Lässt Hitze unsere Gehirne schrumpfen?
Es wird immer heißer auf der Welt. Die steigenden Temperaturen haben laut einer neuen Studie nicht nur Einfluss auf die Umwelt, sondern auch auf die menschliche Evolution.
Die deutschen Sommer werden immer heißer: Bei Spitzentemperaturen von über 30 Grad Celsius fällt das Denken zunehmend schwerer, mit jedem Grad mehr scheint die Konzentration zu schwinden. Dass der Klimawandel nicht nur Auswirkungen auf die Jahreszeiten und das Wetter hat, sondern sich auch auf unser Denkvermögen auswirkt, fand nun ein Forschungsteam aus den USA heraus. Die Erderwärmung hat nämlich auch evolutionäre Folgen für die Menschheit – vor allem für unser Gehirn.
Laut der neuen Studie des Natural History Museum in Kalifornien passt sich die menschliche Gehirngröße an sich verändernde Umweltbedingungen an. Das Ergebnis der Forschung, die in der Zeitschrift Brain, Behavior and Evolution erschien, ist erstaunlich wie schockierend: Durch den Klimawandel könnten wir in Zukunft an Gehirnmasse verlieren.
Schwankendes Gehirnvolumen
Um zu verstehen, wie sich das menschliche Gehirn über die Zeit entwickelt hat, muss man viele Jahre in der Evolution zurückgehen: Vor etwa zwei Millionen Jahren begann das menschliche Gehirn rasant zu wachsen. Verschiedene Faktoren begünstigten damals den Zuwachs an Gehirnmasse, der den modernen Homo sapiens in der Evolution hervorbrachte – neben neuen Essgewohnheiten zählten dazu auch Umweltfaktoren wie veränderte Temperaturen. Dabei gab es über die Jahrtausende hinweg durchaus Schwankungen in der Gehirngröße, je nach vorherrschenden klimatischen Bedingungen.
Um herauszufinden, wie genau diverse Temperaturschwankungen die menschliche Gehirnmasse im Laufe der Zeit beeinflusst haben, verglich das Forschungsteam aus den USA Daten aus vorherigen Studien miteinander. Dazu nutzten die Forschenden Messungen des Gehirnvolumens von 298 Hominiden, die in den letzten 50.000 Jahren gelebt haben, sowie Daten zu Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Niederschlägen aus demselben Zeitraum und setzten sie miteinander in Relation.
Je heißer, desto kleiner das Gehirn
Das Ergebnis der Studie ist eindeutig: Nachdem die letzte Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren zu Ende ging, begann das menschliche Gehirn aufgrund der steigenden Temperaturen zu schrumpfen. Rund 10,7 Prozent weniger Gehirnmasse besaßen die Individuen der anschließenden Wärmeperiode im Gegensatz zu ihren Vorfahren, die während der Eiszeit lebten. Die menschlichen Gehirne scheinen sich also an die globalen Temperaturschwankungen angepasst zu haben: Bei Wärme ist die Gehirnmasse geringer, bei Kälte deutlich größer.
Auch bei der Luftfeuchtigkeit und den Niederschlägen konnten die Forschenden Anpassungsreaktionen feststellen: So vergrößerte sich die Gehirnmasse bei Trockenheit und verringerte sich bei häufigen Niederschlägen. Während die Anpassung an die Wärmeperioden allerdings Tausende von Jahren in Anspruch nahm, traten die Veränderungen des Gehirnvolumens durch Trockenheits- oder Niederschlagsereignisse sehr schnell ein – über wenige Generationen, innerhalb von Jahrzehnten.
Schrumpfen unsere Gehirne durch den Klimawandel?
„Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Größe des menschlichen Gehirns eine Anpassungsreaktion auf den Klimawandel darstellt“, erläutert das Team in der Studie. Da die Temperaturen laut dem Deutschen Wetterdienst auch in den kommenden Jahren konstant ansteigen und extreme Niederschläge zunehmen werden, könnte mit unseren Gehirnen zukünftig das gleiche passieren wie bereits in vergangenen Wärmeperioden: Sie könnten an Volumen einbüßen – wodurch sich unser Denkvermögen verringern könnte.