest in einem bestimmten Bereich.

Der Bericht fußt auf Erkenntnissen einer Verlaufsstudie, der Great Smoky Mountains Study. Diese begann 1993 und begleitete 1.420 Kinder aus dem Westen des US-Bundesstaats North Carolina. Die Forscher interviewten die Teilnehmer insgesamt bis zu neunmal zu unterschiedlichen Zeitpunkten. In der ersten Phase waren sie zwischen 9 und 16 Jahren alt, in der zweiten zwischen 19 und 21. Die Studie wurde von William Copeland geleitet, einem Professor für Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften am Duke University Medical Center in Durham, North Carolina.

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Frühere Berichte – darunter auch einige aus der Great Smoky Mountains-Studie – zeigten, dass junge Erwachsene infolge von Mobbing langfristige psychische Probleme entwickeln können. Dazu zählen Angststörungen, Panikstörungen und Depression.
Dies ist allerdings der erste Hinweis darauf, dass Mobbing oder Bullying für den Täter eine Art psychologische Schutzfunktion haben kann. Diese Erkenntnis entging den Forschern zuvor, weil sie laut Copeland zwei Arten von Bullys gemeinsam betrachtet hatten: jene, die mitunter auch selbst Mobbingopfer wurden (die bezeichnet er als Mobber-Opfer), und die reinen Bullys.

Die „Mobber-Opfer", „haben langfristig die schwerwiegendsten emotionalen Probleme und die schlechteste Gesundheit“, schrieben Copeland und seine Co-Autoren. Als sie diese Gruppe für ihre neue Studie aus der Analyse strichen, wurde offensichtlich, dass die reinen Bullys „einen Nutzen aus ihrem Mobbing anderer Menschen ziehen, ohne dafür selbst Nachteile zu erleiden. Außerdem können sie sowohl körperlich als auch emotional gesünder als ihre gleichaltrigen Mitmenschen sein“, schrieben die Forscher.

Gesundheitlicher Schutzeffekt?

Für ihre Studie maßen sie den Spiegel des C-reaktiven Proteins (CRP) im Blut der Teilnehmer. Diese Eiweißkörper sind Biomarker für chronische Entzündungen, die im Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und dem Metabolischen Syndrom stehen. Der entsprechende Proteinspiegel wurde zu mehreren Zeitpunkten während der Kindheit, Jugend und im frühen Erwachsenenalter gemessen. CRP ist ein körperliches Anzeichen für Stress und „ein Vorbote für künftige Gesundheitsprobleme“, sagte Copeland.

Der CPR-Spiegel stieg bei allen Testpersonen mit zunehmendem Alter an. Die Mobbingopfer zeigten den höchsten Anstieg, während die ehemaligen Bullys den niedrigsten aufwiesen. Die Mobber-Opfer fielen in den Bereich dazwischen, in dem auch ungefähr jene Teilnehmer lagen, die während ihrer Kindheit weder als Täter noch als Opfer mit Mobbing zu tun hatten.

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    “Das scheint eine Art schützenden Effekt für die Bullys zu haben, vielleicht aufgrund ihres sozialen Status oder ihres Erfolgs, der damit einhergeht, ein guter Bully zu sein“, sagte Copeland. Dieses Muster blieb auch dann noch bestehen, als die Forscher den Body-Mass-Index der Personen, ihren Drogenkonsum, ihren generellen Gesundheitszustand und andere eventuelle Traumata berücksichtigten.

    Catherine Bradshaw, die Vizedirektorin des Zentrums für die Prävention von Jugendgewalt der Johns Hopkins University in Baltimore, warnte davor, zu viel in die niedrigeren CRP-Werte der Bullys hineinzulesen. Diese müssten nicht zwingend einen gesundheitlichen Vorteil darstellen. Stattdessen könnten sie einfach auf eine biologische Eigenheit der Bullys hindeuten. Ähnliche Besonderheiten konnten bereits bei Kindern und Erwachsenen nachgewiesen werden, die bestimmte aggressive Verhaltensmuster zeigen.

    Selbst wenn die Ergebnisse der Duke-Studie ein Beweis dafür sind, dass aktives Mobbing für manche Menschen zumindest in dieser Hinsicht ein Vorteil sein könnte, sollte dieser Umstand nicht als eine Lizenz zum Mobbing verstanden werden, sagte sie.

    Es gebe „gut dokumentierte Studien, sowohl Kurz- als auch Langzeitstudien, die zeigen, dass Kinder, die am Mobbing beteiligt sind, andere negative Konsequenzen erleiden“, sagte Bradshaw. Beispielsweise würden Kinder, die andere mobben, mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Gangmitgliedern und Waffenbesitzern und schwänzen häufiger die Schule.

    Copeland fügte außerdem an, dass der höhere soziale Status der Bullys, der eventuell für ihren verringerten CRP-Spiegel verantwortlich ist, auch auf moralisch akzeptable Weise erreicht werden kann und sollte – vielleicht durch Sport oder andere Freizeitaktivitäten.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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