Nach dem Dino-Sterben: Vulkane sorgten für lebensfreundliches Klima
Prähistorischer Plottwist: Vulkane könnten nach Jahren verheerender Kälte und Dunkelheit, die auf den Asteroideneinschlag folgten, den Planeten wieder erwärmt haben.
Am Ende der Kreidezeit vor 66 Millionen Jahren kam es zu einem gigantischen Asteroideneinschlag bei Chicxulub vor der Küste Mexikos. Infolgedessen verdunkelte sich der Himmel, weltweit fielen die Temperaturen und alle nicht flugfähigen Dinosaurier starben aus.
Am letzten Tag der Kreidezeit krachte ein zwölf Kilometer breiter Asteroid auf die mexikanische Halbinsel Yucatán und veränderte den Lauf des Lebens auf der Erde. 66 Millionen Jahre später haben Wissenschaftler mit Hilfe von Supercomputern in noch nie dagewesener Detailtreue die Verwüstungen nachgestellt, die dieser berüchtigte Einschlag angerichtet hat. Die Modelle helfen dabei, das Rätsel darüber zu lösen, was genau den Dinosauriern – mit Ausnahme der Vögel – zum Verhängnis wurde. Außerdem liefern sie neue Erkenntnisse darüber, wie das Leben auf der Erde auf plötzliche Umweltveränderungen reagiert.
Wissenschaftler wussten bereits, dass das außerirdische Objekt einen etwa 190 Kilometer breiten Krater in die Erdkruste sprengte. Es schlug genau an der richtigen Stelle ein – und genau im richtigen Winkel –, um riesige Mengen von kühlenden Aerosolen und Ruß in die obere Atmosphäre zu schleudern. Der Himmel verdunkelte sich, während gewaltige Tsunamis über die Meere rauschten, und im Umkreis von Hunderten von Kilometern wüteten Waldbrände. Innerhalb weniger Jahre fielen die Temperaturen um mehr als 26 °C und stürzten die Welt in eine lang anhaltende Kälteperiode, den sogenannten Impaktwinter. Wissenschaftler glauben, dass dieser Temperatursturz mehr als drei Viertel des Lebens auf der Erde ausgelöscht hat.
Das Ereignis sei wie „Dantes Inferno auf Erden“ gewesen, sagt Alfio Alessandro Chiarenza, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter am University College London. Er ist der Leiter einer neuen Studie, die in „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlicht wurde.
Etwa zur gleichen Zeit, als der Chicxulub-Asteroid einschlug, brach ein gewaltiger Vulkankomplex im heutigen Südindien aus. Dabei traten mehr als 200.000 Kubikkilometer Lava aus und Massen klimaverändernder Gase wurden in den Himmel gespien. Während sich die meisten Wissenschaftler darin einig sind, dass der Asteroid der Auslöser des Massensterbens war, fragen sich die Forscher seit Langem, ob dieses Vulkangebiet – der Dekkan-Trapp – zu den verheerenden Folgen für das irdische Leben beitrugen.
In der neuen Studie verwenden Chiarenza und seine Kollegen Modelle, um das prähistorische Klima der Erde zu simulieren. Dabei passten sie die Variablen verschiedenen apokalyptischen Szenarien an. Die Simulationen zeigen, dass der Asteroid den Planeten für alle Dinosaurier bis auf Vögel unbewohnbar machte. Ein weiteres Ergebnis ist auf den ersten Blick vielleicht nicht ganz so eingängig: Die Vulkane des Dekkan-Trapps könnten die Erde danach tatsächlich lebensfreundlicher gemacht haben.
„Ich würde sagen, das ist ein Sargnagel [für die Hypothese, dass] der Dekkan-Trapp das Massensterben vorangetrieben hat“, sagt die Paläontologin Anjali Goswami. Die Forschungsleiterin am Natural History Museum in London war nicht an der Studie beteiligt.
