Segen oder Plage? Kampf um den Fischotter

Der Fischotter ist streng geschützt. Trotzdem darf er jetzt in einigen Gegenden Bayerns getötet werden. Die Landesregierung will damit Fischzüchtern helfen. Umweltverbände sind entsetzt und ziehen vor Gericht.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 16. Okt. 2023, 09:20 MESZ
Unterwasseraufnahme eines Fischotters

Er schwimmt sich frei: Seit einigen Jahren nimmt der Bestand des Fischotters in Deutschland deutlich zu.

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Noch vor wenigen Jahrzehnten stand der Fischotter in weiten Teilen Europas kurz vor der Ausrottung. Er braucht saubere, fischreiche Gewässer mit möglichst natürlichen, unverbauten Ufern. Und er wurde lange erbittert verfolgt. Bis Ende des 19. Jahrhunderts gab es Abschussprämien. In Westdeutschland stand die Population in den 1970-er Jahren kurz vor dem Kollaps.

Inzwischen hat der Fischotter ein erstaunliches Comeback hingelegt. Zwar listet ihn die Rote Liste immer noch als „gefährdet“. Seit einigen Jahren nehmen Bestand und Verbreitung aber deutlich zu. Strenge Schutzmaßnahmen und die Renaturierung von Flüssen und Bächen haben dazu beigetragen. Wie viele Fischotter es hierzulande gibt, ist unklar. Fakt ist aber: In den meisten Bundesländern ist er wieder heimisch. Nur im Saarland, in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz fehlt der gut ein Meter lange Wassermarder immer noch.

Die Rückkehr des Fischotters ist das Ergebnis jahrelanger Schutzbemühungen. Doch seit einiger Zeit mehren sich auch kritische Stimmen. Denn Lutra lutra, so der wissenschaftliche Name, richtet oft große Schäden in Aquakulturen an. Ein ausgewachsener Fischotter vertilgt rund 500 Kilo Fisch pro Jahr. Und Fischteiche sind für ihn ein wahres Schlaraffenland. 

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Fischotter: Millionenschäden in Teichwirtschaften

Besonders groß ist die Sorge in Bayern. Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es so viele Teichwirtschaften. Viele der weit über 1.000 Anlagen liegen in Oberpfalz und Niederbayern, wo der Fischotter-Bestand offiziellen Schätzungen zufolge auf 650 Tiere angewachsen ist. Laut Landesfischereiverband verursacht der Fischotter dort jährlich Millionenschäden.

Der Freistaat hilft betroffenen Teichwirten mit Entschädigungszahlungen, Beratung und Schutzzaun-Förderung. Doch viele Fischzüchter halten dies für unzureichend. Sie sehen sich zunehmend in ihrer Existenz bedroht. „Die Teichwirtschaft in Bayern ist an einem Kipppunkt“, sagt Alfred Stier, Fischereiverbandsvize und Teichwirt in der Oberpfalz. „Wenn jetzt nichts passiert, ist es bald zu spät für viele Betriebe.“

Die Landesregierung hat reagiert. Nach EU-Recht ist der Fischotter zwar streng geschützt. Seit August gilt im Freistaat aber eine neue Verordnung. Sie erleichtert die „Entnahme“, also das Töten, von Fischottern. In allen Landkreisen Niederbayerns und der Oberpfalz mit Ausnahme von Neumarkt dürfen seitdem Fischotter ohne Einzelgenehmigung entnommen werden.

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    Dazu müssen die jeweiligen Jagdberechtigten Lebendfallen in unmittelbarer Nähe der Teichanlagen aufstellen. Nur Otter mit einem Gewicht unter vier oder mehr als acht Kilo dürfen getötet werden. Darüber hinaus gibt es weitere Vorgaben. Unter anderem dürfen die Tiere nur dort gefangen werden, wo ein Schutzzaun nicht möglich ist.

    „Niemand will den Fischotter ausrotten, aber wir müssen die Teichwirtschaft erhalten“, erklärt Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber. Die Schäden, die der Fischotter in der Teichwirtschaft verursacht, hätten sich seit 2016 fast verzehnfacht. Eine „maßvolle Entnahme“ werde den Fischotter-Bestand nicht gefährden. Aktuell dürfen in Bayern maximal 32 Otter pro Jahr erlegt werden.

    Verstoß gegen Artenschutzrecht: Tierschützer klagen gegen Fischotter-Entnahme

    Umweltverbände protestieren. „Die Rückkehr der Fischotter nach Bayern ist ein Ergebnis jahrzehntelanger Artenschutzarbeit, das es zu verteidigen gilt“, sagt Moritz Klose vom WWF Deutschland. Mit der neuen Verordnung setze sich die bayerische Staatsregierung nicht nur über das Artenschutzrecht hinweg, sondern ignoriere auch den Willen der Bevölkerung. Der WWF habe eine repräsentative Umfrage durchführen lassen, wonach die Mehrheit in Bayern die Jagd auf Fischotter ablehne.

    Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der BUND Naturschutz in Bayern klagen gegen die erleichterte Fischotter-Tötung. Die Verordnung verstoße nicht nur gegen geltendes Recht. Es handele sich auch um eine Scheinlösung. Der Teichwirtschaft wäre mehr geholfen durch die unbürokratische Förderung von Zäunen oder die Einrichtung sogenannter Ablenkteiche, die dem Otter alternative Futterquelle bieten. „Die für alle Seiten nachhaltigste Lösung ist und bleibt die aktive Renaturierung der natürlichen Flusslandschaften in Bayern, um dem Fischotter eine Nahrungsgrundlage außerhalb der Teichgebiete zu sichern“, sagt DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner.

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