Coronavirus: Von der Epidemie zur Pandemie

Gesundheitsbehörden haben die Coronavirus-Erkrankung COVID-19 zur Pandemie erklärt. Was ändert sich dadurch?

Von Amy McKeever
Veröffentlicht am 2. März 2020, 15:51 MEZ
Eine Frau mit einer Maske läuft am 26. Februar 2020 über einen Markt in Seoul, Südkorea, ...
Eine Frau mit einer Maske läuft am 26. Februar 2020 über einen Markt in Seoul, Südkorea, während im Hintergrund Angestellte einer Reinigungsfirma Oberflächen desinfizieren.
Foto von Kim Hong-Ji, Reuters

Es ist offiziell: Die WHO erklärte die Ausbreitung von COVID-19 – der offizielle Name der Krankheit, die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöst wird – zur Pandemie. Am 11. März erklärte der Generaldirektor der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, er sei besorgt über den rapiden Verlauf der Ausbreitung.

Mittlerweile gibt es mehr als 118.000 bestätigte Fälle in mehr als 110 Ländern. Die Krankheit forderte über 4.200 Todesopfer und ließ die weltweiten Aktienmärkte im Chaos versinken.

„Wir rechnen damit, dass die Zahl der Erkrankten, der betroffenen Länder und der Todesfälle in den kommenden Tagen und Wochen noch steigen wird“, sagte Ghebreyesus in seiner Mitteilung. „Die WHO verfolgt den Ausbruch rund um die Uhr und wir sind sehr besorgt ob der alarmierenden Geschwindigkeit der Ausbreitung, der Schwere und dem erschreckenden Maß an Tatenlosigkeit.“

Die Ankündigung erfolgte nach wochenlangen Diskussionen darüber, dass die Epidemie bereits pandemische Ausmaße erreicht hatte – auch wenn öffentliche Behörden den Begriff noch vermieden.

So what exactly is a pandemic—and what happens when a major public health agency, like the WHO, declares one? While calling this global health crisis a pandemic might not change the facts on the ground, it can stoke public fears and propel a shift in strategy toward mitigating harm.

Was genau ist eine Pandemie – und was geschieht, wenn eine große Organisation wie die WHO eine solche offiziell zur Tatsache erklärt? Der Begriff selbst kann an den Fakten zwar nichts ändern, aber er kann bei falscher Verwendung unnötig Ängste schüren.

Was ist eine Pandemie?

Globale Gesundheitskrisen wachsen zumeist in Phasen. Die Ereigniskette beginnt mit einem Ausbruch – ein plötzlicher Anstieg bestätigter Fälle, die sich auf eine geografisch kleine Region beschränken. Im Falle des neuen Coronavirus war das die chinesische Stadt Wuhan. Wenn sich die Krankheit auch über diese Gemeinde hinaus verbreitet, wird sie zu einer Epidemie.

Laut ihrer klassischen Definition sind Pandemien Epidemien, die internationale Grenzen passieren und weltweit eine große Zahl von Menschen betreffen.

„Die Geografie ist ausschlaggebend“, erklärt Lauren Sauer, eine Professorin für Notfallmedizin und die Einsatzleiterin des Johns Hopkins Büros für Krisenvorbereitung und –reaktion. „Es geht nicht um die Schwere oder die Anzahl der Fälle. Nur darum, ob wir eine globale Ausbreitung sehen.“

BELIEBT

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    “Wenn jemand nach China reist, sich dort mit dem Coronavirus ansteckt und anschließend in sein Heimatland zurückfliegt, zählt er nicht zur Pandemiestatistik – ebenso wenig wie alle Personen, die er infiziert.”

    Allerdings gilt nicht jede Epidemie, die sich über regionale Grenzen hinaus verbreitet, gleich als Pandemie. Die saisonale Grippe ist beispielsweise weltweit verbreitet. Aber durch ihren saisonalen Charakter unterscheidet sie sich von einer echten Grippepandemie, die sich unabhängig von den Jahreszeiten global verbreiten kann.

    Damit eine Pandemie erklärt werden kann, wird auch berücksichtigt, wer sich wo infiziert hat. Wenn jemand nach China reist, sich dort mit dem Coronavirus ansteckt und anschließend in sein Heimatland zurückfliegt, zählt er nicht zur Pandemiestatistik – ebenso wenig wie alle Personen, die er infiziert. Sauer zufolge entstanden diese Beschränkungen infolge der H1N1-Pandemie von 2009. Damals schien es durch die weltweiten Flugverbindungen so, als würde sich die Krankheit schneller ausbreiten, als es tatsächlich der Fall war.

    Stattdessen achten Gesundheitsbehörden darauf, wie sich COVID-19 lokal ausbreitet. In dieser Phase beginnt sich das Virus über die chinesischen Landesgrenzen hinaus zu verbreiten – allerdings über Menschen, die aus der betroffenen Region kommen (und eben nicht erst kürzlich dorthin gereist sind). Zu Beginn einer Epidemie lassen sich die meisten dieser Fälle auf Reisende aus der ursprünglichen Ausbruchsregion zurückverfolgen, in diesem Fall also Reisende aus China. Je weiter sich der Virus verbreitet, desto schwieriger wird es, die Ansteckungskette nachzuvollziehen. Irgendwann kann sich das Virus unerkannt verbreiten, was eine Eindämmung enorm erschwert.

