Ausgestorben: Diese fünf Tierarten sind für immer aus Deutschland verschwunden

Seit Beginn der Neuzeit sind zahlreiche Arten durch Menschenhand ausgestorben. Im Porträt: Fünf Tiere, die einst in Deutschland heimisch waren, aber inzwischen weltweit ausgerottet wurden.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 20. Okt. 2023, 09:15 MESZ
Seit Jahrhunderten ausgestorben: Auerochse nach Siegmund von Herberstein (1556)

Seit Jahrhunderten ausgestorben: Auerochse nach Siegmund von Herberstein (1556)

Foto von Gemeinfrei

Dass Tiere und Pflanzen aussterben, ist grundsätzlich normal. Weit über 90 Prozent aller Organismen, die je auf der Erde gelebt haben, existieren heute nicht mehr. Allerdings nimmt der Mensch immer mehr Einfluss auf diese Prozesse. Etwa durch Jagd, Lebensraumzerstörung oder durch Einschleppung fremder Arten.

Für die Weltnaturschutzunion IUCN markiert das Jahr 1500 einen Wendepunkt in der Geschichte der Tier- und Pflanzenwelt. Seit Beginn der Neuzeit ist der Mensch selbst in die entlegensten Erdwinkel vorgedrungen – und hat damit ein beispielloses Artensterben ausgelöst.

Allein 84 Säugetier- und 159 Vogelarten sind seitdem ausgestorben. Auch in Deutschland lebten noch vor wenigen hundert Jahren Arten, die inzwischen für immer verschwunden sind. Beispielhaft dafür stehen folgende fünf Tiere. 

Fünf ausgestorbene Tiere in Deutschland

1. Auerochse (Bos primigenius)

Einst besiedelte das imposante Wildrind offene Wälder in weiten Teilen Europas. Doch Klimaveränderung, Jagd und Lebensraumzerstörung haben dem Auerochsen oder Ur den Garaus gemacht. In Deutschland wurde das letzte Tier um 1470 in Bayern erlegt. Eine Restpopulation konnte sich lange in Polen halten. 1627 starb dort das weltweit letzte Exemplar. Der Auerochse gilt als Urform heutiger Hausrinder. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts wurde versucht, ihn durch Kreuzung ursprünglicher Rinderrassen „rückzuzüchten“. Die heutige Forschung spricht dabei eher von „Abbildzüchtung“. Denn äußerlich mögen diese Rinder ihrem wilden Urahn stark ähneln. Genetisch unterscheiden sie sich aber deutlich voneinander. Der Auerochse ist und bleibt also ausgestorben.

BELIEBT

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    So ähnlich könnte er ausgesehen haben: „Abbildzüchtung“ eines Auerochsen

    Foto von Adobe Stock

    2. Bodensee-Kilch (Coregonus gutturosus)

    Dieser rund 30 Zentimeter lange Süßwasserfisch gilt seit den 1970er-Jahren als ausgestorben. Wie andere Felchen-Arten auch lebte er ausschließlich im Bodensee. Die Intensivierung der Landwirtschaft wurde dem Bodensee-Kilch zum Verhängnis: Düngemittel und andere Abwässer reicherten sich stark im Bodensee an und verringerten den Sauerstoffgehalt. Die Fischeier der empfindlichen Art konnten sich nicht mehr entwickeln. Seitdem hat sich die Gewässerqualität im Bodensee zwar deutlich gebessert. Doch für den Bodensee-Kilch indes kam jede Rettung zu spät.

    Abbildung eines Bodensee-Kilches aus einem historischen Bestimmungsbuch

    Foto von Gemeinfrei

    3. Bayerische Kurzohrmaus (Microtus liechtensteini bavaricus)

    Dieses winzige Säugetier gilt erst seit 1962 als eigene Art. In einem Waldgebiet bei Garmisch-Patenkirchen waren damals 23 Tiere in Fallen getappt. Eine weitere Population wurde Mitte der 1970er-Jahre im österreichischen Teil von Tirol entdeckt. Beide Lebensräume der Bayerischen Kurzohrmaus sind inzwischen durch Waldrodungen größtenteils zerstört worden. Trotz intensiver Suche konnten Forschende seitdem kein Exemplar mehr finden. Vermutlich ist die Bayerische Kurzohrmaus inzwischen ausgestorben.

    Die bayerische Kurzohrmaus wurde erst 1962 entdeckt und als eigene Art bestimmt.

    Foto von Nadja Hattinger - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=104317335

    4. Riesenalk (Pinguinus impennis)

    Schon weitaus früher ausgestorben ist der Riesenalk – ein flugunfähiger, bis zu 85 Zentimeter großer Seevogel. Das letzte Exemplar wurde vermutlich 1852 gesichtet. Sein Hauptverbreitungsgebiet lag im Nordatlantik. Hierzulande war der Riesenalk vermutlich ein seltener Wintergast in der Nordsee. Einst brütete er in riesigen Kolonien. Doch weil er nicht fliegen konnte, war der Riesenalk dem Menschen schutzlos ausgeliefert. Hungrige Seefahrer plünderten die Brutplätze, sein fettreicher Körper wurde als Brennstoff genutzt, auch die Daunen waren begehrt. Hobbyforscher und Tiersammler versetzten dem Riesenalk schließlich den Todesstoß. Am 3. Juni 1844 wurden die letzten beiden Brutvögel in Island erwürgt und die begehrten Körper an einen zahlungskräftigen Sammler verkauft.

    Historische Darstellung eines Riesenalks mit Artgenossen im Hintergrund

    Foto von Adobe Stock

    5. Tobias Köcherfliege (Hydropsyche tobiasi)

    Diese Fliegenart konnte ausschließlich an acht Standorten im deutschen Mittelrheintal nachgewiesen werden. Vor dem Zweiten Weltkrieg hat man sie noch häufig beobachtet. Doch die dramatische Rheinverschmutzung im Laufe des 20. Jahrhunderts bedeutete das Aus für das sensible Insekt, dessen Larven im Wasser lebten. Der letzte offizielle Nachweis stammt aus dem Jahr 1938. Spätere Suchaktionen blieben erfolglos. Die Tobia- Köcherfliege ist nach dem deutschen Insektenforscher Wolfgang Tobias benannt, der 1972 erstmals ein präpariertes Museumsexemplar untersuchte.

    Die Tobias-Köcherfliege lebte vermutlich ausschließlich im Mittelrheintal.

    Foto von Wolfram Mey, Museum für Naturkunde Berlin

    Wiedergeburt der Ausgestorbenen

    Es gibt auch Lichtblicke des Artenschutzes. Oft sind es imposante Tierikonen wie Wolf, Wisent oder Waldrapp, die schon aus Deutschland verschwunden waren, andernorts aber überlebten und nun hierzulande ein Comeback feiern. Erfahrt jetzt mehr über die Wiedergeburt der Ausgestorbenen

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