Phantome der Fauna: Die fünf seltensten Säugetiere Deutschlands

Jede dritte Säugetierart in Deutschland ist gefährdet. Einige Arten sind so rar, dass man sie kaum jemals zu Gesicht bekommt.

Rückkehrer: In der Roten Liste wird der Elch nicht mehr als „ausgestorben oder verschollen“ eingestuft, sondern als „extrem selten“.

Foto von Ralph Frank
Von Jens Voss
Veröffentlicht am 3. Feb. 2022, 13:57 MEZ, Aktualisiert am 23. Feb. 2022, 15:34 MEZ

Von Alpenfledermaus bis Zwergwal: 107 Säugetierarten gibt es in Deutschland. Einige Arten haben in den letzten Jahren ein erstaunliches Comeback hingelegt. Bekanntestes Beispiel ist wohl der Wolf, der vor rund 20 Jahren nach Deutschland zurückgekehrt ist und sich seitdem kontinuierlich ausbreitet. Andere Arten wie der einst nahezu allgegenwärtige Feldhamster stehen kurz vor der Ausrottung.

Vielen Säugetieren geht es seit den letzten 10 bis 15 Jahren schlechter. Zu diesem Ergebnis kommt das Bundesamt für Naturschutz in der aktuellen Roten Liste der gefährdeten Arten. Untersucht wurde dazu die Bestandsituation von 97 heimischen Säugetierarten.

Fazit: Positiv entwickelt haben sich die Bestände von 17 Säugetieren. Bei weiteren 39 Arten wurde zumindest eine stabile Entwicklung festgestellt, was oft gezielten Schutzmaßnahmen zu verdanken sei. Doch fast ein Drittel (31 Prozent) der bewerteten Arten ist in ihrem Bestand gefährdet. In der Vorgängerliste von 2009 waren es noch 27 Prozent.

Galerie: Wiedergeburt der Ausgestorbenen

Das Schicksal der Feldhamster

Sieben Säugetierarten sind akut vom Aussterben bedroht. Mit der Großen Hufeisennase, dem Grauen Langohr und der Nymphenfledermaus werden allein drei Fledermausarten in der höchsten Gefährdungskategorie der Roten Liste geführt. Besonders schlecht steht es außerdem um Feldhamster, Hausratte, Luchs und Zwergwal.

Wenn eine Art vom Aussterben bedroht ist, muss sie aber nicht unbedingt seltener sein als eine weniger gefährdete Spezies. Entscheidend ist, wie sich der Bestand entwickelt. Beispielhaft dafür steht der Feldhamster. Zwar leben laut Nabu noch bis zu 50.000 Exemplare in Deutschland. Bis vor wenigen Jahrzehnten waren es aber noch mehrere Millionen. Als größte Bedrohung gilt die Intensivierung der Landwirtschaft. 

BELIEBT

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    Der Feldhamster steht seit 2020 auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere. 

    Foto von Martina Umlauft, WWF

    Die Top 5 der seltensten Säugetiere

    Heute gelten 41 Prozent aller Säugetiere in Deutschland als selten bis extrem selten. Einige Arten sind so selten, dass kaum jemand sie zu Gesicht bekommt:

    Baumschläfer

    Dieses Nagetier ist ein echtes Phantom: Der nachtaktive Baumschläfer (Dryomys nitedula) lebt in Wäldern mit dichtem Unterholz. Vorkommen in Deutschland sind nur aus Bayern bekannt. Der letzte offizielle Nachweis stammt allerdings aus dem Jahr 1988. Seitdem wurde die Art noch zweimal beobachtet: einmal 1993 in der Nähe von Garmisch-Partenkirchen und einmal 2010 im Landkreis Rosenheim. Offenbar reagiert der Baumschläfer empfindlich auf die zunehmende Trockenheit infolge des Klimawandels und oder durch die gezielte Entwässerung seines Lebensraums.

    Der nachtaktive Baumschläfer wurde zuletzt 2010 in Deutschland beobachtet.

    Foto von AdobeStock

    Elch

    Er ist das größte Säugetier in Deutschland – und wahrscheinlich das seltenste. Noch vor wenigen Jahren galt der Elch (Alces alces) bei uns als ausgestorben. Seit einigen Jahren aber zieht es immer wieder einzelne Exemplare aus Osteuropa nach Deutschland. Vor kurzem gab es offenbar sogar ersten Nachwuchs in Sachsen. In der aktuellen Roten Liste wird der Elch deshalb nicht mehr als „ausgestorben oder verschollen“ eingestuft, sondern als „extrem selten“. Ob es aber tatsächlich mehr oder weniger als zehn Tiere sind, die wieder dauerhaft bei uns leben, gilt als unklar.

    Seit einigen Jahren zieht es immer wieder Elche aus Osteuropa nach Deutschland. Ob die größte Hirschart wieder dauerhaft bei uns heimisch wird, ist noch unklar.

    Foto von A. Lehnig

    Luchs

    Europas größte Raubkatze wurde jahrhundertelang systematisch ausgerottet. Heute streifen wieder 125 bis 135 erwachsene Luchse durch unsere Wälder – 2019 waren es 85 erwachsene Tiere. Tatsächlich eignen sich aber nur wenige Regionen zur Wiederansiedlung von Lynx lynx. Es gibt kaum große Waldflächen in Deutschland, die nicht von Straßen oder Siedlungen durchschnitten werden. Viele Jungtiere können so keine eigenen Reviere finden. Außerdem sterben immer wieder Luchse im Straßenverkehr und durch Wilderei.

    Luchsnachwuchs. Das dichte Verkehrsnetz erschwert die Wiederansiedlung der scheuen Katzen.

    Foto von AdobeStock

    Weißschnauzendelfin

    Fossilienfunde zeigen, dass der Weißschnauzendelfin (Lagenorhynchus albirostris) schon in der letzten Eiszeit die deutsche Nordsee bevölkerte. Bis vor kurzem war sich die Forschung aber nicht sicher, ob er nur bei uns zu Gast ist – denn in Europa fühlt sich der Weltenbummler offenbar in den kalten Gewässern um Island am wohlsten. Inzwischen aber zählt der Weißschnauzendelfin auch bei uns zu den so genannten etablierten Arten. Zwischen 2010 und 2018 wurde der knapp drei Meter lange Meeressäuger 44-mal in der deutschen Nordsee gesichtet.

    Der Weißschnauzendelfin ist die größte heimische Delfinart.

    Foto von AdobeStock

    Zwergwal

    Auch der Zwergwal oder Minkwal (Balaenoptera acutorostrata) galt lange nur als Gast in unseren Gewässern. Während Sichtungen früher selten waren, werden seit 2013 jedes Jahr Zwergwale in der deutschen Nordsee beobachtet. Auch in der Ostsee kommt der knapp 10 Meter lange Bartenwal vor, wobei er dort vor allem durch den Fährverkehr stark bedroht ist. Allein 2016 wurden in der Ostsee zwei Zwergwale durch Schiffsüberfahrten getötet. Wie der Weißschnauzendelfin und andere Meeressäuger leidet er überdies an der Verschmutzung der Meere.

    Der Zwergwal wird bis zu zehn Meter lang.

    Foto von AdobeStock
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