Die Welt wird faul: Bewegungsmangel ist globaler Trend

Laut einer Studie der WHO nimmt die weltweite Zahl der Bewegungsmuffel stetig zu – mit schlimmen Folgen für sie selbst und die Gesundheitssysteme. Wie viel Bewegung mindestens sein muss und wie aktiv die Deutschen sind.

Von Katarina Fischer
Veröffentlicht am 4. Juli 2024, 09:55 MESZ
Eine Frau liegt mit Kuscheltieren in ihrem Bett.

Lieber Faulenzen als Sport treiben: Die Weltgesundheitsorganisation schlägt Alarm, weil die erwachsene Weltbevölkerung sich nicht genug bewegt.

Foto von cottonbro studio / Pexels

Sport ist gesund – das weiß jedes Kind. Doch nicht alle motiviert dieses Wissen dazu, in die Laufschuhe zu schlüpfen oder sich aufs Rad zu schwingen. Laut einer in der Zeitschrift The Lancet Global Health veröffentlichten Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben sich im Jahr 2022 31 Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung nicht ausreichend bewegt – das entspricht 1,8 Milliarden Menschen.

Die Auswertung von 507 Umfragen und Erhebungen, an denen insgesamt rund 5,7 Millionen Menschen teilgenommen haben, bildet einen besorgniserregenden globalen Trend ab: Seit dem Jahr 2010 hat die Zahl der Erwachsenen, die unter Bewegungsmangel leiden, um fünf Prozent zugenommen. Wird dieser Entwicklung nicht entgegengewirkt, werden im Jahr 2030 der Prognose der WHO zufolge 35 Prozent der erwachsenen Bevölkerung körperlich so inaktiv sein, dass sich daraus für sie gesundheitliche Probleme ergeben können.

Wer rastet, der rostet – und wird krank

„Bewegungsmangel ist eine stille Bedrohung für die globale Gesundheit und trägt erheblich zur Belastung durch chronische Krankheiten bei“, sagt Rüdiger Krech, Direktor für Gesundheitsförderung bei der WHO.

Laut einer Faktensammlung der Organisation haben Menschen, die sich nicht ausreichend bewegen, gegenüber aktiven Menschen ein um 20 bis 30 Prozent erhöhtes Sterberisiko. Körperlich Inaktive erkranken häufiger an Demenz, Krebs und Typ-2-Diabetes, erleiden öfter Herzinfarkte und Schlaganfälle, haben vermehrt Bluthochdruck, psychische und Schlafstörungen und verletzen sich öfter bei Stürzen. Schätzungen zufolge ist Bewegungsmangel jährlich für über 5 Millionen Todesfälle verantwortlich und kostet die Gesundheitssysteme pro Jahr rund 27 Milliarden US-Dollar.

Nahaufnahme der Schuhe eines Mannes, der in einer Turnhalle steht.

Um all dem vorzubeugen, hat die WHO in ihrem im Jahr 2018 veröffentlichten Global action plan on physical activity ein Ziel gesetzt: Bis zum Jahr 2030 soll der Anteil der Bewegungsmuffel unter den Erwachsenen in allen Ländern der Erde auf mindestens 15 Prozent sinken. Derzeit sieht es jedoch nicht so aus, als würde das erreicht werden.

Körperliche Aktivität weltweit: große Unterschiede

Insbesondere die einkommensstarken Länder in der Asien-Pazifik-Region und Südasien ziehen mit einem Anteil von 48 bzw. 45 Prozent Bewegungsfauler in der Bevölkerung den Schnitt herunter. Zwar haben sich die Zahlen in der Hälfte der 65 untersuchten Länder seit 2010 verbessert, doch nur 22 von ihnen werden das 15 Prozent-Ziel bis 2030 erreichen, wenn der Gesamttrend im derzeitigen Tempo voranschreitet. Deutschland ist eines dieser Musterbeispiele – hier liegt der Anteil derer, die zu wenig Bewegung bekommen, mit 12 Prozent schon jetzt unter der gesetzten Grenze.

