Säbelzahntiger – Schrecken der Eiszeit?

Hunderte von Zähnen, die in der Teergruben von La Brea in Kalifornien gefunden wurden, werfen ein völlig neues Licht auf diese legendären Tiere der Eiszeit.

Von John Pickrell
Veröffentlicht am 9. Aug. 2019, 13:02 MESZ
Im Schatten einiger Bäume lassen sich Säbelzahnkatzen ihre Beute, einen waldbewohnenden Pflanzenfresser, schmecken. Im Hintergrund jagen Vertreter der urzeitlichen Wölfe Canis dirus Bisons im offenen Grasland des Pleistozäns im heutigen Kalifornien. Eine Untersuchung ihrer Zähne belegt, dass die Säbelzahnkatzen des nordamerikanischen Westens vorwiegend in bewaldeten Gebieten heimisch waren, wo sie beispielsweise Tapire und Rehartige jagten.
Foto von Mauricio Antón

Bis vor 10.000 Jahren war die Säbelzahnkatze Smilodon fatalis ein gefürchteter Jäger im heutigen nordamerikanischen Westen. Mehr als 3.000 fossilierte Katzen wurde aus dem natürlichen Asphalt der La Brea Teergruben in Kalifornien geborgen. Bislang gingen die Wissenschaftler davon aus, dass Smilodon als löwenähnlicher Jäger durch offene Grassavannen streifte und dort Bisons und Pferde jagte. Die Tiere konnten bis zu 300 Kilogramm wiegen und besaßen 20 Zentimeter lange Eckzähne.

Nun deutet jedoch die Untersuchung von Hunderten von Zähnen aus La Brea ein ganz anderes Bild vom Schrecken der Eiszeit an.

„Illustrationen von Säbelzahnkatzen zeigen diese oft, wie sie ein Bison zur Strecke bringen, aber diese Beutetheorie wird von den Untersuchungsergebnissen nicht gestützt“, erklärte Studienleiterin Larisa DeSantis, eine Paläontologin der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee. Die Forschungsarbeit wurde am 5. August 2019 im Wissenschaftsmagazin Current Biology veröffentlicht und legt Beweise vor, dass Smilodon eher im Wald lebte und dort pflanzenfressenden Beutetieren im Unterholz nachstellte.

„Sie jagten wahrscheinlich eher Tapire und Rehartige als Pferde und Bisons“, sagt DeSantis.

Die umfassende Studie ihres Teams liefert auch eine Erklärung dafür, warum kleinere Raubtiere wie Kojoten und Wölfe bis in die Neuzeit überleben konnten, während größere Carnivoren wie Säbelzahnkatzen, der Urzeitwolf Canis dirus und Amerikanische Löwen vor 10.000 bis 12.000 Jahren ausstarben.

Das Team geht davon aus, dass der Schlüssel in der Beuteflexibilität lag, mit der sie sich in Nordamerika besser an das Verschwinden vieler großer Pflanzenfresser wie dem Megatherium americanum (einem am Boden lebenden Riesenfaultier), Mammuts, dem Amerikanischen Mastodon und Kamelen anpassen konnten. Frühere wissenschaftliche Arbeiten belegen beispielsweise, dass Kojoten nach dem Aussterben der großen Pflanzenfresser um rund 20 Prozent kleiner wurden. Die neue Untersuchung ihrer Zähne lassen den Schluss zu, dass sie ihren Lebensstil den veränderten Umständen anpassten.

„Als die großen Raub- und Beutetiere ausstarben, sind sie nicht nur kleiner geworden, sie haben auch ihren kompletten Speiseplan geändert und wurden zu den aasfressenden Opportunisten, die wir heute kennen“, gibt DeSantis an.

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Die Erkenntnis der Zähne

Die Forscher untersuchten mehr als 700 fossilierte Zähne aus La Brea. Sie gehörten zu unterschiedlichen Herbivorenarten, Amerikanischen Löwen, Urzeitwölfen, Pumas, Kojoten und Grauen Wölfen. Das Team bezog dabei die unter dem Mikroskop sichtbaren Abnutzungsspuren ein, die einen Rückschluss auf die Nahrungsquellen liefern, die mit den Zähnen gekaut wurden. Außerdem wurde das Verhältnis von zwei Kohlenstoffisotopen im Zahnschmelz analysiert.