    Einige Gesundheitsexperten argumentieren deshalb, dass das neue Coronavirus bereits einen Pandemiestatus erreicht hat: Es gibt bestätigte Fälle auf sechs Kontinenten, darunter mehr als 2.300 in Südkorea und mehr als 650 in Italien.


    Warum also bezeichnete die WHO die aktuelle Epidemie so lange nicht als Pandemie? „Im Grunde geht es um Semantik“, sagt Sauer. „Aber Semantik ist wichtig, wenn man die Öffentlichkeit über diese Probleme informiert.“

    Pandemie oder nicht – welchen Unterschied macht das?

    Worte haben Macht. Auch deshalb warnte der WHO-Generaldirektor Ghebreyesus auf einer Pressekonferenz am 26. Februar davor, den Begriff der Pandemie voreilig zu nutzen.

    „Es bringt keinen konkreten Nutzen, den Begriff Pandemie sorglos zu verwenden. Aber es birgt beträchtliche Risiken, weil es völlig unberechtigte Ängste und Stigmata unnötig verstärkt und die Systeme paralysiert“, sagte er.

    Lawrence Goston erinnert sich noch daran, was das letzte Mal geschah, als die WHO eine Pandemie erklärte. Der Professor der Georgetown University ist der Direktor des Collaborating Center on National and Global Health Law der WHO.

    Als die Weltgesundheitsorganisation 2009 H1N1 zur Pandemie erklärte, verfielen Menschen auf der ganzen Welt in Panik. Die WHO wurde später dafür kritisiert, eine solche Alarmstimmung verbreitet zu haben, obwohl sich das Virus als nicht besonders tödlich herausstellte. Mittlerweile kehrt H1N1 jedes Jahr saisonal zurück und gehört zu den Viren, gegen die zur Grippesaison geimpft wird.

    „Der Umstand, dass sich das zu einer Pandemie entwickeln könnte, ist definitiv von Belang, weil [COVID-19] tödlicher als die Grippe ist“, sagt Gostin. „Aber das ist etwas, das wir so lange wie möglich hinauszögern wollen, bis wir einen Impfstoff dagegen haben. Das sollte wahrscheinlich in 12 bis 18 Monaten der Fall sein.“

    Rechtlich gesehen spielt es aber keine Rolle, ob die WHO das Ganze als Pandemie bezeichnet oder nicht.

    Gostin – der betont, dass die WHO Pandemien auch nicht wirklich „erklärt“ – zufolge hat die Organisation bereits etwas viel Wichtigeres ausgerufen: einen Internationalen Gesundheitsnotstand. Diese Erklärung ermöglicht es der WHO juristisch, Empfehlungen dafür auszusprechen, wie Mitgliedsstaaten auf eine Epidemie reagieren sollten. Außerdem werden durch diese Bezeichnungen Fördermittel und politische Unterstützung mobilisiert.

    Was geschieht nun, da COVID-19 eine Pandemie ist?

    Auch wenn „Pandemie“ nur eine Bezeichnung ohne juristische Bedeutung ist, hat sie doch ihren Wert. Eine Pandemie bedeutet, dass die Behörden sich nicht mehr in der Lage sehen, die Ausbreitung des Virus zu stoppen. Daher müssen andere Strategien verfolgt werden, um die Verbreitung einzudämmen – beispielsweise durch das Schließen von Schulen und die Absage von Events, bei denen viele Menschen aufeinanderträfen.

    Genau deshalb sind einige Gesundheitsexperten der Meinung, dass die WHO offiziell den Begriff der Pandemie nutzen sollte, sagt Sauer. Je eher die Gesundheitsbehörden und Ersthelfer zu Eingrenzungsmaßnahmen übergingen, desto besser.

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    Gerade solche Maßnahmen wie die Schließung von Schulen würden Gesundheitsorganisationen aber nicht leichtfertig empfehlen, merkt Gostin an. Immerhin beeinträchtigen sie das Leben der Familien und Gemeinden enorm, ebenso wie die Wirtschaft.

    „Kinder müssen trotzdem unterrichtet werden und ihre Eltern müssen weiterhin in der Lage sein, zur Arbeit zu gehen. Und die Menschen wollen auch mal rausgehen und sich amüsieren“, so Gostin. „Das ist also nichts, das wir einfach so empfehlen würden. Nur, wenn es absolut notwendig wäre.“

    Abgesehen davon können Einzelpersonen natürlich eigene Maßnahmen ergreifen und sich regelmäßig die Hände waschen, ihren Mund beim Husten und Niesen bedecken und Oberflächen putzen. Am allerwichtigsten ist aber: nicht in Panik verfallen.

    Ghebreyesus merkt zwar an, dass es bisher noch nie eine Pandemie gegeben hat, die kontrollierbar war – drängt betroffene Länder aber weiterhin dazu, Maßnahmen zu ergreifen, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verlangsamen.

    „Wir können das gar nicht laut genug oder oft genug sagen“, sagte er. „Alle Länder können den Verlauf dieser Pandemie nach wie vor beeinflussen.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

    Am 13.03. wurde der Artikel aktualisiert, nachdem die WHO COVID-19 zur Pandemie erklärt hatte. Ursprünglich wurde er am 02.03. veröffentlicht.

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