Geheimnis der Schönheit: Was macht uns attraktiv?

Es gibt eine mathematische Formel für Schönheit. Doch sollten wir wirklich danach streben?

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 29. Feb. 2024, 11:18 MEZ
Eine blonde, brünette und schwarzhaarige, dunkelhäutige Barbie nebeneinander vor rosa Hintergrund

Über Schönheit lässt sich streiten. 

Foto von diy13 / Adobe Stock

Jodie Comer ist die schönste Frau der Welt. Zumindest nach den Berechnungen des britischen Schönheitschirurgen Julian De Silva. Demnach entspricht das Gesicht der 30-jährigen Schauspielerin nahezu perfekt dem Goldenen Schnitt – einer ästhetischen Gestaltungsregel, die seit der Antike bekannt ist. Besonders Lippen, Augen und Nase der Britin seien beinahe vollkommen.

Mithilfe von computergestützten Messungen ließ De Silva ermitteln, inwieweit die Gesichtsproportionen von Prominenten die Maße des Goldenen Schnitts erfüllen. Seine Gleichung: Je höher die prozentuale Übereinstimmung, desto hübscher das Gesicht. Auf Rang zwei und drei landeten mit Zendaya und Bella Hadid ebenfalls zwei Schauspielerinnen.

Der Goldene Schnitt entsteht, indem man eine Strecke in zwei Abschnitte teilt, so dass das Verhältnis des Ganzen zur längeren Teilstrecke dasselbe ist wie das Verhältnis der längeren zur kürzeren Teilstrecke. Demzufolge lautet die Formel für Schönheit: (a+b)/b = b/a. 

Die schönste Frau der Welt? Jodie Comer in „The Last Duel“.

Foto von 20th Century Studios. All Rights Reserved., 20th Century Studios. All Rights Reserved.

Goldener Schnitt: Schönheit lässt sich messen

Zugegeben: Das klingt kompliziert. Anhand eines Beispiels aus der Kunst wird es verständlich: Viele Maler und Fotografen platzieren ihr Hauptmotiv nicht einfach in die Bildmitte: Stattdessen setzen sie es gern an die Stelle, wo sich die Höhe oder Breite des Bildes im Verhältnis von 62/38 (oder einfach 60/40) teilen lässt. Ein solcher Aufbau wirkt besonders harmonisch. 

Der Goldene Schnitt wird in Kunst und Architektur oft verwendet, um ästhetisch ansprechende Formen und Flächen zu erzeugen. Weltberühmt ist der „Vitruvianische Mensch“ von Leonardo da Vinci, der den menschlichen Körper nach idealisierten Proportionen darstellt. Weitere bekannte Beispiele sind die „Mona Lisa“, die Cheops-Pyramide oder der Parthenon-Tempel in Athen. 

Die Aufzählung ließe sich beliebig fortführen. Auch in der Natur findet man dafür viele Vorbilder – etwa in der Anordnung von Blättern an Pflanzenstängeln, den Schalen von Schnecken oder der Struktur von Blumen. 

BELIEBT

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    Ästhetisches Gestaltungsmittel: der Goldene Schnitt

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    Was ist Schönheit?

    Forschende des Max-Planck-Instituts unterstreichen: Menschen finden Dinge schön, die der Natur ähneln. Und wir sind geradezu versessen auf Symmetrie. Die Evolutionspsychologie geht beispielsweise davon aus, dass symmetrische Gesichter und Körper schon zu Urzeiten als attraktiv galten, weil sie ein Indikator für Gesundheit waren. Schief sitzende Augen oder krumme Rücken deuteten dagegen auf Krankheiten hin. Instinktiv achten Menschen bis heute darauf.

    Klar ist aber auch: Schönheit ist relativ. Seit jeher streben Menschen danach. Die Vorstellungen von Schönheit verändern sich laufend. Ästhetische Ideale sind Ausdruck ihrer Zeit und Kultur. Sie unterliegen gesellschaftlichen Normen, sind Ausdruck von Macht und Herrschaft. 

