Ein Nasenspray gegen Einsamkeit

Wer sich einsam fühlt, leidet später mit großer Wahrscheinlichkeit unter gesundheitlichen Folgen – von Depressionen bis Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Deutsche Forschende haben nun ein Mittel untersucht, das helfen könnte: ein Nasenspray mit Oxytocin.

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 17. Juni 2024, 09:07 MESZ
Junge Frau sitzt auf einem Bett und schaut gedankenverloren aus dem Fenster.

Die Einsamkeit unter jungen Menschen hat seit der Corona-Pandemie deutlich zugenommen. Neben Personen über 75 Jahren sind junge Erwachsene besonders von Einsamkeitsgefühlen betroffen. Ein Nasenspray könnte schon bald Abhilfe schaffen.

Foto von DimaBerlin / Adobe Stock

Ältere Personen ab 75 Jahren und jüngere Menschen zwischen 18 und 29 Jahren sind in Deutschland am häufigsten von Einsamkeit betroffen – das zeigen die Ergebnisse des neuen Einsamkeitsbarometers des Kompetenznetzes Einsamkeit (KNE). Das Projekt setzt sich unter anderem mit den Ursachen und Folgen der Einsamkeit in Deutschland auseinander. 

Was die Analyse ebenfalls zeigt: Wer sich einsam fühlt, wird über kurz oder lang wahrscheinlich mit negativen physischen und psychischen Gesundheitsfolgen zu kämpfen haben – von Demenz bis Depressionen. Das Problem: Vor allem bei chronischer Einsamkeit mangelt es bisher an effektiven Interventionsmaßnahmen. Das wollen Forschende der Universitäten Oldenburg, Bochum, Freiburg und Haifa, Israel, nun ändern. Mithilfe eines Oxytocin-Nasensprays soll man künftig Einsamkeitsgefühle und deren mögliche Folgen abmildern können. 

Gruppentherapie und Oxytocin

Das Ziel des Forschungsteams war es, herauszufinden, ob Oxytocin die Wirksamkeit einer Gruppentherapie gegen Einsamkeit stärken kann. Das sogenannte „Kuschelhormon“ kann unter anderem Stress reduzieren und Anspannungen lösen. 

Eine Rothirschkuh im Dickicht.

Für ihre Studie, die in der Zeitschrift Psychotherapy and Psychosomatics erschien, akquirierten die Forschenden 78 Studienteilnehmer*innen, die sich einsam fühlten – unter ihnen 56 Frauen und 22 Männer –, und begannen mit ihnen eine fünfwöchige Gruppentherapie. Also eine Gesprächstherapie, in der sich die Teilnehmer*innen in Kleingruppen austauschen und die von einem*r Psychotherapeut*in geleitet wird. Zusätzlich verabreichten sie der Hälfte der Proband*innen ein Nasenspray mit Oxytocin. Die andere Hälfte, die sogenannte Kontrollgruppe, erhielt stattdessen ein Placebo-Präparat. 

Um bewerten zu können, ob sich die empfundene Einsamkeit der Proband*innen verringerte, wurde die Wahrnehmung des eigenen Einsamkeitsgefühls zu Beginn der Studie sowie nach dem Durchlaufen aller Termine und zu zwei Nachbeobachtungszeitpunkten gemessen. Noch dazu bewertete das Forschungsteam akute Einsamkeitsgefühle der Teilnehmer*innen, ihr Stresslevel, ihre Lebensqualität sowie die therapeutische Beziehung bei jeder Sitzung.

Positive Effekte auf akutes Einsamkeitsempfinden

Das Ergebnis: Das Oxytocin-Nasenspray hatte zwar keinen signifikanten Einfluss auf das allgemeine Gefühl der Einsamkeit, die Lebensqualität oder den Stress der Proband*innen. Aber: „Oxytocin konnte die positive Beziehung zu den anderen Gruppenmitgliedern stärken und von Beginn an die akuten Einsamkeitsgefühle reduzieren“, sagt die Psychologin Dr. Jana Lieberz vom Universitätsklinikum Bonn (UKB), Erstautorin der Studie. Es könne daher als gute Ergänzung zum Start einer Psychotherapie dienen und Betroffene unterstützen. 

Lieberz warnt jedoch davor, das Nasenspray als Allheilmittel zu sehen. Es seien noch weitere Studien erforderlich, um den optimalen Einsatz des Oxytocins zu ermitteln – und langfristige Vorteile zu erhalten. 

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