Volkskrankheit Fettleber: Die stille Epidemie
Rund ein Viertel der Erwachsenen in Deutschland hat eine Fettleber – Tendenz steigend. Auch schlanke Menschen erkranken immer öfter. Woran das liegt, wer besonders gefährdet ist und was man tun kann.

Eine verfettete Leber ist gefährlich und teilweise lange unbemerkt. Nicht nur Menschen mit Übergewicht leiden daran: In Deutschland ist jeder Vierte betroffen.
Eigentlich war die Untersuchung vor rund 20 Jahren reine Routine, erinnert sich Anna Grund (Name von der Redaktion geändert). „Ich war Mitte 50, der Arzt erstellte ein Blutbild“, erinnert sie sich. Damals ging sie jeden Tag spazieren, hatte eine schlanke Figur. Alkohol trank sie nur selten. „Ich hatte keine Beschwerden“, sagt sie. Doch das Blutfett war zu hoch. „Als der Arzt sagte, dass ich eine Fettleber habe, dachte ich erst: Die müssen die Proben vertauscht haben.“
Doch das hatten sie nicht. „Cola und Schokolade gehörten abends auf der Couch dazu. Und ich aß wahnsinnig gerne Kartoffeln“, sagt Anna Grund. „Die Bewegung allein konnte die Ernährungssünden nicht wettmachen – das weiß ich heute."
In Deutschland leiden etwa 12 Millionen Menschen an der nichtalkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD), das ist gut ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung. Und viele trifft die Diagnose so unvorbereitet wie Anna Grund. Denn die Symptome sind unspezifisch und können viele Ursachen haben. So wird das Leiden teilweise spät erkannt. Und immer mehr schlanke Menschen gehören zu den Patient*innen.
Was ist eine Fettleber?
Von einer Fettleber spricht man, wenn der Fettanteil des Organs 10 Prozent des Gesamtgewichts übersteigt – oder mehr als die Hälfte der Leberzellen verfettet sind. Eine gesunde Leber sieht rotbraun und glatt aus, die Fettleber hingegen erscheint visuell vergrößert und blasser, im fortgeschrittenen Stadium mit gelblichen Flecken.
Im Ultraschall kann man das gut erkennen. Doch von außen ist das eingelagerte Fett nicht unbedingt sichtbar, daher kann es über Jahre hinweg unbemerkt zu Schäden führen. Dabei verläuft die Krankheit in mehreren Etappen. Im ersten Stadium weist die Leber noch keine entzündlichen Reaktionen auf. In der zweiten Phase, mit entzündlichen Reaktionen, spricht man von einer „Steatohepatitis“, aus der sich eine Leberfibrose, also eine Bindegewebsvermehrung, und im weiteren Verlauf eine Leberzirrhose, eine Vernarbung der Leber, entwickeln kann. Das Organ verliert nach und nach seine Elastizität und seine Funktion. Atherosklerose, Typ-2-Diabetes, Leberzellkrebs und Leberversagen zählen zu den möglichen Folgeerkrankungen.

Die gesunde Leber (links) im Vergleich zur Fettleber (rechts).
Welche Symptome hat eine Fettleber?
Wie bereits beschrieben, gibt es oft keine oder nur schwache Symptome. Häufig leiden Betroffene an Abgeschlagenheit und Müdigkeit – und die Ursachensuche dauert teilweise lange. Manche berichten im Verlauf der Erkrankung von einem Druck- oder Völlegefühl im rechten Oberbauch.
Die Leberwerte steigen erst an, wenn die Fettleber sich entzündet. Später treten mitunter Symptome von Gelbsucht auf, wie Gelbfärbung der Haut und der Augen, starke Bauchschmerzen und Übelkeit. In diesem Stadium hat sich die Erkrankung zu einer ernsthaften Leberzirrhose oder Leberinsuffizienz entwickelt und die Behandlung erfordert intensive medizinische Betreuung.
Bei Anna Grund kam es einige Jahre nach ihrem Arzt-Termin zur Diagnose Typ-2-Diabetes. „Heute denke ich, dass ich das hätte verhindern können: Hätte ich meine Ernährung direkt umgestellt, hätte ich vielleicht keine Diabetes bekommen.“ Doch damals bekam sie keine Empfehlung zur Ernährungsumstellung. „Das sei erblich bedingt, meinte der Arzt.“
Ursachen der Fettleber
Die Ursachen einer Fettleber bei Menschen mit normalem BMI sind vielfältig und umfassen genetische Veranlagung, Insulinresistenz, und metabolische Faktoren des Stoffwechsels. Auch einige Medikamente gelten als Risikofaktoren – zum Beispiel Kortikosteroiden, die bei Autoimmunerkrankungen, allergischen Reaktionen, Hautkrankheiten oder auch Entzündungen eingesetzt werden. Schlechte Ernährung ist ein wichtiger Faktor, weitere sind chronischer Stress, emotionale Belastungen oder eine Veränderung in der Darmflora.
