Falscher Alarm: Warum Gewitterwarnungen oft nicht stimmen
Der eigene Keller läuft voller Wasser, aber im Nachbarort fällt nicht mal ein Tröpfchen Regen. Laut Deutschem Wetterdient ist es nahezu unmöglich, solche Unwetterszenarien genau vorherzusagen. Wieso eigentlich?
Gewitter über Dresden: Wo und wann genau ein Unwetter niedergeht, können Meteorologen kaum verlässlich prognostizieren.
In diesen Sekunden wüten weltweit etwa 2.000 Gewitter. Vor allem im Sommer rumort es am Himmel. Wenn feuchtwarme Luft aufsteigt, können gewaltige Wolken entstehen, die sich kilometerhoch auftürmen – bis sie sich schließlich in einem Gewitter entladen. Hierzulande gibt es je nach Region zwischen 20 und 35 Gewittertage im Jahr. Dabei blitzt und donnert es in Süd- und Südwestdeutschland häufiger als im Norden. Berge begünstigen Gewitter, weil sie die warme Luft nach oben leiten. In Meeresnähe gibt es dagegen weniger Gewitter, weil das Wasser die unteren Luftschichten kühlt.
Mit immer ausgefeilteren Methoden wollen Meteorologen möglichst frühzeitig herausfinden, wo genau sich ein Unwetter zusammenbraut. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) setzt dabei unter anderem auf leistungsstarke Großrechner, so genannte Supercomputer. Tatsächlich sind die allgemeinen Wetterprognosen oft über mehrere Tage hinweg erstaunlich genau. Bei lokalen Gewitterwarnungen liegt der DWD allerdings manchmal ziemlich daneben. Wer kennt das nicht: Da wird ein heftiges Unwetter in unmittelbarer Nähe angekündigt. Doch dann die Überraschung: Nur ein paar harmlose Wölkchen am Himmel.
Kann der DWD das nicht besser? Wo war denn jetzt das angekündigte Gewitter? Tatsächlich wird die Bundesbehörde nach eigenen Worten immer wieder mit solchen Fragen konfrontiert. Und die Antwort klingt ernüchternd: „Das Problem an der ganzen Sache ist, dass eine Prognose, wann und wo Gewitter exakt auftreten, im Prinzip nicht möglich ist“, sagt Tobias Reinartz aus der Vorhersage- und Beratungszentrale des DWD in Offenbach.
Viele Gewitter fallen durchs Raster
Grob gesagt spannen computerbasierte Wettermodelle ein Gitternetz über die Erde. Jedes Gitter hat eine bestimmte Maschenweite. Jede Masche bildet eine bestimmte Region ab. Je enger die Maschen, desto präziser die lokale Wettervorhersage. Das kostenlos nutzbare GFS-Modell der US-Wetterbehörde hat beispielsweise eine Maschenweite von 28 Kilometern. Dieses Modell geht also davon aus, dass die Wetterlage im Umkreis von 28 Kilometern grundsätzlich identisch ist. Viele Standard-Apps auf Smartphones verwenden dieses vergleichsweise grobauflösende Modell.
Für seine regionalen Prognosen nutzt der DWD dagegen das Wettermodell ICON-D2. Es hat eine Maschenweite von nur 2,2 Kilometern und kann deshalb auch Wetterphänomene auf lokaler Ebene abbilden. Doch auch diesem hochauflösenden Wettermodell gehen Gewitter oft buchstäblich durch die Maschen. Der Grund: Gewitter sind sehr kleinräumige Wetterphänomene. Bei ihrer Entstehung hätten sie meist nur einen Durchmesser von wenigen hundert Metern, erklärt Reinartz.
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Wenn der Superrechner kollabiert
Warum erhöht man dann nicht einfach die Auflösung der Wettermodelle auf beispielsweise 100 Meter und knüpft damit ein engmaschigeres Netz? Was auf den ersten Blick einfach klingt, erweist sich in der Praxis offenbar als schwieriges Unterfangen. Reinartz: „Aufgrund des deutlich höheren Rechenaufwands würde dann wohl sogar unser Superrechner die weiße Fahne schwenken.“
Aber nicht nur die enorme Rechenleistung steht präziseren Wetterprognosen im Weg. Viele weitere Faktoren beeinflussen die Wettervorhersage, darunter Messungenauigkeiten der Wetterstationen oder eine zu geringe Messdichte.
Reinartz: „Mit diesen Einschränkungen Gewitter auf den Punkt genau vorhersagen zu können, würde veranschaulicht gesagt bedeuten, dass man in einem Topf mit aufkochendem Wasser auf den Millimeter und die Sekunde exakt prognostizieren kann, wo und wann sich das erste Luftbläschen am Topfboden bildet und aufsteigt. Ein unmögliches Unterfangen.“