Wie man mit einer Reise in den Amazonas den Regenwald schützen kann
Die Achuar in Ecuador haben einen ungewöhnlichen Weg gefunden, ihr Land vor der Abholzung zu bewahren: Tourismus. Mit einer nachhaltigen Lodge schützen sie 80.000 Hektar Regenwald – und ihr kulturelles Erbe gleich mit.
Mitten im ecuadorianischen Teil des Amazonas-Regenwaldes liegt das Gebiet der indigenen Gemeinschaft der Achuar. Eine Ecolodge für verantwortungsbewusste Reisende bewahrt ihr Land seit den 1990er Jahren vor der Abholzung.
Im Sommer 2024 machte der Massentourismus in Europa fast täglich Schlagzeilen. Auf Teneriffa und den anderen sieben Kanarischen Inseln demonstrierten sogar Zehntausende Einwohner*innen gegen den Andrang. Von Mietsteigerungen bis Wohnungsnot, Umweltverschmutzung bis Wassermangel: Die Liste der negativen Auswirkungen des Kanaren-Tourismus ist lang – betroffen ist meist die lokale Bevölkerung.
Gleichzeitig bedeutet Tourismus für viele Regionen weltweit aber auch Gutes. In einer verantwortungsvollen Form kann er zum Beispiel zum Schutz von fragilen Ökosystemen beitragen und die lokale Bevölkerung unterstützen. Wie das funktionieren kann, zeigt ein Beispiel in Ecuador: die Kapawi Ecolodge im Herzen des Amazonas-Regenwaldes im Südosten des Landes.
Das Besondere an der Ecolodge ist ihre Inhaberschaft: Sie wird von der indigenen Gemeinschaft der Achuar geführt, die bereits seit Jahrhunderten an diesem Ort lebt – umgeben von mäandernden Flüssen, dichtem tropischen Wald und exotischen Tieren. Ihr Tourismusprojekt soll verantwortungsbewussten Besucher*innen aus der ganzen Welt den Regenwald näher bringen und authentische Begegnungen mit Einheimischen ermöglichen. Gleichzeitig bewahrt das Projekt das Land der Gemeinschaft vor der Abholzung – und ihre Kultur vor dem Untergang.
„Dieses Projekt ist unsere einzige Möglichkeit, alles hier am Leben zu erhalten“, sagt Chumpi Washikiat, der seit 28 Jahren als lokaler Achuar Guide für die Ecolodge arbeitet und selbst Teil der ecuadorianischen Achuar Kapawi Community ist. „Die Kapawi Ecolodge hilft uns, die Achuar-Kultur zu bewahren.“
Galerie: Kapawi Ecolodge – Abenteuer im Amazonas
Ökotourismus schützt Kultur und Umwelt
Der Amazonas-Regenwald in Südamerika ist das Sorgenkind der Erde: Allein im Jahr 2023 wurden laut der Statistikplattform Statista rund 9.000 Quadratkilometer Waldfläche im Amazonasgebiet gerodet – das entspricht etwa 2,5 Mal der Fläche Mallorcas. Auch illegale Aktivitäten machen dem Amazonas immer mehr zu schaffen. „Es wird gezielt bisher unberührter Regenwald in Brand gesetzt“, sagt Roberto Maldonado, Leiter des Bereichs Lateinamerika beim WWF Deutschland. „Der Amazonas nähert sich einem Kipppunkt, was den Verlust an Waldfläche angeht.“ Bis 2030 könnte der Regenwald großflächig absterben. Das hätte katastrophale Auswirkungen auf das globale Klima und die Artenvielfalt. Neben bedrohten Tier- und Pflanzenarten würden auch viele indigene Völker ihr Zuhause verlieren – und jahrhundertealte Kulturen verschwinden.
Chumpi Washikiat und seine Community wollen das verhindern. Um gegen die Bergbauindustrie und die Bedrohung indigener Gemeinschaften im Amazonasgebiet vorzugehen, entwickelten die Achuar in den 1990er Jahren das Ökotourismus-Projekt der Kapawi Ecolodge mit nachhaltigen und kulturellen Aktivitäten. Das Ziel der Achuar war es, eine lokale Einkommensquelle zu schaffen, mit der sie ihre alten Traditionen und Bräuche bewahren und den Amazonas-Regenwald und seinen Artenreichtum schützen können.
Urlaub im Regenwald: Verbindung mit Natur und Einheimischen
Ein Aufenthalt in der Ecolodge ist im wahrsten Sinne eine individuelle Erfahrung: Die Aktivitäten werden auf den Charakter und die Bedürfnisse der Gäste abgestimmt, sodass jede Person die Möglichkeit hat, sich auf ihre eigene Weise mit der Natur und Kultur des Regenwaldes zu verbinden.
