Winzige Tyrannen: So klein begann das Leben der Tyrannosaurier

Erstmals konnten Forscher embryonale Fossilien der gewaltigen Tiere identifizieren. Diese waren nach dem Schlüpfen mitunter nicht größer als ein Chihuahua.

Von Riley Black
Veröffentlicht am 21. Okt. 2020, 13:18 MESZ
Illustration eines jungen Tyrannosaurus rex

Eine Illustration zeigt, wie frisch geschlüpfte Exemplare von Tyrannosaurus rex ausgesehen haben könnten. Die neu beschriebenen embryonalen Fossilien stammen aber nicht von T. rex, sondern von einer früheren Art verwandter Tyrannosaurier, die noch nicht identifiziert werden konnte.

Foto von Julius Csotonyi

Erstmals haben Forscher Fossilien eines Tyrannosaurus-Babys identifiziert. Es zeigt sich: Eines der größten Raubtiere, die je über die Erde wandelten, begann sein Leben mit der Größe eines Chihuahuas – mit einem sehr langen Schwanz.

Die Fossilien – eine Fußkralle und ein Unterkiefer – stammen von Tyrannosauriern, die sich noch im Embryonalstadium befanden und damit noch sicher verwahrt in ihrem Ei ruhten. Beide wurden an verschiedenen Fossilienfundstellen im westlichen Nordamerika entdeckt und stammen aus der Zeit vor etwa 71 bis 75 Millionen Jahren. Damals hatten sich die Tyrannosaurier gerade zu den Spitzenräubern ihrer Ökosysteme aufgeschwungen.

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Die winzige Kralle wurde 2018 an einer Fundstelle in der Horseshoe Canyon Formation in Alberta entdeckt. Der Kiefer hingegen stammt aus der Two Medicine Formation in Montana und wurde schon 1983 ausgegraben. Die Fossilien wurden Mitte Oktober vom Paläontologen Gregory Funston von der University of Edinburgh auf der virtuellen Jahrestagung der Society of Vertebrate Paleontology beschrieben.

Die Bedeutung der Knochen war nicht sofort bei ihrer Entdeckung klar. Während seines Studiums in Alberta befasste sich Funston näher mit der Identität der Zehenkralle. Zu jener Zeit zeigte ihm sein Berater Philip Currie auch das in Stein gehüllte Kieferfragment, das zu filigran war, um es aus dem Fels zu entfernen. „Ich war nicht davon überzeugt, dass es überhaupt ein Tyrannosaurus war“, sagt Funston. Aber nach einem 3D-Scan und einer Rekonstruktion, die den Kiefer in allen Einzelheiten zeigte, änderte Funston seine Meinung.

BELIEBT

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    Eine 3D-Rekonstruktion des embryonalen Tyrannosaurus-Kiefers am unteren Bildrand im Vergleich zu Kieferknochen anderer bekannter Tyrannosaurier. Das unterste Bild zeigt den Kiefer im Vergleich zu den anderen Bildern zehnfach vergrößert. Sie kleine schwarze Silhouette macht deutlich, wie klein das Exemplar im Vergleich zu den größeren Kiefern ist.

    Foto von Gregory Funston, 2020

    Der Paläontologe Evan Johnson-Ransom von der Oklahoma State University, der nicht an der Forschung beteiligt war, stimmt zu, dass die Knochen sich von denen anderer Dinosaurier unterscheiden lassen. Vor allem der Kiefer ähnelt sehr stark dem bekannter Tyrannosaurier.

    „Da wussten wir, dass wir die Chance hatten, eine Menge über Baby-Tyrannosaurier zu lernen, die bis dahin ein echtes Mysterium waren“, sagt Funston. Der größte Teil der Tyrannosaurier-Fossilien besteht aus erwachsenen oder halbwüchsigen Tieren. Paläontologen haben spekulative Rekonstruktionen von frisch geschlüpften Tyrannosauriern angestellt, aber niemand wusste wirklich, wie sie aussahen. Die Kralle und der Kiefer erlaubten es den Experten schließlich, den Fossilienbestand mit ihren Mutmaßungen abzugleichen.

