Corona-Spürhunde: Covid-Detektoren der Zukunft

In Finnland durften sie an Flughäfen schnüffeln und auch in Hannover wurden Hunde zu Covid-Detektoren ausgebildet: Könnten bald auch deutsche Corona-Spürhunde ihren Dienst antreten?

Von Barbara Buenaventura
Veröffentlicht am 9. März 2021, 15:48 MEZ, Aktualisiert am 10. März 2021, 12:35 MEZ
Belgischer Schäferhund, aufmerksam

Belgische Schäferhunde eignen sich gut für das Training als Spürhund. 

Foto von Ines Meier - stock.adobe.com

Schon im Sommer 2020 sorgten sie für erste Schlagzeilen: Spürhunde, die nach einer Extraausbildung „Corona-Geruch" erspüren können. Duftstoffe also, die von Zellen infizierter Menschen kommen – und zwar im besten Fall noch bevor diese Symptome zeigen. Veterinärforscher der Universität Helsinki, aber auch die deutsche Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover haben Studien zu begabten Spürhunden veröffentlicht, die statt nach Bettwanzen, Drogen oder Sprengstoff künftig nach Corona suchen sollen. Wirklich naheliegend war der Ursprungsgedanke zunächst nicht – denn während Polizei und Zoll Spürhunde schon lange nutzen, ist der Einsatz von Spürhunden in der Medizin bislang nur wenig verbreitet. Zudem: „Als die Pandemie vor einem Jahr begann, war nicht klar, ob sich Hunde zum Erschnüffeln von erkrankten Patienten eignen könnten", sagt Prof. Dr. Holger Volk, Direktor der Klinik für Kleintiere der Tierärztlichen Hochschule Hannover, die ein Forschungsprojekt gemeinsam mit der Bundeswehr, der Medizinischen Hochschule Hannover und dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf durchführte.

In einem Pilotprojekt wurden zunächst acht spezialisierte Spürhunde der Diensthundeschule der Bundeswehr mit Hilfe einer speziellen Geruchsmaschine darauf trainiert, Speichel- oder Tracheobronchialsekrete von SARS-CoV-2-infizierten Patienten nachzuweisen. Das Ergebnis nach nur einer Ausbildungswoche: Die Hunde konnten zwischen Proben infizierter und nicht infizierter Personen mit einer Spezifität von über 96 Prozent unterscheiden und erreichten eine Gesamterkennungsrate von 94 Prozent. „Diese Daten können die Grundlage für die zuverlässige Screening-Methode von SARS-CoV-2-infizierten Personen bilden", heißt es in der Studie, die im Sommer 2020 im BMC Infectious Deseases Journal veröffentlicht wurde. Weitere Forschungen mit Differenzierungen und erweiterten Proben folgten, die die bisherigen Erkenntnisse verifizierten und spezifizierten: Ausgebildete Spürhunde können Corona erschnüffeln – auch dann, wenn der Patient asymptomatisch ist. Wie erreichen die Hunde diese enorme Riechleistung?

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Je größer die Fläche der Hundenase, desto besser die Riechleistung

Die olfaktorischen Leistungen von Haushunden sind seit jeher verblüffend: Als Makrosmatiker (griechisch für "Großriecher") können sie sich auf ihren Geruchssinn besonders gut, besser noch als auf ihre anderen Sinne verlassen. Dafür verantwortlich ist wie bei vielen anderen Wirbeltieren auch beim Hund das so genannte Jacobson-Organ, das sich am Gaumen unterhalb der Nase befindet und eine Öffnung zur Mundhöhle hin hat. Die Qualität der feinen Hundenase basiert auf Riechzellen, die im Riechepithel in der Nasenschleimhaut angesiedelt sind. Ihre Menge variiert stark und ist von der Rasse ebenso wie von Größe und Form der Nase abhängig. Während Dackel über etwa 125 Millionen Riechzellen verfügen, ist ein Schäferhund mit rund 220 Millionen Riechzellen ausgestattet. Zum Vergleich: Die menschliche Riechschleimhaut macht nur etwa ein Fünftel der Fläche aus, die sie beim Hund einnimmt. Wir Menschen gehören mit rund fünf Millionen Riechzellen zu den Mikrosmatikern und verlassen uns nicht ohne Grund besser auf unsere visuelle Wahrnehmung.

Wie gut Hunde ihren Geruchssinn einsetzen können, ist allerdings nicht nur von ihrer Ausstattung, sondern auch von der Verarbeitung der mit dem Geruch aufgenommenen Informationen abhängig: „Die Analyse der Geruchsinformation, das Wiedererkennen bekannter Düfte sowie die Planung und Ausführung sinnvoller Verhaltensmuster aufgrund der Geruchsinformation – all das sind Leistungen des Gehirns", hieß es schon 2008 in einer Studie der Universität Heidelberg im Forschungsmagazin Ruperto Carola. Der Hund dechiffriert entsprechend chemische Signale, die er riecht und/oder schmeckt. Durch das Aufschlecken von beispielsweise Urin kann er neben dem Geschlecht auch das Alter des anderen Hundes erkennen. Auch das Erkennen von Krankheiten ist so möglich.

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    Mittels einer Geruchsmaschine wurde Hund Otto auf das Erschnüffeln von SARS-CoV-2 trainiert.

    Foto von Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

    Wie arbeiten "Medical Detection Dogs"?

