Warum bekommen Spechte keine Kopfschmerzen?
Hämmern, bis der Arzt kommt? Bei Spechten kann das lange dauern, denn evolutionäre Anpassungen sorgen dafür, dass Kopf und Gehirn der Belastung standhalten.
Manchmal gibt es Momente, da möchte man es dem Specht gleichtun und seinen Kopf wiederholt gegen eine Wand schlagen.
Im Gegensatz zum Menschen verkraftet der Specht das relativ problemlos. Wie aber kommt es, dass er von seinem Gehämmer keine Kopfschmerzen bekommt?
Hör mal, wer da hämmert
Das sei gar nicht so leicht zu beantworten, sagt der Ornithologe Walter Koenig von der Cornell University. Aber wenn das Klopfen den Vögeln Schmerzen bereiten oder sie gar verletzen würde, „würden sie vermutlich nicht lange leben“. Ein verletzter Vogel würde schnell Fressfeinden zum Opfer fallen.
Weltweit gibt es mehr als 300 Arten von Spechten, die aus verschiedensten Gründen auf Bäume einhacken: Manche wollen Nester aushöhlen, andere suchen nach Insekten oder Baumsaft, wieder andere wollen kleine Höhlen für ihr Vorräte bauen.
Bei der Auswahl des Baumes zielen die Vögel zumeist auf Exemplare ab, deren Holz durch Pilzbefall bereits geschwächt wurde und einfacher zu zerstören ist, erklärt Jerome Jackson, ein Verhaltensökologe der Florida Gulf Coast University.
Für gewöhnlich hacken die Vögel auch nur „mit Streifhieben – also nicht mit frontalen Treffern“ auf den Baum ein, was für die Spechte besser abzufedern ist, wie er sagt.
Manche Spechte trommeln regelrecht: Sie hacken enorm schnell auf einen Resonanzkörper ein – beispielsweise einen hohlen Baumstamm. Dadurch können sie ein sehr lautes Trommeln erzeugen, ohne selbst Schaden zu nehmen. Mit diesen Geräuschen locken sie Partner an und verteidigen ihr Revier.
Die in Nord- und Mittelamerika heimischen Eichelspechte verfolgen eine andere Strategie: Sie hacken kleine Löcher in Bäume. Jedes davon ist gerade groß genug, dass „eine einzelne Eichel hineinpasst“ – Vorräte für schlechtere Zeiten, wie Jackson erklärt.
In Kalifornien haben Eichelspechte vor nicht allzu langer Zeit einen folgenschweren Wintervorrat angelegt: Sie verstauten 2015 um die 140 Kilogramm Eicheln in dem Kasten einer Funkantenne und störten damit die Funk- und Kommunikationsverbindungen in den Städten der Umgebung.
Der Titel des YouTube-Videos, das den Fund dokumentiert, deutet auf Eichhörnchen als Übeltäter hin. Aber Walter Koenig ist sich ziemlich sicher, dass Eichelspechte dahinterstecken.
Spatzenhirn von Vorteil
Der Kopf der Spechte ist speziell auf die Belastung angepasst, die das wiederholte Einhämmern auf harte Oberflächen mit sich bringt.
Zum einen haben die Vögel sehr kleine Gehirne – sie wiegen nur knapp zwei Gramm. Denn je größer das Gehirn ist, desto größer ist seine Masse und damit auch das Risiko einer Hirnverletzung, sagt Lorna Gibson. Die MIT-Professorin für Materialwissenschaften und Ingenieurswesen hat die Gehirne von Spechten erforscht.
„Die Größe ist der wichtigste Faktor“, sagt Gibson, die ihre Forschungsergebnisse in Form einer Videoreihe dokumentierte.
Galerie: Von wegen Spatzenhirn! Was Vögel alles können
Ein weiterer Faktor, der das Köpfchen der Spechte schützt, ist der Umstand, dass ihr Schnabel nur einen kleinen Bruchteil einer Sekunde überhaupt Kontakt zum Holz hat, sagt sie. Der kurze Moment der Berührung dauert nur zwischen einer halben bis einer Millisekunde. Im Vergleich dazu entstehen menschliche Kopfverletzungen meist durch einen Zusammenstoß von drei bis 15 Millisekunden Dauer.
Die Fähigkeit der Spechte, die Energie aus solchen Aufprallen zu absorbieren, inspirierte sogar ein spezielles System, das bei Sportarten wie Football vor Gehirnerschütterungen schützen soll.
Hilfreicher Dickschädel
Die äußere Schicht des Spechtschädels besteht aus dichtem, stabilem Knochen, während die Innenseite aus porösem Knochengewebe ist, erklärt Gibson.
Die Krafteinwirkung, die beim Klopfen entsteht, „wird um den ganzen Schädel herum bis zum stabilen Knochengewebe der Schädelbasis und der Rückseite übertragen“, wodurch das Gehirn dem Druck nicht so stark ausgesetzt ist, sagt Richard Prum. Der Ornithologe forscht an der Yale University.
Außerdem ist das Gehirn eines Spechts exakt in seine Schädelhöhle eingepasst. Die Erschütterungen durch das Klopfen machen ihm also nicht so viel aus, da es dadurch nicht innerhalb des Schädel umhergeworfen wird. Auch seine Ausrichtung ist laut Gibson vom MIT wichtig: Das Gehirn liegt leicht angewinkelt im Schädel, wie eine halbe Orange, deren flache Seite nach vorn zeigt. Dadurch ist die Oberfläche größer, die die Energie des Aufpralls absorbieren kann.
Eine Studie aus dem Jahr 2011 deutete außerdem darauf hin, dass das Zungenbein – die Struktur aus Knochen und Muskeln, die sich um den Schädel des Spechts wölbt – das Gehirn ebenfalls schützt.
„Insgesamt kann man also sagen, dass das ein sehr gutes evolutionäres Design ist“, fasst Prum zusammen.
Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.
Vögel
„Vögel sind Sensoren“
Der Ornithologe Martin Wikelski erforscht die Bewegungen von Störchen und Gänsen mit modernster Technik. Die Daten verraten ihm viel über den Zustand der Erde.
Um die Welt in 31 fantastischen Vogelporträts
Von Schottland bis zur Antarktis, von winzigen Kolibris bis zu mächtigen Adlern: Entdeckt atemberaubende Aufnahmen von Vögeln in ihren Lebensräumen.
Smarte Vögel: Wie intelligent sind eigentlich Pinguine?
Im schicken Frack und mit Watschelgang erobern Pinguine Herzen, aber ihre kognitiven Leistungen beeindrucken noch mehr.