Doch nicht nur zwischen den Ländern und Weltregionen gibt es deutliche Unterschiede hinsichtlich der körperlichen Aktivität, sondern auch zwischen den Geschlechtern. So bewegen sich Frauen generell deutlich öfter zu wenig (34 Prozent) als Männer (29 Prozent). In manchen Ländern macht dieses Delta bis zu 20 Prozentpunkte aus – und das ist keine neue Entwicklung: Seit dem Jahr 2000 liegen zwischen den Geschlechtern durchgängig im Schnitt fünf Prozentpunkte.

Noch dramatischer sieht es beim Vergleich der Altersgruppen aus. Jugendliche im Alter von elf bis 17 Jahren sind der Studie zufolge besonders bewegungsfaul. Ganze 81 Prozent von ihnen sind körperlich nicht ausreichend aktiv – bei den Mädchen ist der Bewegungsmangel mit einem Anteil von 85 Prozent deutlich höher als bei den Jungen (78 Prozent). Menschen ab 60 bewegen sich in der Regel immer weniger, unabhängig vom Geschlecht.

Was ist Bewegung und wie viel ist ausreichend?

Doch welche Maßstäbe setzt die WHO für ihre Auswertung an? Was muss man tun, um ihr zufolge ausreichend Bewegung zu bekommen – und was zählt überhaupt als Bewegung?

Die Organisation definiert körperliche Aktivität als jede durch Skelettmuskeln erzeugte Körperbewegung, die Energieaufwand erfordert. Das schließt gezieltes Sporttreiben ebenso ein wie den Gang zum Supermarkt, Fensterputzen oder Fangenspielen mit den Kindern. Allerdings ist nicht jede körperliche Aktivität gleichwertig: Die WHO-Leitlinie unterscheidet mäßige und intensive Bewegung. Ihr zufolge sollten Erwachsene sich pro Woche mindestens 150 Minuten mäßig – zum Beispiel mit Spazierengehen – oder aber 75 Minuten intensiv – etwa mit Fitnesstraining – körperlich betätigen.

Doch nicht alle haben die Möglichkeit, diesen Empfehlungen nachzukommen. Soziale, kulturelle und wirtschaftliche Faktoren spielen bei der Teilhabe ebenso eine Rolle wie die Umwelt. Wer sich ein Sportstudio nicht leisten kann und entlang mehrspuriger Straßen joggen müsste, um sein Bewegungspensum zu erfüllen, wird vermutlich eher zu Hause auf dem Sofa sitzen bleiben.

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    Hier sieht die WHO die Politik in der Pflicht. „Wir müssen innovative Wege finden, um die Menschen zu mehr Bewegung zu motivieren, und dabei Faktoren wie Alter, Umgebung und kultureller Hintergrund berücksichtigen“, sagt Krech. „Wenn wir dafür sorgen, dass körperliche Aktivität für alle zugänglich, erschwinglich und angenehm ist, können wir das Risiko nicht-übertragbarer Krankheiten deutlich verringern und das Ziel einer gesünderen und produktiveren Bevölkerung erreichen.“

    Mögliche Maßnahmen, die die WHO vorschlägt, sind die generelle Förderung von Breiten- und Gemeinschaftssport sowie die Einrichtung kommunaler Sportanlagen und öffentlicher Freiflächen, sodass alle Menschen dieselben Chancen auf Bewegung haben. Auch die Verkehrsinfrastruktur so zu gestalten, dass bessere Rad- und Fußwege sowie ein gutes Nahverkehrsnetz dazu ermuntern, das Auto stehen zu lassen, schlägt die WHO vor.

    „Die Förderung körperlicher Aktivität geht über die Förderung individueller Lebensstilentscheidungen hinaus“, sagt Fiona Bull, Leiterin der WHO-Einheit für körperliche Aktivität. „Sie erfordert einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz und die Schaffung eines Umfelds, das es allen ermöglicht, sich leichter und sicherer auf eine Weise zu bewegen, die ihnen Spaß macht.“

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