    Schon der frühe Homo sapiens nutzte Pigmente, um Gesicht und Körper zu schmücken. Menschen im Römischen Reich blichen und färbten sich die Haare mit Ziegenurin. In Japan tünchten sich Männer und Frauen jahrhundertelang die Zähne schwarz, um ihre Treue zum Lehensherrn oder Ehemann zu bekunden. 

    In China galt der sogenannte Lotusfuß nicht nur als Schönheitsideal, sondern als Zeichen des Wohlstands. Jungen Mädchen brach man die Zehen und band die deformierten Knochen zu einem Klumpfuß. Damit waren die Kinder von der Feldarbeit befreit. Und das wollte man zeigen.

    Im europäischen Barockzeitalter waren füllige Leiber und weiße Haut attraktiv. Auch sie signalisierten Reichtum und die fehlende Notwendigkeit, arbeiten zu müssen. Ab dem späten 20. Jahrhundert kehrte sich dieses Schönheitsideal ins Gegenteil. 

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    Krankhafter Schönheitswahn

    Heute verbringen wir durchschnittlich vier Stunden pro Tag damit, uns aufzuhübschen. Zu diesem Ergebnis kommt eine kulturübergreifende Studie. Offenbar werden wir dafür belohnt. Andere Untersuchungen zeigen: Menschen, die als attraktiv empfunden werden, haben es leichter im Leben. Ihre Chancen bei Bewerbungen sind höher. Nicht selten verdienen sie auch mehr.

    Schönheit und Leid, Erfolg und Diskriminierung: Oft hängt all das zusammen. Tatsächlich macht der Wunsch nach makellosem Aussehen viele Menschen krank. Models, Fitness-Gurus und Influencer machen es gerade jungen Menschen schwer, sich wohl in ihrer Haut zu fühlen. Die sozialen Medien befeuern diese Entwicklung. 

    Auf TikTok und Instagram wimmelt es nur so von unrealistischen Schönheitsbildern – und gehässigen Attacken auf Menschen, die diesen zweifelhaften Idealen nicht entsprechen. Body Shaming heißt das Phänomen, unter denen unzählige Menschen leiden.

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    Body Positivity oder Body Neutrality?

    Aber es regt sich Widerstand: Alle Körper sind schön, lautet die Botschaft der Body-Positivity-Bewegung. Sie bricht mit den üblichen Schönheitsidealen und kämpft für die Liebe zum eigenen Körper. Das Web ist voll von Aufrufen, Selfies zu posten, die nicht dem gängigen Schönheitsbild entsprechen. Längst hat die Werbeindustrie die neue Zielgruppe für sich entdeckt. 

    Doch auch Body Positivity stößt auf kritische Stimmen. Sie monieren: Selbst wenn Body Positivity sich von gängigen Schönheitsdefinitionen distanziere, an der Aufforderung zur Selbstoptimierung halte die Bewegung dennoch fest. Die Auffassung, dass man sich schön fühlen müsse, um glücklich zu sein, setze Menschen letztlich auch unter Druck.

    Der Gegenentwurf lautet: Body Neutrality oder Body Acceptance. Dabei geht es darum, dass wir unser Selbstwertgefühl nicht aus unserer äußeren Erscheinung ziehen, sondern unseren Körper so akzeptieren, wie er ist. „Das Ziel ist nicht, seine Pickel schön zu finden“, so die Sozialpsychologin Anuschka Rees in der „Zeit“.

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    Schönheit kommt tatsächlich von innen

    Auch wenn es abgedroschen klingt oder wie ein schlechter Trost: Offenbar kommt wahre Schönheit tatsächlich von innen. Diese Vermutung nährt auch eine Studie, die an der chinesischen Huazhong University of Science and Technology durchgeführt und in einem Fachmagazin veröffentlicht wurde.

    Die Forschenden hatten eine Umfrage unter 120 männlichen und weiblichen Studenten durchgeführt. Die Teilnehmenden sollten zunächst Fotos von Frauengesichtern nach ihrer Attraktivität bewerten. Zwei Wochen später sahen sie die Bilder ein zweites Mal. Diesmal erhielten sie zusätzliche Informationen zum Charakter der abgebildeten Personen. Und siehe da: Die Probanden stuften nun vermeintlich unsympathische Frauen als weniger hübsch ein als bei der ersten Fotoschau.

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