Diese beiden Varianten des Kohlenstoffatoms reichern sich in jeweils unterschiedlichen Verhältnissen in Pflanzen aus bewaldeten Gebieten oder Savannen an. Herbivoren, die diese Pflanzen fressen, weisen also in ihren Körpern einen chemischen Hinweis auf ihr bevorzugtes Habitat auf, der sich dann auf die Carnivoren überträgt, die sie fressen. Das bedeutet, dass die Überreste der Carnivoren Hinweise darauf liefern können, ob sie Tiere erbeuteten, die in bewaldeten oder Savannenhabitaten lebten.

Vorangegangene Studien hatten sich mit dem Verhältnis von Kohlenstoff- und Stickstoffisotopen in den Überresten des Proteins Kollagen beschäftigt, das aus den in La Brea gefundenen Raubtierknochen extrahiert werden konnte. Durch diese Arbeiten kam man zu dem Schluss, dass die größten Raubtiere – zu denen auch Smilodon, Canis dirus und Amerikanische Löwen zählen – wahrscheinlich auf offenem Gelände jagten.

„Bislang wiesen die Daten darauf hin, dass sie alle miteinander um die gleichen Beutetiere konkurrierten“, sagt DeSantis. Einige Experten stellten daher die Theorie auf, dass diese Rivalität um Ressourcen zu ihrem Aussterben beigetragen hat. Inzwischen ist jedoch laut DeSantis die Analyse des Zahnschmelzes für solche Isotopentests das beste Verfahren.

BELIEBT

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    „Zahnschmelz liefert zuverlässigere Ergebnisse als Kollagen“, meint Julie Meachen, eine Paläontologin der Des Moines University in Iowa, die nicht Teil des Studienteams war. Das liegt daran, dass sich der Zahnschmelz durch die Fossilierung oder die lange Lagerung unter der Erde mit geringerer Wahrscheinlichkeit verändert hat.

    Und „wenn wir uns den Zahnschmelz anschauen, ergibt sich auf einmal ein ganz anderes Bild“, führt DeSantis aus. „Wir stellten fest, dass die Säbelzahnkatzen, Amerikanische Löwen und Pumas das getan haben, was Katzen üblicherweise tun: Sie lebten in bewaldeten Ökosystemen und nutzten als Lauerjäger die Deckung der Vegetation.“

    Im Gegensatz dazu jagten ihre hundeartigen Gegenstücke wie der Canis dirus Kojoten und Graue Wolfe in offenerer Umgebung.

    „Katzen und Hunde haben sich ihre Bereiche abgesteckt“, sagt sie.

    Optimale Anpassung zum Überleben

    Die Resultate der Analysen legen nahe, dass es unter den größten Carnivoren des Pleistozäns in dieser Gegend weit weniger Konkurrenz gab, insbesondere zwischen den Säbelzahnkatzen und Canis dirus.

    Die neue Studie ist wegweisend, denn sie ist „die erste Arbeit, die darauf hinweist, dass Smilodon und Canis dirus ganz unterschiedliche Beutetiere bevorzugten“, sagt Meachen. „Es ergibt Sinn, dass Smilodon in Gegenden mit dichterer Vegetation jagte, da er wahrscheinlich nicht in der Lage war, Beutetiere über größere Strecken hinweg zu verfolgen. Der Körperbau zeigt alle Merkmale eines Lauerjägers.“

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    Die Studie „trägt zu unserem Verständnis bei, wer Smilodon fatalis war und wo er sich am liebsten aufhielt“, fügt Paläontologe Christopher Shaw hinzu, einer der Kuratoren des Idaho Museum of Natural History und ehemaliger Sammlungsverwalter der La Brea Teergruben und des angeschlossenen Museums. Weitere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Smilodon in La Brea durchaus zeitweise Bisons fraß, aber das ist kein so großer Widerspruch, wie es auf den ersten Blick wirkt.

    „Es gab eine Unterart der Bisons, die auf das Leben in Waldhabitaten angepasst war und die ideale Beute abgab“, erklärt Shaw.

    Die Studie untermauert außerdem die Theorie, dass ein hoch spezialisiertes Beuteschema Arten wie Smilodon und Canis dirus zum Untergang verurteilte, während Kojoten sich durch ihre große Flexibilität an die veränderten Umweltbedingungen anpassen und neben Aas auf kleinere Beute wie Ratten oder Kaninchen zurückgreifen konnten.

    Kojoten, sagt Meachen, „stellen sich auf verfügbare Beute ein und passen sogar ihre Jagdtechniken an, um ihre Überlebenschancen zu optimieren.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

     

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