Prähistorischer Weltuntergang
Das Massenaussterben an der Kreide-Paläogen-Grenze spielte sich mit bemerkenswerter Geschwindigkeit ab. Extreme Kälte, andauernde Dunkelheit, Waldbrände, Tsunamis, unerträgliche Hitze im Einschlagsgebiet und schließlich saurer Regen richteten Chaos auf dem Planeten an. Die plötzliche Zerstörung des Massenaussterbens bietet den heutigen Wissenschaftlern die Gelegenheit, zu untersuchen, wie das Leben auf schnelle, extreme Belastungen reagieren kann.
„Das vermittelt uns eine Vorstellung davon, was Organismen tun, wenn ihnen jemand den Boden unter den Füßen wegreißt“, sagt der Paläontologe Pincelli Hull von der Yale University, ein Experte für das Aussterben der Dinosaurier.
Um wirklich zu verstehen, wie das Massenaussterben der Dinosaurier abgelaufen ist, müssen sich die Wissenschaftler jedoch darüber einig sein, was genau die Ursache dafür war.
Im letzten Jahrzehnt haben Geologen bestätigt, dass der Dekkan-Trapp in mehreren Wellen über 700.000 Jahre hinweg ausgebrochen ist – ein Zeitraum, der sich mit dem Chicxulub-Einschlag überschneidet. Da die Vulkane während des Massenaussterbens ausbrachen, stand die Frage im Raum, ob sie einen Beitrag zur Auslöschung der reichhaltigen Tierwelt geleistet haben. Zwei der fünf größten Massenaussterben der Erdgeschichte wurden durch die starke Erwärmung verursacht, die auf den Anstieg vulkanischen Kohlendioxids zurückging. Unter ihnen ist auch das verheerendste von allen: Das Perm-Trias-Massenaussterben vor 252 Millionen Jahren, ausgelöst durch uralte Eruptionen im heutigen Sibirien, löschte 96 Prozent des Lebens im Meer und etwa drei von vier Arten an Land aus.
Der Dekkan-Trapp könnten das Leben vor 66 Millionen Jahren auf zwei wesentliche Arten beeinflusst haben. Kurz- und mittelfristig hätte das von den Vulkanen freigesetzte Schwefeldioxid den Planeten abkühlen und sauren Regen fördern können, wodurch die Meere und größere chemische Kreisläufe gestört worden wären. Auf lange Sicht hätte die riesige Menge an CO2, die bei den Eruptionen freigesetzt wurde, zu einer stetigen Erwärmung führen und die globalen Ökosysteme belasten können.
Zwei im letzten Jahr veröffentlichte Untersuchungen versuchten, die Ausbruchswelle des Dekkan-Trapps zu datieren. Allerdings liegen ihre Ergebnisse Zehntausende von Jahren auseinander. Das frühere Ergebnis verortet den größten Ausbruch vor dem Asteroideneinschlag, als er das Massensterben hätte beeinflussen können. Das andere Ergebnis datiert ihn auf kurze Zeit danach, als die Vulkane schon keinen Beitrag zum Massensterben mehr geleistet hätten.
Galerie: Faszinierende Fossilien: Zeitreise mit Dinosauriern in 23 Bildern
Um die Katastrophenszenarien zu testen erstellten Chiarenza und sein Kollege Alexander Farnsworth, ein Klimatologe an der Universität von Bristol, Computermodelle des Erdklimas vor 66 Millionen Jahren. Sie simulierten 14 verschiedene Szenarien, die entweder mit dem Asteroideneinschlag, dem Dekkan-Trapp oder beiden Faktoren simultan arbeiteten. Die Simulationen gingen von CO2-Werten zwischen 560 und 1.680 ppm aus – viermal so viel wie heute. Die Wissenschaftler dämpften auch das virtuelle Sonnenlicht um 5 bis 20 Prozent gegenüber den Werten vor dem Einschlag.
In einigen der Simulationen modellierten Chiarenza und Farnsworth auch die kurzfristigen Kühleffekte des Chicxulub-Einschlags, indem sie hundertmal mehr Asche und Aerosole modellierten als bei der Eruption des Mount Pinatubo, die 1991 die Philippinen erschütterte. Um nachzuvollziehen, wie sich die Katastrophen auf die Dinosaurier auswirkten, nutzte Chiarenza ein weiteres Computermodell. Mit dessen Hilfe kartografierte er die wahrscheinlichsten Lebensräume der ausgestorbenen Tiere auf Basis prähistorischer Klimadaten und den Fundorten von Dinosaurierfossilien.