Doch die gute Nachricht: In der Regel ist die Einlagerung von Fett in der Leberzelle reversibel. Dafür muss man jedoch sein Leben etwas umstellen. „Häufig lässt sich eine nichtalkoholische Fettleber sehr gut mit einer Veränderung des Lebensstils behandeln“, sagt Peter Hübener, leitender Oberarzt im Zentrum für Innere Medizin am UKE Hamburg. Heißt: mehr Bewegung, anderes Essen.
Die richtige und falsche Ernährung
Denn die hohe Aufnahme von gesättigten Fetten wie Butter, Sahne, Wurst, Käse und Kokosfett kann selbst bei einem gesunden Körpergewicht zur Fettleber führen. Auch der übermäßige Verzehr von Kohlenhydraten und Zucker kombiniert mit körperlicher Inaktivität kann eine Ursache sein. Reduzieren sollte man den Verzehr von rotem Fleisch und vor allem auf industriell verarbeitete Lebensmittel. Auch Fruktose verfettet die Leber, enthalten ist sie in Obst wie Weintrauben und Äpfeln, in Trockenfrüchten und Limonaden und Säften.
Gut hingegen sind fetthaltige pflanzliche Lebensmittel wie Oliven, Nüsse, Avocado, Oliven-, Raps-, und Leinöl. Auch Nahrungsmittel, die reich an Polyphenolen sind, helfen: grüner Tee, Artischocken oder auch Walnüsse. Sie können dazu beitragen, den Fettgehalt in der Leber zu reduzieren, die Insulinsensitivität zu erhöhen und Entzündungen im Körper zu verringern.
Dies sind allgemeine Ernährungsempfehlungen bei einer Fettlebererkrankung. Forschungsergebnisse weisen allerdings darauf hin, dass es von Mensch zu Mensch erhebliche Unterschiede gibt, die sehr stark mit dem Mikrobiom im Darm der jeweiligen Person zusammenhängen. Trotzdem gibt es von Ärzten oft eine grundsätzliche Route: „Wir empfehlen in der Regel eine Gewichtsabnahme von drei bis fünf Prozent, auch bei schlanken Menschen“, sagt Hübener. „Damit kann sich die Leber regenerieren, bevor weitere Krankheiten entstehen.“
Mit Medikamenten lassen sich die nicht-alkoholische Fettleber und die alkoholische Fettleber noch nicht adäquat behandeln. Aktuell sind verschiedene Medikamente im Entwicklungsstatus. Neuen Studien zufolge hilft eine Verbesserung des Zuckerstoffwechsels.
Das Leberzentrum des UKE Hamburg unter der Leitung von Dr. Hübener setzt auf interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche wie Innere Medizin, Chirurgie, Transplantationsmedizin, Radiologie, Intensivmedizin und Onkologie. „Fettlebererkrankungen sind komplex und erfordern eine umfassende Betrachtung“, so Hübener. Die wachsende Verbreitung erfordere es, über die typischen Risikogruppen hinauszublicken. „Es muss in Aufklärung und Diagnoseverfahren investiert werden, um diese stille Epidemie zu bekämpfen.“
Neuer Name, weniger Stigmatisierung
Im Rahmen des weltweit führenden Hepatologie-Kongresses der EASL(European Association for the Study of the Liver) im Jahr 2023 haben führende hepatologische Fachgesellschaften beschlossen, die Bezeichnung der „nicht-alkoholischen Fettleber“ durch „steatotischen Lebererkrankung“ (Englisch "Metabolic Dysfunction-associated Steatotic Liver Disease", MASLD) zu ersetzen. Der Zweck hinter diesem Schritt ist klar: Die Assoziationen mit der Krankheit sollen verändert und Leute mit der Diagnose weniger stigmatisiert werden.
„Wir stehen erst am Anfang einer langen Entwicklung von Erkenntnissen und Einsichten“, sagt Hübener. Schon heute seien einige Risikogene bekannt, die das Fortschreiten einer Fettlebererkrankung begünstigen können. „Vermutlich werden wir noch viele weitere entdecken und daraus neue Therapieansätze entwickeln.“