Flussexpeditionen ermöglichen es den Gästen, per Kajak oder Boot die verschlungenen Wasserstraßen des Regenwaldes zu erkunden – ob zur Vogelbeobachtung im Morgengrauen, zum Piranha-Fischen mit Einheimischen oder bei einer nächtlichen Bootsfahrt im Mondschein.
20 Kilometer Wanderwege bieten die Möglichkeit, Touren mit den erfahrenen Achuar-Guides zu unternehmen und Einblicke in die Biodiversität und Heilkräfte des Waldes zu bekommen. Die Guides, die in der Region aufgewachsen sind, teilen ihr Wissen über Heilpflanzen und spirituelle Bäume, die die Achuar seit Jahrhunderten nutzen.
In den umliegenden Achuar-Communities kann man das Alltagsleben der Einheimischen kennenlernen, an Zeremonien teilnehmen oder bei einem gemeinschaftlichen Abendessen in den Austausch kommen.
Der abgelegene Ort im Regenwald bietet aber auch die Möglichkeit, Körper und Geist bei Yoga und Meditation in Einklang zu bringen und sich wieder mit der Natur zu verbinden. Die Achuar sehen in der Meditation eine Möglichkeit, Klarheit und Fokus im Leben zu finden.
Untergebracht ist man in Holzbungalows auf Stelzen mit zwei oder drei Betten, einem Bad und einer Veranda mit Hängematte. Von jedem Bungalow hat man einen direkten Ausblick in den Regenwald. In einer weiteren Hütte gibt es eine Community Area, in der die täglichen Mahlzeiten serviert werden und in der man sich treffen und austauschen kann. In der Hearth Hut kommt man zum Sonnenaufgang am Feuer zusammen: für eine Achuar Wayusa Teezeremonie. Alle Gebäude der Ecolodge wurden auf traditionelle Achuar-Weise designt und von der Community selbst gebaut. Eine Auszeit im Regenwald von Ecuador startet ab drei Nächten und umgerechnet circa 1.260 Euro pro Person – alle Mahlzeiten, Transfer und Programm inklusive.
Ein Bungalow der Kapawi Ecolodge von innen.
Wie kann verantwortungsbewusster Tourismus den Regenwald schützen?
Mit ihrem Programm bietet die Kapawi Ecolodge verantwortungsbewussten Tourist*innen die Möglichkeit, mehr über das besondere Ökosystem und die Biodiversität des Regenwaldes zu erfahren. Gleichzeitig schützt ein Besuch auch den Wald und seine Artenvielfalt: Mithilfe des Kapawi-Naturschutzprojektes wird beispielsweise das Feuchtbiotop, das sich direkt vor der Ecolodge erstreckt, bewahrt. Es beherbergt diverse Insekten-, Vogel- und Krötenarten, die im Regenwald heimisch sind.
Während sich Einheimische auf Teneriffa weniger Tourist*innen wünschen, sind sie im Regenwald von Ecuador willkommen. Denn: „Gäbe es die Kapawi Ecolodge hier nicht, wäre die Fläche vielleicht schon längst von den Öl-, Holzfäller- oder Bergbaufirmen zerstört worden“, sagt Chumpi Washikiat. Durch das Tourismusprojekt sei es für diese Firmen und die ecuadorianische Regierung nicht so leicht, den Wald abzuholzen. So können Gäste mit einer Reise in den Amazonas-Regenwald rund 80.000 Hektar vor der Rodung bewahren – und eine lokale Kultur vor dem Aussterben.
Mehr Projekte wie die Ecolodge
Dass Tourismus der Umwelt oder den Einheimischen vor Ort helfen kann, weiß man heute nicht nur in Ecuador. Weltweit gibt es immer mehr Orte wie die Kapawi Ecolodge. Einen guten Überblick über Projekte weltweit bietet die Reiseplattform socialbnb. Sie hat sich auf diese Art des Tourismus spezialisiert. Das Ziel: eine gerechte Form des Tourismus zu schaffen, die authentische Erlebnisse für Reisende ermöglicht, Einheimischen zugutekommt und die Umwelt bewahrt. Rund 500 weltweite Projekte findet man auf der Seite aktuell.
Neben der Ecolodge gibt es Angebote wie einen Urlaub in Italien als Erntehelfer*in bei der traditionellen Olivenernte oder eine mehrtägige Reise durch den Nationalpark Cát Tiên in Vietnam. Teneriffa ist übrigens auch im Programm: Man übernachtet jedoch im Zelt statt im All-Inklusive-Hotel und unterstützt mit seiner Reise ein Aufforstungsprojekt auf der Insel. Wer so reist, ist sicher willkommen.