Alle Modelle zeigten, dass der Dekkan-Trapp das Aussterben der Dinosaurier nicht verursacht haben kann. Die von den Vulkanen verursachte langfristige Erwärmung hätte die Dinosaurier nicht ausgerottet. Wenn überhaupt, dann hat sie die Landfläche vergrößert, auf denen sie passenden Lebensraum finden konnten. Selbst das extremste Verdunkelungsszenario des Dekkan-Trapps hätte die ökologische Nische der Dinosaurier nicht zerstört, wie die neue Studie zeigt.
Die Szenarien der Asteroideneinschläge waren hingegen entsetzlich. In einigen fielen die durchschnittlichen Temperaturen an Land von über 20°C auf deutlich unter Null. Die Niederschläge gingen um 85 bis 95 Prozent zurück. Als der virtuelle Chicxulub-Einschlag das Sonnenlicht um 15 Prozent oder mehr dimmte, war kein Lebensraum der Welt mehr für nicht flugfähige Dinosaurier geeignet.
Mit Blick auf die neuen Daten „wird recht deutlich, warum einige Arten ausgestorben sind“, sagt Goswami. „Eigentlich ist es erstaunlich, dass nicht einfach alles ausgelöscht wurde.“
Das Leben findet einen Weg
Die Modelle des Forschungsteams offenbarten auch etwas Unerwartetes: Der Dekkan-Trapp könnte tatsächlich dazu beigetragen haben, dass sich das Leben wieder erholte, da die CO2-Emissionen der Vulkane die Auswirkungen des strengen Winters abschwächten.
„Das ist eine tolle Wendung“, sagt Hull. „Ich glaube, niemand hat damit gerechnet, dass Vulkanismus die Folgen des Einschlags mildert. Das ist wirklich überraschend.“
Aktuelle Arbeiten deuten darauf hin, dass es im Dekkan-Trapp wahrscheinlich über Hunderttausende von Jahren immer wieder zu Ausbrüchen kam. Es hat also vermutlich keinen einzelnen, großen Ausbruch gegeben, der den globalen Ökosystemen einen verheerenden Schlag versetzte. Im November 2019 stellte eine Gruppe unter der Leitung von Hull fest, dass die Ozeane der Erde in den Zehntausenden von Jahren nach Chicxulub rasch versauerten – wahrscheinlich aufgrund des sauren Regens nach dem Einschlag. Aber die pH-Werte der Ozeane waren in den etwa 100.000 Jahren vor dem Einschlag stabil, selbst als der Dekkan-Trapp bereits ausbrach.
In einer Folgestudie zeigte Hull, dass die globalen Temperaturen in den 300.000 Jahren vor dem Einschlag allmählich um etwa 2 °C anstiegen und wieder fielen. Das deutet auf steigende und fallende CO2-Werte hin, die aber nicht so extrem waren, dass es die Dinosaurier gefährdet hätte.
Auch weit entfernt von den indischen Lavaströmen gibt es Anzeichen dafür, dass der Dekkan-Trapp das Wiederaufblühen des Lebens begünstigt hat. Im Oktober 2019 präsentierte eine Gruppe unter der Leitung des Paläontologen Tyler Lyson von Denver Museum of Nature and Science mehrere Stätten in den Rocky Mountains, die die Flora und Fauna Nordamerikas nach dem Asteroideneinschlag offenbarten. Lysons Team fand heraus, dass die Ökosysteme in den ersten 100.000 Jahren nach dem Einschlag nicht besonders viel Leben enthielten. Doch danach blühte die Vielfalt der Säugetiere und Pflanzen in Wellen auf, die mit milden Erwärmungsperioden korrelieren. Diese wiederum gingen mit den CO2-Schüben einher, die aus dem Dekkan-Trapp stammen könnten.
Die jüngsten Studien, so Lyson, hätten eine fesselnde Idee geboren: „Dekkan als der Schöpfer, nicht Dekkan der Zerstörer.“
Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.
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