    Speziell ausgebildete „Medical Detection Dogs" sind geschult darin, einen Geruch mit einer bestimmten Krankheit zu verbinden oder eine biochemische Veränderung am Geruch der betreffenden Person zu erkennen. Das kann etwa bei Diabetes, Allergien oder Morbus Addison vorkommen. Auch in der Krebserkennung wird bereits mit Hunden gearbeitet – allerdings noch nicht im großen Stil: „Die Forschung, Spürhunde zur Detektion von Erkrankungen einzusetzen, steckt noch in den Kinderschuhen", sagt Prof. Dr. Volk. Im Fall von SARS-CoV-2 gibt das Virus selbst keinen Geruch ab. Es verändert aber den Stoffwechsel befallener menschlicher Zellen – die dann abgegebenen Stoffe kann ein gut trainierter Hund riechen.

    Nicht jeder Hund eignet sich als professioneller Schnüffler. Für das Projekt der Stiftung Tierärztliche Hochschule wurden acht bereits spezialisierte Spürhunde herangezogen. Grundsätzlich sollten diese neben einer entsprechenden Ausbildung vor allem Motivation und Spaß an der Suche mitbringen. Klassische Spürhunde sind Jagdhunde, Golden Retriever, Belgische oder Deutsche Schäferhunde, die von Haus aus lernbegierig und aktiv sind. Das kommt auch dem Erspüren von SARS-CoV-2 zugute. Zudem: „Geeignet sind Hunde, die nicht nur vom Erschnüffeln her ‚gute Hunde‘, sondern auch emotional stabil sind und sich nicht schnell verwirren lassen", sagt Volk. Schließlich sollten sich die Hunde im Ernstfall in ungewohnten Situationen schnell zurechtfinden und in Gegenwart von Menschenmassen wohlfühlen.

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    Einsatz von Spürhunden als Ergänzung zu gängigen Tests

    Der Einsatz von Corona-Spürhunden „(…) könnte in öffentlichen Bereichen wie Flughäfen, Sportveranstaltungen, Grenzen oder anderen Massenversammlungen als Alternative oder Ergänzung zu Labortests" stattfinden, hieß es bereits in der Ursprungsstudie der Stiftung Tierärztliche Hochschule aus dem Sommer 2020. Diese Eingrenzung kommt nicht von irgendwoher, sagt Volk, denn zum einen würden in den genannten Bereichen häufig bereits Hunde eingesetzt, zum anderen könnten diese Orte in Bezug auf das Infektionsgeschehen knifflig werden. Der Einsatz von Spürhunden in der Covid-Detektion könnte sich als Win-Win-Situation für alle Beteiligten herausstellen – natürlich stets als Ergänzung zu gängigen Tests, nicht als Ersatz. Im Februar 2021 wurde das Projekt und mögliche künftige Szenarien dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil vorgestellt, der sich Medienberichten zufolge einen Einsatz an Grenzen und Flughäfen grundsätzlich vorstellen kann. Ob die Hunde auch beim Einlass zu Veranstaltungen eingesetzt werden könnten, sollten Machbarkeitsstudien zeigen.

    Passiert ist seitdem noch nicht viel – auch Holger Volk ist darüber verwundert. „Natürlich dürfen bei einem Einsatz von Spürhunden die jeweiligen kulturellen Hintergründe nicht ignoriert werden", sagt der Veterinärforscher. „In England beispielsweise ist man Hunden gegenüber sehr positiv eingestellt – ein Spaniel, der durch die Massen streift und dann und wann anschlägt, dürfte dort kein Problem darstellen. In Deutschland gibt es hingegen oft negative Assoziationen mit Hunden, die selektieren." Daran sollte der Einsatz der Spürhunde jedoch nicht scheitern: Eine genommene Probe, die dem Hund unabhängig vom dazu gehörenden Menschen präsentiert wird, könnte solchen Sorgen Volk zufolge entgegenwirken - das war auch das Vorgehen in einem finnischen Pilotprojekt mit Corona-Spürhunden, das ab Herbst 2020 am Flughafen von Helsinki durchgeführt wurde.

    Der Tierarzt, Neurologe und Neurochirurg Prof. Dr. Holger Volk leitet die Klinik für Kleintiere an der Tierärztlichen Hochschule Hannover.

    Foto von Stiftung Tierärztliche Hochschule

    Auch am Dubai Airport schnüffelten Hunde bereits nach Covid-19, ebenso an Bahnhöfen in Chile. In Indien wurde der Einsatz von ausgebildeten Cockerspaniels, Labradoren und einheimischen Chippiparais zunächst immerhin für die indische Armee geplant. Wann ist es in Deutschland soweit? An Anfragen aus der Bevölkerung mangle es nicht, sagt Volk – jeden Tag erhalte die Klinik mehrere Anfragen von interessierten Seniorenheimen, Kindergärten und Schulen, die die Spürhunde als zusätzliche Methode zur PCR-Testung in Anspruch nehmen wollten. Er müsse sie vertrösten, so leid es ihm tue: Was fehle, sei ein mit den Behörden entwickeltes Procedere, um das Wissen gezielt einzusetzen und damit auch weniger entwickelten Ländern helfen zu können, denen entsprechende finanzielle Mittel für herkömmliche Testungen fehlten. Dafür sei jedoch Unterstützung von politischer Seite nötig, sagt Volk.

    Ein abschließendes Ergebnis oder eine Handlungsanweisung steht jedoch noch aus: "Wenn der politische Wille und das Interesse daran so stark wären wie bei den Antigen-Tests, könnten wir morgen schon durchstarten." Mit den Forschungsgruppen aus den anderen Ländern, die mit unterschiedlichen Testmethoden zu ähnlichen Ergebnissen gekommen seien, bleibt Holger Volk in jedem Fall im Austausch – unter anderem im Rahmen von durch die WHO initiierten Treffen. Das Thema: ob und wie Spürhunde bei künftigen Pandemien eingesetzt werden könnten – denn vielleicht war SARS-CoV-2 ja nicht das letzte Virus, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen.

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