Sechs neue Arten von Zwergameisenbären entdeckt

Die nachtaktiven und scheuen Baumbewohner hielten einige Überraschungen für das Forscherteam bereit, das ihnen zehn Jahre lang auf den Fersen war.

Von Jason G. Goldman
Veröffentlicht am 20. Dez. 2017, 14:23 MEZ
Zwergameisenbär
Ursprünglich ging man davon aus, dass es nur eine Art von Zwergameisenbären gab. Jetzt haben Forscher insgesamt zwischen sieben verschiedenen Arten unterschieden.
Foto von Karina Molina, Alexandre Martins and Flávia Miranda

Der erste Hinweis war das Fell.

Als die Biologin Flávia Miranda von der Universidade Federal de Minas Gerais in Brasilien Zwergameisenbären untersuchte, fielen ihr „Unterschiede in den Farben der Populationen des Amazonas und des Atlantischen Regenwalds auf“, erinnert sie sich.

Es gab eigentlich nur eine bekannte Zwergameisenbärenart: Cyclopes didactylus. Aber sie fragte sich, ob diese kaum erforschten Baumbewohner nicht eigentlich zwei Arten ausmachten.

Miranda und ihre Kollegen unternahmen im Laufe eines Jahrzehnts zehn Expeditionen in Brasilien und Suriname, um Zwergameisenbären zu finden. Zusätzlich suchten sie die Bestände von Naturkundemuseen nach Exemplaren und Proben ab. (Link: Alle zwei Tage wird neue Tierart im Amazonas entdeckt)

Am Ende lagen dem Team DNA-Proben von 33 wilden Ameisenbären sowie anatomische Informationen vor, die von weiteren 280 Museumsexemplaren stammten.

Ihr ursprüngliches Gefühl hatte sie nicht getäuscht: Die zwei Gruppen von Zwergameisenbären unterschieden sich voneinander. Tatsächlich könnte es sogar bis zu sieben verschiedene Zwergameisenbärenarten geben, wie es in der Studie heißt, die im „Zoological Journal of the Linnean Society“ veröffentlicht wurde.

„Das ist ein gutes Beispiel für die verblüffenden Ergebnisse, die man herausbekommen kann, wenn man ein kaum erforschtes, weit verbreitetes Tier zum ersten Mal mit modernen Mitteln untersucht“, sagt Kristofer Helgen. Der Mammaloge ist an der Universität von Adelaide in Australien angestellt. „Ich wäre nicht überrascht, wenn künftige Studien dieser wunderschönen Tiere noch mehr Arten offenbaren, die übersehen wurden“, sagt er.

Forscher nehmen eine Blutprobe von einem wilden Zwergameisenbären. Insgesamt sammelten sie DNA-Proben von 33 wilden Ameisenbären.
Foto von Karina Molina, Alexandre Martins and Flávia Miranda

SCHEUE BAUMBEWOHNER

2005 erfuhr Miranda, dass sich Wissenschaftler unsicher darüber waren, ob es im nordöstlichen Atlantischen Regenwald überhaupt noch Zwergameisenbären gab. Das inspirierte sie dazu, die rätselhaften Tiere zu untersuchen.

Die erste Herausforderung für ihr Team bestand darin, Exemplare einzufangen.

Die 50 Zentimeter langen, nachtaktiven Tiere sind die am wenigsten erforschten Ameisenbären, was auch daran liegt, dass sie so schwer zu finden sind. Sie sind in Mittel- und Südamerika verbreitet und verbringen ihr Leben im Schutz der Baumwipfel, wo sie sich vorrangig von Ameisen ernähren.

Miranda und ihre Kollegen verteilten Flyer an die indigenen Gemeinschaften Brasiliens und baten sie um ihre Expertise beim Fährtenlesen, Aufspüren und Einfangen der pelzigen Tierchen. „Wir haben zwei Jahre gebraucht, um das erste Exemplar einzufangen“, sagt sie.

BELIEBT

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    Manche Forscher hatten bereits vorgeschlagen, die Zwergameisenbären in Unterarten aufzuteilen. Miranda begann allerdings von Grund auf und ging von der Annahme aus, dass es nur eine Art gab: Cyclopes didactylus. Zusätzlich zu dem genetischen Material arbeitete das Team auch mit Schädelmessungen und der Fellfarbe, um die Arten zu unterscheiden. 

    Die Analysen der Genome und anatomischen Merkmale bestätigte, dass sich vier der zuvor vorgeschlagenen Unterarten genetisch voneinander unterschieden. Dann identifizierte das Team noch drei weitere Arten, die noch nie zuvor erwähnt wurden. Insgesamt hatten die Nachforschungen also sieben verschiedene Arten offenbart.

    Forscher nehmen detaillierte Messungen anatomischer Merkmale eines wilden Zwergameisenbären. Die Messdaten verschiedener Ameisenbären halfen dabei, die Unterschiede zwischen den Arten zu erkennen.
    Foto von Karina Molina, Alexandre Martins and Flávia Miranda

    VIEL ZU TUN

    Die Weltnaturschutzunion stuft C. didactylus als „nicht gefährdet“ ein, was teils daran liegt, dass die Art so weit verbreitet ist.

    Aber mit der neuen Aufspaltung des Familienstammbaums ist nicht mehr so klar, wie es um die einzelnen Arten bestellt ist.

    Die Forscher arbeiten nun daran, die Bedrohung für jede einzelne neu beschriebene Art zu bewerten, damit Artenschützer sie besser schützen können.

    Miranda vermutet, dass mindestens zwei der neuen Arten vom Aussterben bedroht sind und durch Entwaldung und Bergbau zunehmend unter Druck geraten.

    Nachdem sie bereits zehn Jahre mit der Suche nach den scheuen Tieren verbracht hat, freut sich Miranda darauf, ihr großes Abenteuer fortzusetzen. „Die Arbeit fängt gerade erst an.“

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