    Mini-Tyrannen

    Die neuen Fossilien zeigen, dass neugeborene Tyrannosaurier im Vergleich zu den Erwachsenen winzig klein waren – nur etwa ein Zehntel so lang wie erwachsene Tyrannosaurier. Im Gegensatz dazu ist ein neugeborener Afrikanischer Elefant etwa ein Viertel so groß wie seine ausgewachsenen Artgenossen. Der Kiefer stammte von einem Tyrannosaurier, der etwa 70 Zentimeter lang war, und die Zehenkralle gehörte zu einem circa ein Meter langen Tier.

    Für unsere Verhältnisse mag ein ein Meter langes Baby ziemlich groß klingen. Aber die Mini-Tyrannen hätten neben ihren knapp zehn Meter langen und drei Tonnen schweren Eltern recht winzig ausgesehen. Der Kiefer verfügt über winzige Zähne, die mit dem übereinstimmen, was Experten als „Zähne der nullten Generation“ bezeichnen. Es sind die allerersten Zähnchen, die durch einen voll funktionsfähigen Satz scharfer Beißer ersetzt wurden, wenn die Tiere größer wurden.

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    Mit ihren kleinen, klingenartigen Zähnen und kleinen Kiefern fraßen die frisch geschlüpften Tyrannosaurier wahrscheinlich Insekten und Eidechsen. Das Beuteschema passte sich mit zunehmendem Wachstum an. Einige Exemplare von T. rex deuten beispielsweise darauf hin, dass diese Fleischfresser bereits mit 11 Jahren Jagd auf kleine Dinosaurier machten. Mit 22 Jahren konnten sie die Knochen großer Pflanzenfresser und sogar anderer Tyrannosaurier durchbeißen.

    „Die embryonalen Tyrannosaurier geben uns eine Vorstellung von der Größe eines Jungtiers, aber auch von der Größe der Eier“, sagt Johnson-Ransom. Bisher konnte noch niemand Eier oder frisch geschlüpfte Exemplare von Tyrannosauriern eindeutig identifizieren. Aber die Größe der neu bestimmten Fossilien passt zu den großen, länglichen Eiern, die Paläontologen zuvor gefunden hatten. Aufgrund der Größe der Embryonen vermuten Forscher, dass die Tyrannosaurier in knapp 45 Zentimeter langen Eiern heranwuchsen.

    Die Suche nach winzigen Fossilien

    Die neuen Fossilien geben den Forschern einige Anhaltspunkte, um nach weiteren embryonalen und frisch geschlüpften Tyrannosauriern zu suchen. Bis dato hatten Paläontologen gerätselt, warum sie noch keine jungen Tyrannosaurier gefunden hatten. Es war nicht klar, ob T.-rex-Mütter einfach an anderen Orten nisteten oder ob etwas anderes die Hinweise auf ihren Nachwuchs verbarg. Immerhin hatten Paläontologen sowohl Eier als auch Babys von anderen Arten wie etwa von Hadrosauriern entdeckt.

    „Wir haben beide Fossilien an Orten gefunden, an denen wir auch embryonale Knochen anderer Dinosaurierarten gefunden haben. Das ist ein guter Hinweis darauf, dass Tyrannosaurier in denselben Gebieten nisteten“, sagt Funston.

    Paläontologen sammeln bei einer Grabung oft mehr Exemplare ein, als sie zu diesem Zeitpunkt im Detail studieren können. Daher könnten sich möglicherweise noch weitere Fossilien von embryonalen Tyrannosauriern in Museumssammlungen verstecken. „Hoffentlich helfen diese neuen Knochen, die Suche nach weiteren Fossilien zu verbessern“, sagt Funston, der mit seinem Team auch bekannte Fundorte auf weiteres Material hin untersuchen will.

    „Wir haben an diesen Fundstellen bisher kaum an der Oberfläche gekratzt“, fügt er hinzu, „und wir finden jedes Jahr mehr.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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