Der kommerzielle Walfang in Island ist am Ende

Aufgrund der Pandemie, Exportproblemen der wachsenden Beliebtheit von Walbeobachtungen könnte eine der drei verbliebenen Walfangnationen bald aufgeben.

Von Kieran Mulvaney
Veröffentlicht am 4. Mai 2020, 14:47 MESZ
Finnwal

Der erste Finnwal der Saison 2013 wird in den Hvalfjörður bei Reykjavik gebracht. Die beiden Walfangbetriebe des Landes werden dieses Jahr nicht zur Jagd aufs Meer fahren – und vielleicht auch in Zukunft nie wieder.

Foto von Sigtryggur Johannsson, Reuters

Zum zweiten Jahr in Folge wird Island – eine der drei weltweit verbliebenen Walfangnationen – 2020 keine Wale jagen. Mit dem Wandel der öffentlichen Meinung und dem Rückgang des Walfleischkonsums könnte sich der kommerzielle Walfang in Island und womöglich dem Rest der Welt einen Schritt näher auf sein endgültiges Ende zubewegt haben.

Die kleine Inselnation verzeichnet ohnehin bereits die niedrigste Walfangquote unter den Walfangnationen, zu denen noch Norwegen und Japan zählen. Seit der Wiederaufnahme des Walfangs im Jahr 2003 – nach einer 14-jährigen Pause – hat Island insgesamt 1.505 Wale getötet. Aktuelle Mitteilungen der zwei Walfangunternehmen des Landes deuten allerdings darauf hin, dass die jährliche Jagd ein Ende finden könnte.

Gunnar Bergmann Jonsson, der geschäftsführende Direktor der Firma IP-Utgerd, die sich auf den Fang von Zwergwalen spezialisiert, sagte am 24. April gegenüber AFP: „Ich werde nie wieder Wale jagen. Damit bin ich ein für alle Mal fertig.“

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Noch am selben Tag erklärte Kristján Loftsson, der Firmenchef von Hvalur, gegenüber der isländischen Zeitung „Morgunbladid“, dass seine Schiffe in diesem Sommer nicht in See stechen würden.

Einer der Gründe dafür sei Loftsson zufolge, dass die Bemannung der Schiffe und die Verarbeitung der Wale durch die COVID-19-Kontaktbeschränkungen schwierig wären. Aber Havlurs Schiffe hatten die Häfen auch schon 2019 nicht verlassen. Loftsson räumt ein, dass die Ursachen dafür andere sind: Zum einen jagt sein Unternehmen vorwiegend Finnwale für den Export nach Japan. Aber das Land sei ein schwieriger Markt geworden.

2019 setzte Japan nach 80 Jahren seinem Walfang in der Antarktis ein Ende, zog sich aus der Internationalen Walfangkommission (IWC) zurück und verschob seinen Fokus auf die Jagd in den eigenen Gewässern. Für Walfanggegner waren gerade die beiden letzteren Beschlüsse ein Stein des Anstoßes, während japanische Funktionäre die Entscheidung als einen Akt der Prinzipientreue und des Widerstandes präsentierten.

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Wahrscheinlich wurde ihre Entscheidung aber eher von dem stetig fallenden Walfleischkonsum in Japan beeinflusst. Pro Kopf essen die Japaner mittlerweile nur noch knapp 30 Gramm pro Jahr. Infolgedessen liegen nun schätzungsweise 4.000 Tonnen unverkauften Walfleischs in Lagerhäusern – Tendenz steigend.

Loftsson erzählte dem „Morgunbladid“, dass die japanische Regierung Walfänger subventioniert, damit sie ihren Betrieb aufrechterhalten können. Dadurch sei es für seine Firma unmöglich geworden, mit den Preisen der Japaner zu konkurrieren.

Bis zum Redaktionsschluss hatten weder Loftsson noch Jonsson auf Anfragen zur Stellungnahme reagiert.

