Trauert diese Flusspferdmutter um ihr Jungtier?

Das Video zeigt ein Weibchen, das sich in Botswana um den Kadaver eines Jungtiers kümmert. Es ist die erste wissenschaftliche Beschreibung von Trauerverhalten bei Flusspferden.

Von Joshua Rapp Learn
Veröffentlicht am 4. Juli 2019, 12:53 MESZ

Es war 06:45 Uhr im Chobe-Nationalpark in Botswana als Victoria Inman etwas Ungewöhnliches bemerkte.

Normalerweise wären hier 25 Flusspferde zu sehen, die sich am Ufer des Chobe entspannen. An diesem Tag im September 2018 wirkte der Teich jedoch ungewöhnlich leer und ein regloses Objekt trieb an der Wasseroberfläche.

Inman, die Doktorandin an der University of New South Wales in Sydney ist, erkannte beim Näherkommen darin den Kadaver eines etwa sechs Monate alten Flusspferds in der Größe eines Hausschweins.

Plötzlich tauchte ein Flusspferdweibchen auf und schwamm mit aggressiven Bewegungen auf den Kadaver zu. Die Biologin zog sich zurück und beobachtete fasziniert über die folgenden elf Stunden, wie das „aufgeregte und verwirrte“ Weibchen – wahrscheinlich die Mutter – und später auch der Rest der Herde den Kadaver an der Oberfläche hielten und Nilkrokodile aus seiner Nähe verjagten. Das Weibchen ließ außerdem regelmäßig Luftblasen um den Kadaver herum aufsteigen – eine übliche Form der Kommunikation zwischen Flusspferden.

Trauert diese Flusspferdmutter um ihr Jungtier?
Das Video zeigt ein Weibchen, das sich in Botswana um den Kadaver eines Jungtiers kümmert. Es ist die erste wissenschaftliche Beschreibung von Trauerverhalten bei Flusspferden.

„So wie sie versuchte, es über Wasser zu halten, konnte man den Eindruck gewissen, dass sie es zum Atmen bringen wollte“, sagt Inman, die leitende Autorin einer Studie über den Vorfall, die im Mai 2019 im African Journal of Ecology veröffentlicht wurde.

Die Studie beschreibt zum ersten Mal wissenschaftlich, was ein mögliches Trauerverhalten von Flusspferden sein könnte, unterstützt von Videoaufnahmen.

Kümmert sich ein Tier um einen kranken, verletzten oder toten Artgenossen, nennt man das epimeletisches Verhalten. Neben dem Menschen und Menschenaffen wurde es unter anderem bei Elefanten, Nabelschweinen und Orcas beobachtet.

„Es scheint, als würden immer mehr Berichte und Beobachtungen eines solchen Verhaltens von den verschiedensten Tierarten auftauchen“, sagt George Wittemyer, ein Umweltbiologe der Colorado State University, der nicht an der Flusspferd-Studie beteiligt war.

Soziale Wesen

Laut Wittemyer ist so ein Trauerverhalten insbesondere unter sehr sozialen Arten verbreitet, zu denen auch die Flusspferde gehören.

Er erklärt, dass wir nicht wissen, was ein Tier, das Zeit mit einem toten Körper verbringt, wirklich denkt oder tut, auch wenn „wir dazu tendieren, menschliche Trauer hineinzuinterpretieren“.

Er meint jedoch auch, dass es wohl normal für eine Mutter ist, die so viel Zeit in die Aufzucht eines Jungtieres steckt, durch seinen Tod verstört zu sein.

Inman gibt an, dass die Todesursache des Jungtiers unbekannt ist, es aber bei einem Machtkampf zwischen den beiden Männchen im Teich umgekommen sein könnte.

Es ist auch nicht sicher, dass das erwachsene Weibchen, das sich um den Kadaver kümmerte, seine Mutter war, doch Inman geht durch die sichtbar geschwollenen Zitzen und das beschützende Verhalten davon aus.

Hat sie getrauert?

Barbara King, emeritierte Professorin des College of William & Mary in Virginia glaubt, dass einige Tiere mit Sicherheit Trauer empfinden. Dazu zählt wohl auch die Orcamutter, die ihr totes Kalb über 1000 Kilometer weit mit sich trug.

(Lesenswert: Komplexe Emotionen: Die lange Trauerphase der Orcas)

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    Flusspferde sind eng mit Walen verwandt, doch King ist sich dennoch nicht sicher, ob das Tier in diesem Fall wirklich trauerte, da vieles unter Wasser und damit außerhalb des Sichtbaren passierte.

    „Mein Fazit wäre, dass [Trauer] definitiv eine mögliche Interpretation ist“, sagt King, Autorin des Buches How Animals Grieve. Sie gibt der Studienautorin recht, dass sich die Mutter und Herde offensichtlich nicht normal verhielten.

    Andere Erklärungen wären möglicherweise Neugier gegenüber dem toten Körper oder sein Schutz – aus territorialen Gründen –, sie geht aber auch davon aus, dass nichts davon ausschließt, dass das Flusspferd wirklich getrauert hat.

    Gruppendynamik

    Für Wittemyer ist der Umstand am interessantesten, dass andere Herdenmitglieder mit dem Kadaver interagiert haben.

    Um die Mittagszeit bewegte sich die komplette Flusspferdherde vom Fluss in die Lagune wo sie mit dem toten Jungtier schwammen und es, wie die Mutter, an der Oberfläche hielten.

    Wittemyer sagt, dass das die komplexen sozialen Bindungen zwischen Flusspferden belegt. Dies lässt wiederum neue Fragen über die kognitiven Fähigkeiten und die generelle Intelligenz dieser Tierart aufkommen.

    „Wir wissen immer noch sehr wenig über Intelligenz und Emotionen von Tieren“, kommentiert er.

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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