Ein weiteres Problem ist für Loftsson, dass sich die öffentliche Meinung zum Thema Walfang geändert hat, sagt Árni Finnsson, der Vorsitzende der Iceland Nature Conservation Association. „Die Fischfangindustrie ist nicht mehr gewillt, ihn zu unterstützen. Dort herrscht die Meinung, dass man Fisch in den US-Markt exportieren können muss. Man will den Walfang nicht länger rechtfertigen müssen. Ich glaube, [Loftsson] ist erledigt.“

Dieser Mentalitätswandel ist Folge eines anderen dramatischen Wandels in Island: Die Unterstützung für den Walfang nimmt immer mehr ab, je mehr die Einnahmen durch Walbeobachtungen zunehmen.

Waljagd – aber mit der Kamera

Zwischen 2012 und 2016 stieg die Zahl der Menschen, die Walbeobachtungstouren in Island buchten, um 15 bis 34 Prozent. Damit war allein der jährliche Zuwachs an Waltouristen größer als die Gesamtzahl der Walbeobachter im Jahr 2000.

Im nördlichen Küstendorf Hauganes (Einwohnerzahl: 137) gab es 2015 4.000 Besucher, die die Wale sehen wollten. 2018 waren es bereits 17.000.

Die Walbeobachtungstouren, die von der Hauptstadt Reykjavik aus starten, fahren im östlichen Bereich der Faxaflói-Bucht umher. In den letzten Jahren waren dort aber auch Zwergwalfänger unterwegs. Deshalb wurde 2007 in kleiner Bereich der Bucht als Schutzgebiet ausgewiesen, damit Walfänger und Walbeobachter nicht denselben Tieren nachstellten.

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Im November 2017 verkündete die Regierung – nach einer Kampagne von Icewhale, der nationalen Assoziation von Whale-Watching-Veranstaltern – die Ausweitung des Schutzgebietes. Damit waren die Jagdgründe der Walfänger effektiv verschwunden: Zwischen 2007 und 2016 wurden 321 der 335 in Island getöteten Zwergwale in einem Bereich gefangen, der nun innerhalb der Grenzen des Schutzgebietes liegt.

Der mangelnde Zugang zu Walfanggebieten fällt mit dem starken Absinken der Nachfrage an einem traditionellen Gericht zusammen, das Finnsson zufolge ohnehin nie sonderlich beliebt war.

„Als ich als Kind in Akureyri im Norden aufgewachsen bin, gab es bei uns jeden Mittwoch Zwergwal“, erinnert er sich lächelnd. „Das Fleisch war sehr billig und nichts, was man am Sonntag auftischen würde. Es war nicht besonders gut.“

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Eine Umfrage, die Gallup 2018 für den International Fund for Animal Welfare (IFAW) durchführte, ergab, dass nur 1 Prozent der Isländer regelmäßig Walfleisch essen. Im Gegensatz dazu hatten 84 Prozent geantwortet, noch nie im Leben Wal gegessen zu haben.

Ein Großteil des heimischen Marktes hatte sich zunehmend auf ausländische Besucher ausgerichtet, denen Kostproben als traditionelle Delikatesse verkauft wurden. Eine Kampagne von Icewhale und IFAW zielte darauf ab, Touristen vom Walfleischverzehr abzuraten. Seit 2011 hat sich der Konsum auch deshalb halbiert.

Die fehlende Begeisterung für Walfleisch ist auch in Norwegen zu spüren. Allein von 2016 auf 2017 ist die Walfangflotte um fast die Hälfte geschrumpft. Die verbleibenden Schiffe decken mit dem Fang, der Verarbeitung und dem Verkauf von Walen kaum ein Drittel der erlaubten Quote ab.

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Die Entwicklungen in Island lassen vermuten, dass die nationale Gleichgültigkeit und die wachsende Beliebtheit von Walbeobachtungen das Schicksal des kommerziellen Walfangs bald besiegeln könnten.

„Die letzten verbliebenen Walfänger scheinen sich aus dem Geschäft zu verabschieden“, sagt Patrick Ramage, der IFAW-Direktor für den Meeresschutz. „Wale stattdessen mit Kameras zu jagen, hat für Küstengemeinden auf der ganzen Welt wirtschaftliche Vorteile. Und Island macht es vor.“

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

 

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